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7 Erinnerung und Wissen
ОглавлениеEine weit verbreitete Auffassung der Erinnerung ist die epistemische Theorie der Erinnerung, der zufolge Erinnerung Wissen impliziert; sie stellt bis heute die Standardauffassung der propositionalen Erinnerung dar. Ihrer Grundidee zufolge besteht Erinnerung in der Aufbewahrung zuvor erworbenen Wissens: Wenn sich jemand an etwas erinnert, dann besitzt er Wissen, das er zuvor durch einen kognitiven Kontakt mit dem Objekt seiner Erinnerung erworben und in der Folge nicht wieder verloren hat. Erinnerungsspuren wären demnach stets Wissenszustände.
Die epistemische Theorie trifft zwar auf viele Fälle von Erinnerung zu; sie gilt aber nicht allgemein. So kann sich jemand an etwas erinnern, ohne dass er beim Auftreten von K oder E über eine gerechtfertigte Überzeugung verfügte (etwa weil er relevante Anfechtungsgründe nicht ausschließen konnte oder kann). Es ist sogar möglich, dass sich jemand an etwas erinnert, ohne dass er bei K oder E überhaupt eine entsprechende Überzeugung gebildet hat. Mit anderen Worten: Erinnerungsspuren brauchen weder gerechtfertigte Überzeugungen noch überhaupt Überzeugungen zu sein; in manchen Fällen genügen informationstragende subdoxastische Zustände, um die entsprechende Erinnerungsleistung zu erklären (Siebel 2000).