Читать книгу Zwangsstörung - Группа авторов - Страница 55
4.3 Psychodynamische Konfliktmodelle 4.3.1 Triebtheoretische Perspektive
ОглавлениеSigmund Freuds zentrale, triebtheoretische Theorie der Zwangsneurose, die er insbesondere in den Fällen »Rattenmann« (»Bemerkungen über einen Fall von Zwangsneurose«, 1909) und »Wolfsmann« (»Aus der Geschichte einer infantilen Neurose«, 1918) ausgearbeitet hat, geht von einer Regression oder Fixierung auf der anal-sadistischen Entwicklungsstufe aus, bei der es um Kontrolle über die Körperfunktionen, aber auch Kontrolle über andere geht. Diese Entwicklungsphase ist nicht selten mit Reinlichkeit, Sauberkeit und damit auch mit Über-Ich-Entwicklung (»Sphinkter-Moral«) assoziiert. Freud und mit ihm die erste Generation der Psychoanalytiker gingen davon aus, dass konflikthafte Entwicklungen (»Reinlichkeitsdressur«) in der frühen Kindheit dazu führen können, dass es zu einer pathologischen, neurotischen Entwicklung (d. h. Fixierung) auf dieser Triebstufe kommen kann, die wiederum eine unbewusste Funktionalität hat. Freud beschreibt etwa im Fall des »Rattenmanns«, wie infantiler, sadistischer Hass auf den Vater (und auf den Anus bezogene Ängste) verdrängt werden und es zu zwanghaften Befürchtungen bezogen auf den Vater kommt. Es geht also um eine psychische Verschiebung weg vom eigentlich Bedeutsamen (Schuldgefühle, aggressive Triebimpulse, ängstigende homosexuelle Erregung) auf ein anderes kontrollierbares und handlungsnahes, konkretes Thema (Händewaschen).
Die Theorie der Regression bzw. der Fusion von aggressiven und libidinösen Triebimpulsen (bei also vorwiegend triebtheoretischer Konzeptualisierung der Zwangsneurose) findet sich etwa noch 1988 bei dem einflussreichen Psychiater und Psychoanalytiker John C. Nemiah (S. 243):
»Angesichts von Reizen, die eine angstauslösende ödipale Libido hervorrufen, anstatt den Trieb zu unterdrücken und die Energie in somatische Symptome wie bei der Hysterie umzuwandeln oder sie wie bei phobischer Neurose zu verdrängen und zu projizieren, zieht sich der Patient mit einer zwanghaften Neurose, dem Weg der psychosexuellen Entwicklung folgend, aus der Ödipalität zurück in die regressive Position der analen Phase, eine Regression, die häufig durch das Vorhandensein von analen Fixierungen unterstützt wird, die auf Störungen im frühen Durchlaufen dieser Patienten durch diese Entwicklungsphase während der frühen Kindheit zurückzuführen sind.«