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Wörter im Licht der Geschichte

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Ähnliches ist während des Zweiten Weltkriegs den Wörtern „résistant“ und „collaborateur“ widerfahren. Bis 1940 bezeichnet „résistant“ als Adjektiv oder Partizip entweder eine feste, robuste Materie oder aber das Verhalten einer Person, die sich entschieden widersetzt. „Collaborateur“ („Mitarbeiter“) bezeichnet seinerseits ausschließlich eine Person, die mit einer anderen an einem gemeinsamen Unterfangen arbeitet. Wir haben es also mit zwei ganz gewöhnlichen Wörtern ohne spezielle Konnotation zu tun. Doch sehr rasch, nämlich bereits unmittelbar nach dem Waffenstillstand von Juni 1940, der auf den Zusammenbruch der französischen Armee angesichts der Offensive der Wehrmacht folgt, wird deutlich, dass Frankreich sich lange nicht von dieser Niederlage erholen wird, und in diesem Kontext verändern sich unsere beiden Begriffe. „Résistant“ wird vom Adjektiv oder Partizip zum Nomen, das eine Person bezeichnet, die bis zum endgültigen Sieg den deutschen Besatzer und dessen Unterstützer bekämpft, und darüber hinaus jeden, der gegen fremde Besatzung oder ein verabscheutes Regime kämpft. „Kollaborateur“ wird zum Gegenbegriff von „Résistant“ und genauso stark negativ konnotiert, wie es Letzterer positiv ist; das Wort bezeichnet jeden, der mit der Besatzungsarmee und NS-Deutschland gemeinsame Sache macht, und darüber hinaus jeden, der sich mit einem feindlichen Besatzer oder einem verabscheuten Regime einlässt.

Woher kommt diese Doppelmutation, die zugleich beide Wörter, die bislang nichts miteinander zu tun hatten, nun so eng aneinanderbindet? Die Veränderung von „résistant“ hin zum positiv konnotierten Nomen verweist in erster Linie auf die neue Bedeutung, die dem Wort „résistance“ als Kampf bis zum endgültigen Sieg gegen den Besatzer, NSDeutschland, im Appell vom 18. Juni 1940 verliehen wurde. In dieser im Londoner Exil gehaltenen Rede ruft General Charles de Gaulle zur Fortsetzung des Kriegs auf und schließt mit einem Satz, der bald zum geflügelten Wort wird: „Was auch kommen mag, die Flamme des französischen Widerstands darf nicht erlöschen und sie wird nicht erlöschen.“ Diese neue Bedeutung wird verstärkt durch den Titel – eben Résistance –, den der erste Widerstandskreis überhaupt, derjenige des Musée de l’Homme (Anthropologisches Museum), seiner Untergrundzeitung gab, die er ab Ende 1940 herausgab. Gegründet wurde diese Gruppe bereits im Sommer 1940 von Paul Rivet, Yvonne Oddon, Germaine Tillion, Anatole Lewitsky und Boris Vildé. Die erste Nummer der Zeitung vom 15. Dezember 1940 begann mit dem Appell: „Widerstehen! Das ist der Schrei aus euer aller Herzen, inmitten der Verzweiflung, in die euch der Untergang des Vaterlands gestürzt hat. Es ist der Schrei von allen, die wie ihr nicht bereit sind, aufzugeben, von allen, die wie ihr ihre Pflicht erfüllen wollen.“ Rasch setzt sich das Wort Résistance (großgeschrieben) durch, um alle Bewegungen und Initiativen zu bezeichnen, die die Niederlage nicht hinnehmen und vor Ort gegen den feindlichen Besatzer wie seine Unterstützer kämpfen. Seine endgültige Bestätigung erfährt es mit der Gründung der „Vereinten Widerstandsbewegungen“, der Mouvements unis de la Résistance, zu denen sich die drei wichtigsten Bewegungen des inneren Widerstands im Januar 1943 zusammenschließen, sowie im Mai 1943 mit der Bildung des „Nationalen Widerstandsrats“, des Conseil national de la Résistance, dem nun auch politische Parteien (darunter die Kommunistische Partei) angehören. Beide Einrichtungen unterstehen Jean Moulin und damit der France libre und General de Gaulle.

Die neue Bedeutung des Worts „collaborateur“ verweist auf das im Oktober 1940 von Pierre Laval und Otto Abetz arrangierte Treffen Adolf Hitlers, der von einer Begegnung mit Francisco Franco an der spanischen Grenze kam, mit Marschall Philippe Pétain in Montoire. Diese Begegnung war von bloß symbolischer Bedeutung und blieb ohne jegliche konkreten Folgen. Doch hält Pétain eine Woche später eine Rede, die das Gegenstück zum Appell des 18. Juni bildet. Mit ihr erklärt er sich bereit, den Weg einer „vertrauensvollen Kollaboration“ („collaboration confiante“) mit NS-Deutschland einzuschlagen, um es Frankreich zu ermöglichen, sich neu aufzustellen und seinen Platz im neuen Europa zu finden. Diese Begegnung wird von der öffentlichen Meinung schlecht aufgenommen, insbesondere wegen des Händedrucks, den Hitler und Pétain austauschten. Diese Begegnung und die Rede, die ihm folgte, diskreditieren das Wort „Kollaboration“ und verleihen zugleich dem Begriff „Kollaborateur“ eine neue und absolut negative Konnotation.

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