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Auf der anderen Seite wandte sich die Reformation an wichtigen Punkten gegen lateineuropäische Erbschaften. Mit ihrem Verständnis des Glaubens als Inbegriff des Gottesverhältnisses machten sie das Christsein wieder zu einem wesenhaft persönlichen, individuellen Lebensvollzug: Als Glaubender ist der Christ ein Einzelner, die Kirche die Gemeinschaft aller glaubenden Einzelnen. Freilich verfochten sie diese Sicht, von einigen radikal-reformatorischen Gruppen abgesehen, im Rahmen des vorhandenen Kollektivchristentums, das in ihren Augen das Reservoir für die Verwirklichung wahren Christseins darstellte. Das aber nicht nach Art der spätantiken und mittelalterlichen Kirchen, die innerhalb des Kollektivs dezidiert individuelles Christsein als besondere Möglichkeit einer geistlichen Elite, der Mönche und Nonnen, verstanden, sondern als die Verwirklichung des Christseins an sich – mit der von Luther immer wieder angesprochenen Konsequenz, dass ein Christ in der Masse der Kirchenglieder doch »ein seltener Vogel« sei. Diese »Reindividualisierung« sah man als Konsequenz der neutestamentlichen, namentlich paulinischen Botschaft. Dann und wann wurde, etwa von Melanchthon, auch darauf hingewiesen, dass die Reformation damit zu dem Muster zurückkehre, das in der vorkonstantinischen Kirche gegolten habe. Der Pietismus machte aus diesem historischen Argument eine programmatische Waffe der Kirchenkritik – worin ihm die Aufklärung gerne folgte.

Christentum und Europa

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