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2.1. Politische Meinungsbildung in der Anthropologie der Federalist-Papers

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Mehr als in Staaten, in denen der VolkswilleVolkswille nur eine nachgeordnete Rolle spielt, beruht laut Federalists-PapersFederalists-Paperszum Menschenbild der Demokratie (Madison 1788/1965) in (repräsentativen) Demokratien die legitime politische Macht auf der MehrheitsmeinungMehrheitsmeinung der Wahlberechtigten. Zu ihrer Feststellung bedarf es eines transparenten, geregelten Wahlverfahrens. Sein Ergebnis konstituiert den politischen Handlungswillen, d.i. die Regierung. Die Gegenstände der Meinungsbildung umfassen ungezählte und sich immer neu stellende Fragen der Politik, für deren inhaltliche Beurteilung es keine verbindliche Methode gibt. Daher ist die Methode des politischen Urteilsvermögens topisch: Jedes Thema verlangt einen eigenen Zugriff, eventuell in einer nur ihm eigenen Sprache. Natürlich ist die Bürgerschaft überfordert, sich zu allen anfallenden Fragen ein Urteil zu bilden und dieses in der Öffentlichkeit zu verhandeln.

Doch wie kommen Meinungen zustande? In den Augen des Verfassungsvaters und vierten Präsidenten der USAUSA, James Madison, ist folgende Trias konstitutiv: passionpassionLeidenschaft (dt. Leidenschaft, Vorliebe, Geschmack), reasonreason (Vernunft), interestinterest (Interesse). Für die rein von passions geleitete Meinungsbildung sind weder die Nachvollziehbarkeit eines Arguments (reason) noch ein Interesse (interest) allein entscheidend, sondern Gefühle (Liebe, Hass, Sympathie/Antipathie, Glaube, Ängste, Begeisterung, Rache usw.). Legitimierende und polykausale Referenzen sind zur Herstellung passion-initiierter Wir-Erlebnisse nicht notwendig, doch sind Ausgrenzungen, Definitionen von out-groups und ‚Feinden‘ förderlich. – Eine Parenthese aus gegebenem Anlass: Simplifizierende, nationalistische und populistische Sichtweisen instrumentalisieren das ‚Fremde‘, und der Nationalismus blickt nicht auf das Gemeinsame und allen gemeinsam Mögliche, sondern auf kurzfristig wirkende eigennationale Vorteile (für die jeweilige Wählerschaft): Die Vorteile der Anderen erscheinen leicht als Nachteile zu Lasten des Eigenen. Nationale Egoismen zu reduzieren, erfordert die Aufhebung dieser Fixierung sowie kollektive Empathie, europäische Identität und generelle Mitmenschlichkeit. – Natürlich sind passionspassionLeidenschaft an sich neutral und können integrativ (sie sind wie wir) oder adversativ verwendet werden (sind anders). Passions entscheiden auch darüber, ob vernünftige (reasonable) Argumente zugelassen und wie sie dargestellt werden. Auch die interests sind an einer Finalität festgemacht. Zumeist betreffen sie wirtschaftliche oder pekuniäre Vorteile. Ihre Beurteilung fällt in kurzfristiger oder langfristiger Betrachtung oft unterschiedlich aus. Natürlich sind Meinungen nie ausschließlich das Ergebnis der einen oder anderen Komponente. Stets handelt es sich um einen Mix von interagierenden Variablen. Madison betont, dass auch reason-geleitete Meinungen unweigerlich dazu führen, dass sich die öffentliche Meinung aus vielen unterschiedlichen Einzelmeinungen bildet („… men […] inevitably fall into different opinions“, L). Der guten Regierung fällt u.a. die Aufgabe zu, die Auswirkungen von passions und interestsinterestInteresse im Sinne der dann handlungsleitenden, weil möglichst weit in die Zukunft blickenden reasonreasonVernunft im Sinne des Gemeinwohls zu formieren.

Handbuch Mehrsprachigkeits- und Mehrkulturalitätsdidaktik

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