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4.2 Phänomenologie aus psychodynamischer Perspektive
ОглавлениеEs fällt unmittelbar auf, dass sich Zwangsgedanken und Zwangshandlungen typischerweise um Themen wie Verunreinigung (»Bin ich infiziert?«), Sexualität (»Was wäre, wenn ich in der vollen U-Bahn sexuelle Schimpfwörter von mir gebe?«), Aggression (»Ich will das Baby nicht in den Arm nehmen, weil ich es sonst absichtlich aus dem Fenster werfe.«) oder schuldhafte Verurteilung (»Man sieht mir an, dass ich schlecht und schmutzig bin.«) kreisen. Es konnte auch empirisch gezeigt werden, dass es zwei Subtypen von Zwangsgedanken gibt: intrusive Gedanken, die sich um Sexualität und Aggression drehen oder solche, die um Kontamination, Fehler oder Kontrollverlust kreisen (Lee und Kwon 2003).
Es sind also triebnahe, um Aggression und Sexualität kreisende und zu zensurierende Gedanken, die bei den Zwangsgedanken ängstigend und bewusstseinsnah werden. Moritz und Mitarbeiter (2011) fanden erhöhte Werte für latente Aggression bei zwangserkrankten Personen. Zwang ist, wie andere Symptomdarbietungen insbesondere bei strukturellen Störungen, durch Wiederholung charakterisiert. Dabei sind ich-dystone, kurze Gedanken, die an Zwangsgedanken erinnern, nicht selten (beispielsweise der Gedanke man könnte jemanden mit voller Absicht schubsen). Doch können diese Gedanken – anders als bei der Zwangsstörung – eingeordnet, als unsinnig kategorisiert und rasch wieder verdrängt werden.
Zwangskranke kommen nicht selten nicht wegen der Unfreiheit durch die quälenden Zwangssymptome selbst, sondern weil sie sich depressiv, zerrissen-gequält, unsicher oder minderwertig fühlen.
Ein weiterer Aspekt stellt ein Versagen der Ordnung oder der Kontrolle dar: Zwangsgedanken können auch um Asymmetrien kreisen. Personen mit vermüllter Wohnung (aus der Schwierigkeit etwas wegzuwerfen), »Messies« sind nicht selten – sozusagen dekompensierte – Zwangserkrankte, mit an sich übertriebenem Wunsch nach Ordnung und Sauberkeit (Rehberger 2013).