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1. Konfession und Kultur

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Während die Konfessionalisierungsforschung der 1980er und 1990er Jahre vor allem die sozialen und politischen Folgewirkungen der konfessionellen Formierung des 16. und 17. Jahrhunderts im Blick hatte und auf strukturgeschichtliche Parallelen (also auf die Ähnlichkeiten oder sogar Gleichheiten) zwischen den drei großen Konfessionen Katholizismus, Luthertum und Calvinismus abhob, beschäftigt sich die jüngere Konfessionsforschung stärker mit den Grenzen und Widerständen der konfessionellen Homogenisierung und mit den Unterschieden (also Pluralitäten) zwischen den und innerhalb der Konfessionen. In diesem Kontext hat Thomas Kaufmann bereits in den 1990er Jahren am Beispiel des Luthertums den Begriff der »Konfessionskultur« ins Gespräch gebracht1, der seitdem im Raum steht und vielfach völlig unterschiedlich verwendet wird (was dem Begriff nicht gerade zu seinem Vorteil gereicht). Ursprünglich wollte Kaufmann mit dem Begriff »Konfessionskultur« der Konfessionalisierungsthese ein Konzept entgegensetzen, das frei ist von modernisierungstheoretischen Entwicklungsideen und etatistischen Verengungen. Statt das Religiöse auf seine Funktion für die Politik zu reduzieren und die in dieser Hinsicht offenkundigen Parallelen zu betonen, gelte es, sowohl die Propria der Konfessionen als auch das Eigengewicht des Religiösen als historischen Wirkfaktor zu würdigen. Ein ganz wesentliches Anliegen Kaufmanns war es, mit dem Begriff »Konfessionskultur« einer – wie er es nannte – »Monolithisierung des Konfessionellen« entgegenzutreten, wie sie sich sowohl in der politikgeschichtlichen Konfessionalisierungsforschung als auch in der theologiegeschichtlichen Erforschung der lutherischen Orthodoxie ergeben hatte. Insbesondere das Luthertum wollte Kaufmann mit dem Begriff der »lutherischen Konfessionskultur« viel stärker als ein in sich plurales Phänomen begreifen.2 Pluralität ergibt sich für Kaufmann dadurch, dass sich ein harter (primär doktrinal bestimmter) Kern des Konfessionellen in verschiedene nationale, regionale oder lokale Räume und kulturelle Felder hinein ausprägt. Kaufmann definiert Konfessionskultur als »den Formierungsprozeß einer bestimmten, bekenntnisgebundenen Auslegungsgestalt des christlichen Glaubens in die vielfältigen lebensweltlichen Ausprägungen und Kontexte hinein, in denen der allenthalben wirksame Kirchenglaube präsent war«3. Damit ist Konfession für Kaufmann dann auch nicht identisch mit Kultur: Konfession und Kultur stehen sich vielmehr als selbstständige Dimensionen gegenüber. Konfessionskultur entsteht dort, wo die Kultur von der Konfession durchdrungen und in spezifischer Weise geprägt wird. Das jedenfalls verbindet in groben Zügen derjenige mit »Konfessionskultur«, der den Begriff ursprünglich geprägt hat.

Christentum und Europa

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