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Die Herstellung einer großen Heldenerzählung
ОглавлениеAusgesprochen rasch entwickeln sich in allen von der NS-Besatzung betroffenen Ländern Narrative, die in Form einer normativen Schwarz-Weiß-Darstellung an die Kriegsjahre erinnern. Diese Meistererzählungen, die von den neu gebildeten Regimen und den Vertretern der siegreichen Mächte geformt werden, sind ebenso kohärent wie überzeugend, sie werden von der großen Mehrheit der Bevölkerung akzeptiert und spielen eine wesentliche Rolle beim Neustart in ein normales Leben und beim Wiederaufbau nach der Katastrophe. Ungeachtet der politisch-ideologischen Grenzen, die der Kalte Krieg dann noch verstärken wird, betonen diese ebenso den Sieg über Deutschland wie über den Nationalsozialismus (in den westlichen Ländern) beziehungsweise den Faschismus (in den osteuropäischen Ländern) und erheben meistens den 8. oder 9. Mai zum Nationalfeiertag. In den einst besetzten Ländern ist die Feier der Befreiung noch wichtiger als die des Siegs und wird überall von den gleichen Bildern begleitet. Das beginnt mit dem Einzug in die Hauptstadt des Landes, das von den bewaffneten Einheiten der Résistance und regulären Truppen befreit wurde, und mit den Freudeausbrüchen des ganzen Volks, das diese empfängt. Dazu gehört die Waffenbrüderschaft zwischen den Soldaten des jeweiligen Landes und den alliierten Truppen, wie man das beispielsweise in Ungarn auf dem großen Bild sehen kann, das Sándor Ék Anfang der 1950er-Jahre im Stil des sozialistischen Realismus gemalt hat: Es zeigt einen mit einer roten Fahne geschmückten sowjetischen T-34-Panzer bei der Einfahrt in Budapest, wo ihm eine begeisterte Menge in einer Straße voller Ruinen zujubelt. Überall finden sich in Erzählungen wie in Filmen die gleichen charakteristischen Details – die entscheidende Rolle, die die Kämpfer des befreiten Landes (Soldaten wie Widerstandskämpfer) spielten, die Freude eines Volks, das aus der Einheit aller die für die Wiedergeburt nötige Kraft schöpft, und die Befreiung in doppeltem Sinn, Befreiung von feindlicher Besatzung und Befreiung von einem Kollaborationsregime, das in politischer wie sozialer Hinsicht zu verurteilen ist. In allen Ländern, auch denen, die objektiv von außen befreit wurden, werden die Widerstandskämpfer und Partisanen als die eigentlichen Sieger des Zweiten Weltkriegs dargestellt. Sie verkörpern für die kollektive Wahrnehmung die Einheit und Entschlossenheit einer Nation, die sich selbst befreien will, die sich in der Ablehnung des Feindes einig ist und die mit dieser Auseinandersetzung ihre alten Kampftraditionen fortschreibt. In Italien wird die Resistenza deshalb als zweites Risorgimento aufgefasst, während in der Sowjetunion der Große Vaterländische Krieg gegen Nazideutschland als Fortsetzung des Vaterländischen Kriegs von 1812 gegen Napoleons Grande Armée betrachtet wird.