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II. Nivellierungstendenzen in der Rechtsprechung

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Auch in der Rechtsprechung, die die Unterscheidung der Beteiligungsformen vermehrt in Form einer sog. wertenden Gesamtbetrachtung (näher Rn. 31 ff.) vornimmt, werden in Teilen die Grenzen zwischen Täterschaft und Teilnahme verwischt. Das zeigt sich insbesondere durch die von der Rechtsprechung entwickelte Konstruktion der sog. Täterschaft kraft Organisationsherrschaft im Rahmen von Wirtschaftsstraftaten.[23] Die von Roxin entwickelte Rechtsfigur der organisatorischen Machtapparate (näher hierzu → AT Bd. 3: Claus Roxin, Mittelbare Täterschaft, § 52 Rn. 169 ff.) hat die Rechtsprechung aufgenommen, jedoch in erheblicher Weise modifiziert. Anders als Roxin verzichtet sie auf die Notwendigkeit der Rechtsgelöstheit und der Fungibilität organisatorischer Machtapparate, so dass eine mittelbare Täterschaft kraft Organisationsherrschaft auch dann in Betracht kommt, wenn der Hintermann unternehmerische oder geschäftsähnliche Organisationsstrukturen mit bloß regelhaften Abläufen ausnutzt. So soll auch derjenige Täter kraft Tatherrschaft sein, der „bestimmte Rahmenbedingungen durch Organisationsstrukturen schafft, die regelhafte Abläufe auslösen, wenn er diese Bedingungen ausnutzt, um die erstrebte Tatbestandsverwirklichung herbeizuführen“.[24] Nach diesem Maßstab bejaht der BGH mittelbare Täterschaft auch bei unternehmerischer Betätigung unabhängig davon, ob die unmittelbaren Täter schuldhaft handeln. Der BGH hat daher beispielsweise einem Tierarzt aufgrund seiner Stellung als Arbeitgeber gegenüber angestellten Tierärzten bei „wertender Betrachtung eine Tatherrschaft“ bezogen auf den Verstoß gegen das Arzneimittelgesetz zugeschrieben, da die Angestellten aufgrund der Stellung des Angeklagten als Arbeitgeber „rein faktisch an seine Weisungen gebunden“ waren.[25] Eine solche faktische Betrachtungsweise führt dazu, dass die Abgrenzungskriterien von Täterschaft und Teilnahme konturenlos werden – im konkreten Fall zwischen mittelbarer Täterschaft und Anstiftung. Es hängt allein davon ab, welche Position der Tatbeteiligte im System hat, wonach sich auch sein Tatinteresse bzw. Täterwille bestimmt.[26] Damit wird die Tatbestandsbezogenheit aufgelöst.[27] Denn das bloße Schaffen von Rahmenbedingungen und ein Ausnutzen von regelhaften Abläufen allein lässt ein Kriterium für täterschaftliches Handeln in Bezug auf die konkrete Rechtsverletzung nicht erkennen. Solange die unmittelbar die Rechtsverletzung bewirkende Person selbstverantwortlich handelt, ist sie diejenige, die die Einheit zwischen Tatbestandshandlung und -erfolg stiftet. Das Schaffen von Rahmenbedingungen und das Ausnutzen regelhafter Abläufe stellt dann eine Teilnahme an einer fremden Tat dar; der Hintermann mag zwar die Tat veranlasst haben, eine Herrschaft über die Tatbestandsrealisierung kommt ihm aber gerade nicht zu. Das bloße Setzen einer kausalen Ursache kann für eine täterschaftliche Zurechnung nicht genügen. Der Ansatz der Rechtsprechung läuft zudem Gefahr, die Mittelsperson auf einen Kausalfaktor zu reduzieren, was sich mit der Vorstellung eines vollverantwortlichen Handelns der unmittelbar zur Rechtsverletzung übergehenden Person nicht vereinbaren lässt.[28]

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