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II. Die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs von der Dolustheorie des Reichsgerichts hin zu einer normativen Betrachtungsweise

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Die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs gibt kein einheitliches Bild ab, in dem zu erkennen wäre, welchen methodischen Ansatz sie verfolgt; sie ist vielmehr durch zahlreiche Schwankungen gekennzeichnet. Zu erkennen ist jedoch, dass der Bundesgerichtshof – zwar mit „Rückfällen“ in die subjektive Lehre des Handelnden und insgesamt sehr schleppend – immer mehr hin zu einer normativen Betrachtungsweise gelangt ist, ohne sich dabei aber grundsätzlich von der ursprünglichen Rechtsprechung des Reichsgerichts abzuwenden. Der Bundesgerichtshof betont vielmehr, dass sich die bisher angelegten Kriterien nicht gewandelt hätten.

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Zunächst führte der Bundesgerichtshof die vom Reichsgericht vorgenommene Linie der subjektiven Abgrenzung fort.[66] Insbesondere in den sechziger Jahren fand die subjektive Betrachtungsweise wieder größere Bedeutung. Ihren Höhepunkt bildet das Staschinskij-Urteil von 1962.[67] Hier betont der Bundesgerichtshof, dass der eigenhändigen Tatbegehung lediglich eine Indizbedeutung zukomme und daraus nicht alleine eine Täterschaft gefolgert werden könne.

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Demgegenüber hatte der Bundesgerichtshof bereits in vorhergehenden Entscheidungen der fünfziger Jahren das objektive Element der Mitbeherrschung des Geschehensablaufs jedenfalls als Anhaltspunkt für die Ermittlung der Willensrichtung zum Maßstab genommen.[68] In einer kritischen Auseinandersetzung mit der Badewannenentscheidung des Reichsgerichts[69] entfernte sich der Bundesgerichtshof hier von der extrem subjektiven Theorie und setzte den Schwerpunkt auf die Tatherrschaft, die für die Ermittlung der Willensrichtung des Handelnden von Bedeutung sein sollte.

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In den letzten Jahrzehnten ist der BGH insgesamt zu einer „wertenden Gesamtbetrachtung“ des jeweiligen Einzelfalls übergegangen und nimmt die Abgrenzung von Täterschaft und Teilnahme in Form einer Kombination von objektiven und subjektiven Kriterien vor. Objektive Kriterien sind für täterschaftliches Handeln insbesondere der Umfang der Tatbeteiligung und die Tatherrschaft; als subjektive Kriterien fungieren der Grad des eigenen Interesses am Taterfolg und der Wille zur Tatherrschaft. So formuliert der BGH beispielsweise in Entscheidungen im Rahmen der Abgrenzung von Mittäterschaft und Beihilfe die Abgrenzung wie folgt: „Nach stRspr. ist Mittäter, wer nicht nur fremdes Tun fördert, sondern einen eigenen Tatbeitrag derart in eine gemeinschaftliche Tat einfügt, dass sein Beitrag als Teil der Tätigkeit des anderen und umgekehrt dessen Tun als Ergänzung seines eigenen Tatanteils erscheint. Ob ein Beteiligter ein so enges Verhältnis zur Tat hat, ist nach den von seiner Vorstellung umfassten gesamten Umständen in wertender Betrachtung zu beurteilen. Wesentliche Anhaltspunkte können der Grad des eigenen Interesses am Taterfolg, der Umfang der Tatbeteiligung und die Tatherrschaft oder wenigstens der Wille zur Tatherrschaft sein, so dass Durchführung und Ausgang maßgeblich von seinem Willen abhängen.“[70]

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Mit der Methode der „wertenden Gesamtbetrachtung“ behält sich der Bundesgerichtshof eine Flexibilität für Einzelfallentscheidungen vor, die eher von Intuition denn von einer dogmatisch sauberen Begründung für die Bestimmung von Abgrenzungskriterien von Täterschaft und Teilnahme geprägt ist.[71] So zeigt sich auch, dass sich die Rechtsprechung im Rahmen der mittelbaren Täterschaft zwar scheinbar an dem Begriff der Tatherrschaft orientiert, tatsächlich aber den Vordermann als bloßen Kausalfaktor betrachtet und dabei die Tatbestandsbezogenheit des Täterschaftsbegriffs auflöst.[72] Das gilt insbesondere für die Fälle der sog. Organisationsherrschaft des Hintermanns, die nicht nur bei staatlichen Organisationsstrukturen, sondern auch bei „unternehmerischen“ oder gar „geschäftsähnlichen“ Organisationsstrukturen, insgesamt „Befehlshierarchien“ in Betracht kommen soll. Eine mittelbare Täterschaft kraft Organisationsherrschaft soll dann gegeben sein, wenn ein Hintermann diese Organisationsstrukturen ausnutze und sein Tatbeitrag insofern regelhafte Abläufe auslöse. „Handelt (. . .) der Hintermann in Kenntnis dieser Umstände, nutzt er insbesondere auch die unbedingte Bereitschaft des unmittelbar Handelnden, den Tatbestand zu erfüllen, aus und will der Hintermann den Erfolg als Ergebnis seines eigenen Handelns, ist er Täter in der Form mittelbarer Täterschaft.“[73]

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Auch wenn der BGH hier den Begriff der Tatherrschaft verwendet und damit auf den ersten Blick scheinbar ein objektives Kriterium nennt, wird dies letztlich durch den Täterwillen ersetzt, der nur verbunden sein muss mit einer irgendwie gearteten Organisationsstruktur. Bei dieser soll es unerheblich sein, ob es sich um einen staatlichen Machtapparat, wie z.B. der Nationale Verteidigungsrat der DDR[74] oder eine OHG[75], eine GmbH[76] oder eine Tierarztpraxis[77] handelt; bloße Weisungsverhältnisse sollen ausreichen, um den Hintermann zum Täter hochzustufen und den Vordermann auf einen Kausalfaktor zu reduzieren.[78]

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