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II. Die Beteiligungsregelungen im RStGB von 1871

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Nach der Reichsgründung von 1871 galt für das gesamte Gebiet des Deutschen Reiches ein einheitliches Strafgesetzbuch, das im Wesentlichen dem Preußischen Strafgesetzbuch entsprach. §§ 47 bis 49 RStGB von 1871 differenzierten unter der Abschnittsüberschrift „Theilnahme“ zwischen Mittäterschaft, Anstiftung und Beihilfe. § 47 RStGB regelte die Mittäterschaft, die §§ 48, 49 RStGB normierten Anstiftung und Beihilfe. Die Anstiftung stellte eine der Haupttat akzessorische Teilnahme dar. Vorausgesetzt war eine „strafbare Handlung“, also eine vorsätzliche, rechtswidrige und schuldhafte Haupttat. Fälle dagegen, in denen der Hintermann z.B. eine willenlose Mittelsperson einschaltet, wurden damit aufgrund der Abhängigkeit des Anstifters von der Haupttat nicht von § 48 RStGB erfasst. Im Strafmaß des Anstifters zeigte sich, dass dieser als ebenso strafwürdig erachtet wurde wie der Täter; die Beihilfe sah hingegen eine obligatorische Strafmilderung vor. Ausdrückliche Regelungen zur Alleintäterschaft und zur mittelbaren Täterschaft fehlten hingegen; sie wurden als nicht erforderlich erachtet, da sie als von den Tatbeständen des Besonderen Teils mitumfasst angesehen wurden. Aufgrund der strukturellen Gleichheit der mittelbaren Täterschaft und der unmittelbaren Täterschaft erschien jene genauso wenig im Allgemeinen Teil des RStGB erwähnenswert wie diese.[4]

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Mit der im Gesetz vorgenommenen generellen Unterscheidung von Täterschaft und Teilnahme erfolgte in Rechtsprechung[5] und Literatur[6] eine nähere Herausarbeitung der Kritieren der mittelbaren Täterschaft. Bedingt durch die strenge Akzessorietät der Anstiftung und ihrer Einordnung als Teilnahmeform blieben Sachverhalte übrig, bei denen der Täter einen Menschen einsetzt, der strafrechtlich nicht verantwortlich handelt. Die Figur der mittelbaren Täterschaft wurde daher für solche Fälle konstruiert, die allgemein als strafwürdig galten, aber gesetzlich nicht (ausdrücklich) erfasst wurden. Als mittelbarer Täter sollte derjenige behandelt werden, der sich einer unvorsätzlich, rechtmäßig oder schuldlos handelnden Person, also eines strafrechtlich nicht verantwortlichen Menschen, bediente. Die Beteiligungsform der mittelbaren Täterschaft ergab sich aus der Abgrenzung zur Anstiftung. Es sollte unerheblich sein, ob sich jemand eines dinglichen Werkzeugs bedient oder einen Menschen als (strafloses) Werkzeug für seine strafbaren Zwecke benutzt.[7]

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Die Diskussion um eine Änderung der Vorschriften begann bereits zu Beginn des 20. Jahrhunderts. So wurde zum Teil kritisiert, dass eine ausdrückliche Regelung zur Bestimmung des Täterbegriffs fehle, zum Teil wurde auf der Grundlage eines kausalen Handlungsbegriff ein Einheitstäterbegriff und damit verbunden eine Abschaffung der §§ 48f. RStGB gefordert. Zwar gab es zahlreiche Vorentwürfe und auch amtliche Gesetzesentwürfe, jedoch kam es zunächst (mit Ausnahme des JGG 1923) zu keiner Änderung der gesetzlichen Regelung.[8]

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Durch die Strafrechtsangleichungsverordnung vom 29. Mai 1943[9] wurde die strenge Akzessorietät der Anstiftung gelockert. Die Teilnahme war nun nicht mehr von der Strafbarkeit des Täters insgesamt abhängig, vielmehr genügte nunmehr statt einer „strafbaren Handlung“ eine „mit Strafe bedrohte Handlung“ (§§ 48 Abs. 1, 49 Abs. 1 RStGB). § 50 Abs. 1 RStGB erklärte, dass bei einer Beteiligung mehrerer an einer Tat, jeder ohne Rücksicht auf die Schuld eines anderen strafbar ist. Vorausgesetzt wurde daher für die Teilnahme eine tatbestandsmäßige und rechtswidrige Tat, die nicht schuldhaft begangen werden musste (limitierte Akzessorietät). Ferner wurde die obligatorische Strafmilderung der Beihilfe aufgehoben und durch eine fakultative ersetzt; zudem wurde die Strafbarkeit der erfolglosen (versuchten) Beihilfe eingeführt (§ 49a Abs. 3 RStGB).[10]

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Die mittelbare Täterschaft wurde auch 1943 nicht ausdrücklich normiert, obwohl sie in der Rechtsprechung und Literatur als Beteiligungsform anerkannt war. Das Gesetz selbst ließ so zahlreiche Fragen offen: Zum einen die Frage, ob es überhaupt eine Form der mittelbaren Täterschaft gibt, zum anderen, welche Kriterien zur Unterscheidung von Täterschaft und Teilnahme, insbesondere auch im Verhältnis der Anstiftung zur (mittelbaren) Täterschaft, entscheidend sein sollen. Aber auch mit der Aufnahme des Begriffs der mittelbaren Täterschaft 1975 in § 25 Abs. 1 Alt. 2 StGB blieben die bestehenden Fragen vom Gesetzgeber zum großen Teil unbeantwortet.

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