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1.3 Kritik an Weinberg/Nichols/Stich und Swain
ОглавлениеJ. Nagel zeigt in ihrer Kritik an den Thesen von Weinberg et al. und Swain et al. mehrere Möglichkeiten auf, die von Weinberg et al. erhobenen Daten so zu interpretieren, dass sie nicht zwingend als Evidenz für die Variabilität intuitiver Wissenszuschreibungen aufgefasst werden müssen (Nagel 2012). Außerdem vermutet sie, dass divergierende Verteilungen in der Beantwortung von Fragebögen aus der variierenden sprachlichen Sensibilität und divergierenden fachlichen Hintergründen der Gruppen von Versuchspersonen hervorgehen könnten. Ferner weist sie auf experimentelle Ergebnisse hin, die sie und andere in einer Studie ermitteln konnten, die einer grundlegenden Differenz verschiedener ethnischer Gruppen bei der Bewertung von Gettierfällen widersprechen. Des Weiteren führt sie ein äußerst gut bestätigtes psychologisches Standardmodell für die Genese von Intuitionen an, dem die Schlussfolgerungen aus Weinberg u.a. 2001 widersprächen. In seiner Antwort auf Nagel macht Stich unter anderem geltend, dieses psychologische Modell könne zwar auf eine Vielzahl intuitiver Prozesse angewandt werden, nicht aber auf intuitive Wissenszuschreibungen.
S. Cullen (Cullen 2010) erzielt mit einer leicht modifizierten Version von Swains Fragebögen Ergebnisse, die denen Swains zuwiderlaufen: Es genügt, die Versuchspersonen bei der Beurteilung von Truetemp-Fällen explizit zu bitten, die Beurteilung der Fälle unabhängig voneinander vorzunehmen. Mit dieser Zusatzanweisung lässt sich kein Effekt der Reihenfolge der Szenarien auf die Beurteilung des Truetemp-Falles nachweisen.
Kritik an den Schlussfolgerungen der Autoren von Weinberg et al. 2001 wird auch von E. Sosa (Sosa 2005) geäußert. Er gibt zu bedenken, dass eine kulturabhängig divergierende Antworttendenz das Resultat verschiedener Begriffe von Wissen sein könnte. Wissenszuschreibungen wären dann abhängig vom jeweiligen Begriff von Wissen, was die in Weinberg et al. 2001 angeführten Ergebnisse mit interkultureller Stabilität von Intuitionen vereinbar machte. Weiterhin kritisiert Sosa das Fehlen einer dritten Antwortoption, nämlich „Es sind nicht genügend Daten für Wissenszuschreibung vorhanden“, die seiner Ansicht nach in vielen Fällen die richtige Wahl sein könnte. Ein weiterer Kritikpunkt Sosas lautet, dass nicht sichergestellt ist, dass sämtliche VP die gleiche Frage beantworten. Menschen, die Literatur lesen, machen viele Annahmen, die nicht explizit aus dem Text hervorgehen. Dies könnte auch bei den Szenarien in Weinberg et al. 2001 der Fall sein. Dabei hebt Sosa hervor, dies seien lediglich mögliche Erklärungen für die Umfrageergebnisse. Er nennt keine Studien, die seine Erklärungen verifizieren.
Neben den Einwänden dieser drei Autoren gibt es noch viele weitere Diskussionen zum Thema der Allgemeingültigkeit von Intuitionen (↗ Intuition für weitere Beispiele). Es ist kein Konsens erreicht, inwieweit Intuitionen wirklich „allgemeingültig“ sind und welche Folgerungen für die Erkenntnistheorie und andere Bereiche der Philosophie man aus den Resultaten ziehen sollte. Das Spektrum der vertretenen Positionen reicht von Autoren, die Umfragen im Stile der eP. für vollkommen irrelevant für die Philosophie halten (Capellen 2012), bis zu Autoren wie den hier angeführten, die versuchen, ihre experimentellen Studien methodologisch immer weiter zu verbessern, um repräsentative Ergebnisse zu erhalten.