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NS-Strukturen in unserem Denken

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Wie es scheint, ist der Nationalsozialismus also europäisches, ja westliches Erbgut. Er scheint sich als Frage darzustellen, die sich nicht nur an Deutschland richtet, wie das in der Regel geschieht („Wie konnte ein Land von solcher kulturellen Höhe nur …?“), sondern an Europa insgesamt. Man kann dies als Bestätigung des Fortbestehens einer außergewöhnlichen NS-bezogenen Gedächtniskultur betrachten, die unablässig die Regale unserer Bibliotheken, die Programme unserer Fernsehanstalten und die Leinwände unserer Kinos füllt. Die nie nachlassende Präsenz der Themen Nationalsozialismus und Zweiter Weltkrieg in unserer Gedächtniskultur hat vermutlich mehrere Ursachen: Zum einen macht uns der Zweite Weltkrieg in unserer heutigen, kaum durchschaubaren Welt das Angebot leichter Lesbarkeit, ja Evidenz (man weiß, wer die Bösen sind) und eines Happy End (die Guten haben gesiegt); zum anderen haben wir es mit der dubiosen Faszination für das im Nationalsozialismus verkörperte Böse zu tun, und das in einem weithin entchristianisierten Europa, das jedoch ein paar analytische Kategorien aus seinem christlichen Erbe wie eben nicht zuletzt die Idee eines substanziell Bösen bewahrt hat. Schließlich dürfte das NS-Phänomen auch etwas mit der Brutalität der europäischen und westlichen Welt zu tun haben, mit der kolonialen Eroberung, der ökonomischen Ausbeutung des „Humanfaktors“, der Umweltvernichtung, der Verherrlichung von Wettbewerb, Tat und Leistung, die im Wesentlichen seit der Mitte des 19. Jahrhunderts auf das Vorhandensein von NS-Strukturen in unserem mentalen Universum verweisen. Diese wurden zwischen 1933 und 1945 in besonders radikaler und brutaler Weise wirksam, sind aber weder 1933 entstanden noch 1945 verschwunden.

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