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Kapitel 10 - Briefe von Widzelt aus dem Ordensland

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Eines schönen Tages, als das Morgenrot aus trüben Wolken brach, flatterte eine Brieftaube in den heimischen Schlag. Welche Freude! Nachricht von Widzelt aus Lübeck: „Bin gesund, reise mit Konvoi nach Balga. Liebe euch.“ Mit tränenvollen Augen hielt Foelke das winzige Brieflein in den Fingerspitzen und schluchzte glücklich: „Gelobt sei der Herr, denn seine Gnade währet ewiglich.“

Tag für Tag, Flut für Flut vergrößerte die Flut die Leybucht. Hilflos musste Ocko erleben, dass das Meer eines Tages eine gewaltige Bresche schlug und viele Grasen Land unter Wasser setzte. Auf den neu entstanden Sandbänken räkelten sich ohne Scheu Rudel von Kegelrobben und Seehunden.

Das Dorf Westeel war jetzt nur noch erkennbar durch die letzten kümmerlichen Reste der Kirchenruine. Hier hatte die See arg gewütet; auf der Seite vor Wirdum aber stark aufgeschlickt. Dort bildeten sich Salzwiesen.

Für jedermann sichtbar: In absehbarer Zeit konnte die Leybucht nicht wieder eingedeicht, das verlorene Acker- und Weideland nicht zurückgewonnen werden.

Ocko musste abwarten, ein wachsames Auge auf die Zeichen der See haben, den Verlauf der Priele beobachten, um zur rechten Zeit den neuen Deich zu schlagen. Blieb schon das Land verloren, so musste zumindest das neue Maar genutzt werden. Ocko hoffte auf die Hilfe der See, die es für den Hafen noch weiter zum Tief ausschwemmen mochte.

Soviel stand fest: Sein neuer Hafen sollte zu einem bedeutenden Warenumschlagplatz ausgebaut werden. Das erforderte viel Kraft und noch mehr Geld. Ocko benötigte dringend jede Brook’sche Witte, die er aufbringen konnte, um die gewaltigen Kosten zur Verwirklichung seiner Pläne zu decken. Hand- und Gespanndienste konnten allerhand günstiger machen, doch durfte man die Leute nicht über Gebühr beanspruchen, sonst drohten Aufstände. Aber auch da gab es eine Lösung.

Es würde im Rahmen der Hafenvertiefung neues Ackerland geschaffen werden und die Zuweisung dieses fruchtbaren Landes, einhergehend mit steuerlichen Vergünstigungen, lockte Arbeitervolk an. Das war eine alte, lang erprobte Vorgehensweise, dass der Zehnte für eine Anzahl von Jahren ausgesetzt wurde. Zumeist betrug die Zeit für die Kultivierung von Neuland fünf Jahre.

Dafür hatte Ocko zuvörderst Verhandlungen mit dem Erzbistum Bremen aufgenommen. Bremen beanspruchte ja ebenfalls Abgaben und wurde somit zum Nutznießer des neuen Ackerlandes.

Der Erzbischof Albert II. von Braunschweig-Lüneburg war ein glückloser Herr. Zuvor Domherr von Magdeburg, wurde er - gegen die Oldenburger Interessen - zum Erzbischof erhoben.

Diese Entscheidung löste einen Kampf um das Erzstift Bremen aus, und zwar natürlicherweise zwischen dem Oldenburger Grafenhaus, welches selber Ansprüche erhob, und den Welfen. Überdies erwies es sich, dass es Herzog Albert von Braunschweig ’gelang‘, das von seinen Vorgängern ohnehin zu Grunde gerichtete Erzbistum noch weiter verfallen zu lassen.

Alberts Vorgänger, der Erzbischof Gottfried Graf von Arnsberg, hatte Dompropst Graf Moritz von Oldenburg, als Administrator im Besitz des Landes lassen müssen.

Albert von Braunschweig-Lüneburg schloss sich damals dem Grafen Gerhard von Hoya an. Dieser befehdete den Administrator Grafen Moritz von Oldenburg und die Stadt Bremen. Ihm war jedoch kein Erfolg beschieden. Deshalb suchte Albert von Braunschweig-Lüneburg die Hilfe von Herzog Magnus I. von Braunschweig. Herzog Magnus von Braunschweig ging darauf ein und versprach, den Bremer Erzbischof Gottfried Graf von Arnsberg zur Resignation zu veranlassen. Sodann wollte er Albert II. von Braunschweig-Lüneburg das Pallium zu verschaffen.

In Treuen fest hielten Domkapitel und Bremen zu ihrem Administrator Graf Moritz von Oldenburg. Dennoch gelang es Magnus von Braunschweig, den Papst dorthin zu bringen, dass er (1361) Albert von Braunschweig-Lüneburg als Erzbischof bestätigte.

Die Diözese Bremen musste dem Administrator Graf Moritz von Oldenburg nun aber erst abgestritten werden. Das bedeutete, sie musste erobert werden. Nach einer Belagerung der Burg Bremervörde (Januar 1363) durch die Braunschweiger Heere und Wilhelm von Lüneburg verlor Graf Moritz von Oldenburg das Erzstift.

Schon drei Jahre später versuchte Erzbischof Albert von Braunschweig-Lüneburg, einen Streit zwischen Rat und Zünften in Bremen zu seinem Vorteil umzumünzen. Er nahm tatsächlich die Stadt ein, konnte sich aber nicht durchsetzen. Schon einen Monat später wurde er von der Bürgerschaft und Graf Konrad von Oldenburg aus Bremen hinauskatapultiert.

Dadurch wuchs die Unabhängigkeit der Stadt Bremen und wurde größer als je zuvor.

Das Erzstift brachte nicht viel ein, die Fehden verwüsteten das Kirchengut. So griff Albert von Braunschweig-Lüneburg zum einzigen Ausweg, der ihm blieb, der Verpfändung; für 4150 Mark setzte er den Herzögen Wilhelm von Lüneburg und Magnus II. von Braunschweig das ganze Stift mit allen Schlössern, die er noch hatte, zu Pfand.

Vetter Magnus II. starb 1369 bei einem Duell um sein Erbe. Dessen militärische Unterstützung fiel damit fort. Anno 1375 verpfändete Albert von Braunschweig-Lüneburg aus Not dann das bremische Kirchengut rechts der Elbe an Graf Adolf von Holstein und setzte ihn zum Administrator aller noch nicht vergebenen erzbischöflichen Güter ein.

Diesen Umstand machte Ocko sich nun zu Nutze. Angesichts der miesen pekuniären Konstellation konnte Ocko den Erzbischof locken, und zwar mit dem künftigen Zehnten aus den Ackergründen des zu kultivierenden Neulandes.

Daneben wollte Ocko möglichst rasch Handelsbeziehungen aufbauen und erweitern. Er brauchte Kontorgesellen, Räumlichkeiten, Lager - hier wie anderswo - auch in fremden Ländern, und was sonst noch dazugehörte an treu ergebenen Leuten. Ja, treue Männer benötigte er, auf die er sich blind verlassen konnte. Treue, dass schien Ocko das Zauberwort überhaupt.

All das konnte nur mit Freunden und Verbündeten erreicht werden. Ohne Treue kann nichts wachsen, nicht das Geringste gedeihen, denn nichts ist verderblicher als Verrat! Schon häufig hatte Ocko darüber sinniert auf seinem beschwerlichen Weg. Es schien ihm, als habe das Schicksal ihm diesen Weg zur Buße auferlegt. Er musste ihn pflichtgemäß gehen, und war er auch noch so steinig und gepflastert mit schier unüberwindbaren Hindernissen.

Zuvörderst musste das Material für die Hafenbauarbeiten beschafft werden. Das waldreiche Land lieferte das Holz. Zum Glück hatten die Herbststürme keine größeren Waldschäden angerichtet, so dass genügend gutes, hartes Eichenholz stand. Dafür wurde ein großes Waldgebiet zwischen Upgant und Oldeborg gerodet.

Bei klirrendem Frost schlug man das Holz. Vom Hellwerden bis zum Einbruch der Dunkelheit hörte man den Schlag der Holzfäller. Tag für Tag waren Ochsen und Pferde im Einsatz, die Stämme zu rücken und aus dem Wald zu ziehen. Es entstand eine weite kahle Wüstenei. Schade um den uralten, herrlichen Wald.

Als im Frühjahr 1380 das Eis schmolz und trockenes Wetter sein Vorhaben begünstigte, ließ Ocko die Vorarbeiten für den neuen Hafen in Angriff nehmen.

Das gerodete Buschwerk und Gestrüpp, das abgeschlagene Astwerk und Gezweig wurde in die Nähe der Baustelle gekarrt, grob sortiert und zu gewaltigen Bergen aufgetürmt.

Auf den Klapperwiesen wurden die Stämme geschnitten und zugehauen. In Siegelsum begannen die Ziegler wieder mit der Backsteinherstellung; Reepschläger, Schmiede, Stellmacher nahmen ihre Arbeit auf. Da gab es wohl keinen Handwerker, der nicht eingeschlossen war in den Arbeitsprozess. Als im März der Kuckuck rief, waren alle Vorarbeiten in vollem Gange.

Um diese Zeit flog wieder eine Brieftaube ein. Diesmal aus dem fernen Ordensland. Sie brachte glutvolle Nachricht von Widzelt. Der Hochmeister hatte ihn bei Landvermessungsarbeiten eingesetzt. Widzelt fand daran offenbar großen Gefallen, wie unterschwellig aus seinem Brieflein zu lesen war. Man übernachtete im Freien, ausgesetzt all den aufregenden, ja atemberaubenden Gegebenheiten von Land und Leuten und den Gefahren der Wildnis. Widzelt erwähnte die gewaltigen Weichsel- und Nogatdeiche, die der Orden geschaffen hatte. Hingerissen schrieb er von der Erschließung weiter, fruchtbarer Flächen und den neuen Siedlern, die für ganze fünf Jahre volle Abgabenfreiheit genießen durften.

Dagegen beanstandete er offen die Geldgeschäfte des Ordens und äußerte sich bissig über die Gepflogenheit des Geldverleihs gegen Zinsabgaben. Obwohl doch der Papst dies als Sünde brandmarkte: der Orden besaß dieses Privileg. Er freue sich schon darauf, vom Großmarschall in die Kriegführung eingewiesen zu werden, schrieb Widzelt voller Erwartung und fügte an, dass ihm diese Ausbildung gegen alle Feinde gewiss gute Dienste leisten werde.

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