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III. Nivellierungstendenzen in der Literatur

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Angesichts der Aufweichungstendenzen hinsichtlich der Differenzierung von Täterschaft und Teilnahme auf Unrechtsebene durch den Gesetzgeber und die höchstrichterliche Rechtsprechung finden sich wieder[29] vermehrt Stimmen in der Literatur, die eine Abkehr vom traditionellen dualistischen Beteiligungssystem fordern.[30] Beispielsweise meint Rotsch auf der Grundlage eines „normativ-funktionalen Straftatmodells“[31], es gebe allein zwei Formen der Rechtsgutsbeeinträchtigung: „Entweder die personale Handlung führt ohne weitere kausale Handlung einer Person zur Rechtsgutsbeeinträchtigung (unmittelbare Zuständigkeit, Anm. B.N.) oder zwischen der Beeinträchtigung des Rechtsguts und der Handlung des in den Blick genommenen Täters ist eine weitere menschliche Handlung eingeschoben (mittelbare Zuständigkeit, Anm. B.N.) (. . .). Eine andere Form der Rechtsgutsbeeinträchtigung gibt es nicht.“[32] Rotsch vertritt damit ein „normativ beteiligungsindifferentes Zurechnungsmodell“.[33] Die Unterschiede im Gewicht der Beteiligung sollen erst auf der Ebene der Strafzumessung Berücksichtigung finden.[34] Zwar erklärt Rotsch, sein System sei „kein Einheitstätersystem“, sondern stelle auf der Grundlage eines „restriktiven Unrechtsverständnis(ses)“ allein auf die „strafzumessungsirrelevanten Kategorien unmittelbarer und mittelbarer Zuständigkeit“ ab. Nun ist es aber gerade Kennzeichen des Einheitstätersystems, dass dieses auf der Unrechtsebene eine Differenzierung von Täterschaft und Teilnahme nicht vornimmt, sondern erst im Rahmen der Strafzumessung das Gewicht der Beteiligung Berücksichtigung findet. Insofern handelt es sich bei dem von ihm vorgeschlagenen „normativ-funktionalen Straftatmodell“ um ein Einheitstätersystem. Allerdings soll sich nach Rotsch die unmittelbare/mittelbare Zuständigkeit der Person neben der Kausalität auch danach bemessen, ob der Handlung der Person der Erfolg (im weiteren Sinne) auch normativ objektiv zuzurechnen sei und „der dem Täter zurechenbare Eintritt des tatbestandsmäßigen Erfolges (. . .) zu einer Beeinträchtigung des durch die Norm geschützten Rechtsgutes“ geführt habe.[35]

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Auch wenn damit bloße Kausalität für die Zuschreibung des Erfolges zur Handlung einer Person nicht ausreicht, sondern die Kriterien der objektiven Zurechnung miteinbezogen werden, bleibt die subjektive Seite des personalen Handelns bei Rotsch bezogen auf die Frage der Zuständigkeit für die Rechtsgutsbeeinträchtigung unberücksichtigt.[36] Das führt letztlich auch zu einem extensiven Unrechtsverständnis.[37] Wer einem anderen eine Waffe verkauft, mit der ein Dritter getötet wird, tötet nicht selbst (auch nicht „mittelbar“ als Täter), schon gar nicht, wenn er nicht weiß, was der Käufer mit der Waffe beabsichtigt. Vielmehr beteiligt er sich an der Tötungshandlung eines anderen; Beihilfe-Unrecht ist aber erst realisiert, wenn der Verkäufer um die Tat des Käufers wusste. Ebenso wie die Vertreter „klassischer“ Einheitstätersysteme verliert der Ansatz Rotschs damit die objektiv-subjektive Einheit menschlichen Handelns aus den Augen. Das Recht und damit auch das Strafrecht sind an die Strukturen personalen Handelns gebunden.[38] Dieses ist aber mehr als die bloße objektive Veränderung der Wirklichkeit. Der Mensch agiert nicht nach bloßen Kausalgesetzen der Natur, sondern ist in der Lage, selbstbestimmt zu handeln. Personales Handeln lässt sich daher nicht auf bloß kausale Zusammenhänge reduzieren. Daher genügt auch zur täterschaftlichen Unrechtsrealisierung nicht das bloße Setzen einer objektiven Bedingung bezogen auf die Rechtsverletzung. Wirken nun mehrere Personen an einer Unrechtstat mit, können ihre Handlungen hinsichtlich der Rechtsverletzung ebenso wenig als Kausalfaktoren betrachtet werden. Denn auch hier geht es um ein freiheitliches Zusammenwirken mehrerer. Die Beteiligten bewirken nicht zufällig eine Rechtsverletzung, sondern es ist ein bewusstes personales Zusammenwirken. Dabei sind die Unterschiede in der Qualität der Tatbeiträge bezogen auf die bewirkte Rechtsverletzung zu berücksichtigen. Das täterschaftliche Begehen einer Tat ist nicht gleichzusetzen mit dem bloßen Bewirken des Taterfolges. Während dem Täter die Herrschaft über das rechtsverletzende Geschehen tatsächlich zukommt, kommt dem Teilnehmer diese Macht gerade nicht zu. Bereits auf Unrechtsebene besteht damit ein Unterschied, ob jemand einem anderen eine Waffe besorgt oder ob jemand eine Person mit dieser Waffe eigenhändig tötet. Auch wenn derjenige, der die Waffe besorgt hat, ursächlich gewesen sein mag für den Tod eines anderen und die Tat damit gefördert hat, ist der Tod letztlich nicht sein Werk, sondern das des Haupttäters. Der Teilnehmer leistet damit nur einen Beitrag zu der konkreten Rechtsverletzung eines anderen. Anders als dem Täter kommt dem Teilnehmer nicht die Herrschaft über die Verletzungshandlung und damit auch den Verletzungserfolg zu, sondern er wirkt „nur“ an der Gestaltung eines anderen mit. Ein restriktiver Unrechtsbegriff setzt damit eine Unterscheidung von Täterschaft und Teilnahme bereits auf der Unrechtsebene voraus. Den Nivellierungstendenzen seitens der Rechtsprechung und des Gesetzgebers ist daher entgegenzuwirken, an einem restriktiven Unrechtsbegriff und der damit verbundenen Differenzierung von Täterschaft und Teilnahme auf Unrechtsebene ist festzuhalten; den Aufweichungstendenzen hinsichtlich der Unterscheidung der Beteiligungsformen ist daher nicht nachzugeben.[39]

12. Abschnitt: Täterschaft und Teilnahme§ 50 Die Lehre von der Beteiligung › C. Zur Diskussion um die Kriterien der Abgrenzung von Täterschaft und Teilnahme

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