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Helden und Opfer

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Ein weiteres Charakteristikum dieser großen Geschichtserzählungen ist die Verherrlichung des Kampfes gegen den Besatzer und besonders die der beiden Kategorien, in denen er sich am reinsten verkörpert: Das sind die Helden auf der einen und die Opfer auf der anderen Seite. Die Helden, diese nachzuahmenden Vorbilder, sind nicht nur charismatische Figuren des Widerstands und des Siegs wie Charles de Gaulle und Winston Churchill, Josef Stalin und Georgi Dimitroff, Franklin D. Roosevelt und Josip Broz Tito, sondern auch Widerstandskämpfer und Partisanen, die im Kampf gefallen sind, wie etwa Jean Moulin, der erste Vorsitzende des Nationalen Widerstandsrats, der von Klaus Barbie zu Tode gefoltert wurde. Die Überführung seiner Asche ins Pantheon im Dezember 1964 – in Anwesenheit von General de Gaulle und begleitet von der großen pathetischen Rede André Malraux’ – stellt den Höhepunkt der Erinnerung an die Résistance in Frankreich dar. Ähnliches gilt für die junge litauische Partisanin Marytė Melnikaitė, die im Juli 1943 von den Deutschen durch Erschießen hingerichtet wurde und im Jahr darauf zur „Heldin der Sowjetunion“ ernannt wurde. Seien es nun Individuen oder Kollektivhelden wie die niederländischen Dockarbeiter, die im Februar 1941 gegen die Verhaftung von Juden protestierten, oder wie die Kämpfer des Warschauer-Ghetto-Aufstands 1943, an die seit 1948 Nathan Rappaports Denkmal erinnert – in all diesen Fällen werden die Entschlossenheit und die Opferbereitschaft, der Wagemut und die Ausdauer, die Würde und der Sinn der Handelnden für Solidarität betont.

Dem stehen die Opfer gegenüber, Millionen von Zivilisten, die ihr Leben in Massakern und Bombardierungen, bei Massenhinrichtungen und Repressionsmaßnahmen verloren haben. Die Betonung ihrer Unschuld geht einher mit der Kritik an der Brutalität und Grausamkeit eines Kriegs, den ein NS-Deutschland geführt hat, das Kriegsverbrechen und Verbrechen an der Menschheit begangen hat. Aus diesem Grund werden die zivilen Opfer oft als Märtyrer dargestellt und die Stätten ihrer Leidensgeschichte werden sakralisiert und im Zustand belassen, in denen die NS-Barbarei sie hinterlassen hat. Das gilt etwa für das Dorf Pirčiupiai (Litauen), das am 3. Juni 1944 von der Wehrmacht in Brand gesetzt und dessen Einwohner allesamt abgeschlachtet wurden; 1960 wurde es in eine Gedenkstätte für die Opfer des Faschismus umgewandelt, die von der Statue einer weinenden Mutter beherrscht wird. Es gilt auch für die böhmische Kleinstadt Lidice, die nach dem Attentat auf Reinhard Heydrich im Mai 1942 das gleiche Schicksal erlitt und unmittelbar nach dem Krieg zu einer Gedenkstätte für den tschechischen Widerstand und gegen die NS-Barbarei umgewandelt wurde. Es gilt schließlich auch für das Dorf Oradour-sur-Glane, das im Juni 1944 von der SS-Division „Das Reich“ in Brand gesetzt wurde und dessen Einwohner massakriert wurden, sowie für das italienische Dorf Marzobotto bei Bologna, dem die SS-Division „Reichsführer-SS“ im September 1944 das gleiche tragische Schicksal zufügte.

In den besetzten Ländern verbinden die aus politischen Gründen Deportierten die beiden Dimensionen des Helden und des Opfers miteinander. Sie nehmen deshalb innerhalb der Hierarchie der Opfer, die sich bei Kriegsende herausbildet, den ersten Platz ein. Die Gefängnisse und Konzentrationslager, in denen sie eingesperrt waren und gefoltert und hingerichtet wurden, entwickeln sich zu Kristallisationspunkten der kollektiven Erinnerung und des nationalen Gedenkens. Das in dieser Hinsicht beeindruckendste Beispiel ist Buchenwald, das Lager, das zur Gedenkstätte für den ungeheuer verlust-, aber auch siegreichen internationalen Kampf aller Antifaschisten unter kommunistischer Führung wurde. Die von Fritz Cremers Skulptur beherrschte Gedenkstätte wurde 1958 eingeweiht. Das Monument stellt den Schwur der gerade befreiten Deportierten dar, für die Errichtung einer neuen Welt des Friedens und der Freiheit einzutreten.

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