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Kapitel 16 - Königsberg

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Von Marienburg aus zog Herzog Albrecht III. von Österreich, Graf von Habsburg, samt Heer und Tross nach Königsberg. Die Gebietiger des Ordens waren gehalten, zur Ehre des edlen Gastes mitzureisen. Da war es bereits Juni geworden.

Die Ordensschiffe steuerten in die Pregelmündung. Schon von weitem sah Widzelt, der neben vielen anderen gespannt an der Reling lehnte, den Dom, glitzernd umflossen vom Pregel. Gegen den sanftblauen Himmel hoben sich pittoresk schön die vielen Masten und ihre wehenden Banner ab, beschienen von Dunst gedämpftem Sonnenlicht.

„Das ist der Kneiphof“, erklärte der zum Orden gehörige Fremdenbegleiter.

Die Deutschen lachten ordinär: „Das ist der rechte Platz für uns!“

„Der Kneiphof ist nicht das, was ihr denkt“, murrte der ‚Graumantel'. Es fehlte nur, dass er ’ihr Dummköpfe' hinterher gesagt hätte. „Das Wort ist abgeleitet vom prussischen Wort ’knipaw’, dem sumpfigen Gelände eines Urstromtals. Der Kneiphof ist eine Schwemmsandinsel. Auf dem Kneiphof steht, wie ihr seht, der Dom. Das ist unser Bischofsbesitz.“

„Was den Orden sehr ärgert“, fiel ein deutscher Ritter ein. Der Ordensbruder ignorierte den Einwurf und fuhr unbeeindruckt fort: „Der Dom wurde in nur fünfzig Jahren vollendet. Der eigentliche Bischofssitz des Samlandes ist mit Hilfe unseres Ordens in Fischhausen errichtet worden. Aber das Kapitel und der Dom sind in Königsberg geblieben. Der Orden hat dem Bischof deswegen die Südostecke der Altstadt südlich der Langgasse und einen Platz ostwärts der Badergasse überlassen.“

Die Ordensschiffe glitten unter der auflandigen Brise näher. Die Schiffsleute begannen schon, die Segel zu reffen. „Die Gebäude, die ihr um den Dom herum seht, sind geistliche Häuser, die Domschule, das Krankenhaus, das Kornhaus, einige Krämer- und Handwerkshäuser. Seht ihr dort drüben die Wehrtürme und die Stadtmauer? Das ist Altstadt. Die Häuser auf der anderen Seite gehören zu Löbenicht. Löbenicht ist der Sitz der Handwerker und Mälzenbräuer.“

„Dann ist das der richtige Ort für uns!“, krakeelten Österreicher und Deutsche.

„In Kneiphof und Altstadt sind vornehmlich Kaufleute angesiedelt“, hieß es instruktiv.

Die Schiffsmannschaft beeilte sich, die Segel zu bergen, als das Schiff in den Hafen einlief. Die Liegeplätze an der Hafenmauer waren schon alle belegt. Ein Ruck ging durch den Koggen, als die Anker griffen. Die leicht angetrunkenen Fahrgäste purzelten übereinander. Widzelt verkniff sich ein Lachen; das hätte zu unangenehmen „Verwicklungen“ führen können.

Spektakel brandete über das Schiff, aber da war noch etwas anderes, ein merkwürdiges Sirren erfüllte die Luft wie Sirenensingen. Alle schauten zum Himmel. Der Kreuzler neben Widzelt murmelte versonnen: „Schwäne - die Vögel der Liebe. Ein gutes Zeichen für unseren Kreuzzug.“

Welch majestätischer Anblick! Widzelts Augen glitten dem Schwarm nach über das Hafengelände hin zum Kranhaus aus rotem Backstein mit den benachbarten Fachwerkspeichern. Daneben die Lastadien für Holz, Getreide, Kalk und andere Großgüter. Die Schwäne zogen weiter übers Haff, verschmolzen mit dem Dunst der Ferne…

Ein Schwarm von Leichterbooten nahte, die Reisenden an Land zu bringen. Das war ein Gewühle und Gedränge. Jeder wollte als erster an Land gehen, als würde man ihn sonst auf dem Schiff vergessen. Die Ordensleute hatten alle Hände voll zu tun, um Ordnung in die Menschenmassen zu bringen. Die breite Holztreppe klappte aus der Backbordwand. Mühelos konnte man darüber in die flachbodigen Boote gelangen. Sie sind wie unsere Emspünten, bemerkte Widzelt erstaunt.

Stundenlang ruderten die Boote von den Ordensschiffen zu den Ufertreppen und wieder zurück. Die Abendsonne tauchte schon unter den Horizont und färbte Himmel und Wasser rot und violett, als Widzelt mit den letzten Söldnern von Bord ging. Immer noch herrschte im Hafenviertel ein unfassbares Gewimmel von Fremden und Einwohnern. Bunte Fahnen waren hier und da aufgepflanzt und flatterten in der Abendbrise. Sie wiesen den Männern den Weg zu ihrer Schar.

Auf der gepflasterten Uferstraße am Pregel packten die Leute vom Fischmarkt eben ihre Sachen ein, deckten die Wassertröge mit den lebenden Fischen ab und verschlossen sie. Widzelts Begleiter, ein ’Graumantel', erläuterte ihm unaufgefordert, dass der Fischmarkt hier täglich gemeinsam für alle drei Städte - Altstadt, Kneiphof und Löbenicht - stattfinde und die großen Tröge, aus denen die Fische verkauft wurden, Eigentum der Fischerzunft seien.

Zur Innenstadt war es nicht weit. Widzelt nahm auf dem Weg dorthin begierig alles Neue in sich auf. Sie kamen vorüber an den Reeperbahnen, wo die Taue geschlagen wurden, den Kalk- und Teeröfen und an den so genannten Klapperwiesen, wo das Holz gespalten wurde. Jetzt allerdings waren dort nur noch wenige Arbeiter, wohl hauptsächlich Wächter. Dann, endlich, die gewaltige breite Stadtmauer von Königsberg, wohl sechs Mann hoch. Widzelt sah Posten in den breiten Wehrgängen dort oben auf und ab gehen. Das Stadttor, gut bewacht von Bürgern mit Spießen, Bogen und Armbrust. Die Heerfahrer lärmten achtlos an ihnen vorbei und freuten sich darauf, sich in einer der vielen Schenken der Altstadt den Wanst vollschlagen zu können. Ein frisches Bier oder auch mehrere, das kam ihnen gerade recht.

Der Mönch trieb zur Eile, denn sonst sei das Tor ins Ordenshaus geschlossen und das bedeutete einige Umstände, um noch hineinzugelangen und er habe Widzelt doch noch so viel zu zeigen.

Die Hauptstraßen von Königsberg waren mittig schön mit Kopfsteinen gepflastert. An den prächtigen Kaufmannshäusern wurden zur Feier des Tages brennende Fackeln eingesteckt, denn eine andere Straßenbeleuchtung gab es nicht. Das war hier nicht anders als in Aurich, wo man eine Fackel mitnehmen musste, wenn man bei Dunkelheit ausging.

An den giebelständigen Bürgerhäusern gab es fast überall sogenannte Beschläge, in die Straße hinein gebaute, oft über die ganze Fassade reichende Vorbauten aus Holz oder Ziegelsteinen. Die schönsten Beischläge waren gar aus rotem oder weißem Sandstein gefertigt und oftmals reich verziert mit Löwenköpfen oder Putten. Über drei oder vier Stufen erreichte man die Haustür. Oft saßen dort die Hausbewohner bei Wein und Bier, beobachteten die fremden Heerfahrer, winkten, tranken ihnen zu, luden den einen oder anderen ein, heraufzukommen, sich zu laben und von seiner Reise zu berichten. Die Menschen saßen darin fast wie Heiligenbildchen im Schrein.

An den meisten Häusern wuchs Hopfen empor. Das gab es in Ostfriesland nicht, nicht die Hopfenstangen an den Häuserfronten und auch keine Beischläge. Das war etwas Neues für Widzelt. Es schien ihm nachahmenswert, denn diese Konstruktionen schützten Hauseingang und Erdgeschoss bei Überschwemmungen. Allerdings verlangten diese Beischläge recht breite Straßen, damit Fuhrwerke nicht behindert wurden. Solch breite Straßen gab es nur wenige zu Hause. - Besonders augenfällig war auch die Sauberkeit der Straßen. Hier lief keinerlei Viehzeug frei umher wie zuhause, nur einige herumstrolchende Katzen ergriffen eilig die Flucht als sich der ’Graumantel’ Heinrich Sasse (Sasse = d.h. Sachse) mit Widzelt im Schlepp forsch näherte.


Nach einiger Zeit gelangten sie zum Marktplatz. Auch der war frei von Mist und Abfall und sehr schön mit Mustern aus Katzenkopfsteinen gepflastert. Vor dem Ratsgebäude das Standbild des ’Roland' mit Schwert und Adlerschild, das Zeichen freien Handels und Gerichtsbarkeit der Hansestadt. Widzelt erzählte seinem Begleiter, dass in der Hansestadt Bremen an der Westersee früher auch ein Roland-Standbild auf dem Marktplatz vor dem Rathaus gestanden hatte. Es sei aus Holz geschnitzt gewesen und im Krieg in der Nacht vom 28. auf den 29. Mai 1366 von Söldnern des Erzbischofs Albrecht verbrannt worden, denn für Herzog Albrecht von Braunschweig-Wolfenbüttel, symbolisierte die Figur Widerstand und Aufmüpfigkeit der Bevölkerung. Der ’Graumantel’ fragte nach, wieso der Erzbischof Söldner auf seine Stadt losgelassen habe und Widzelt erläuterte, dass der Erzbischof anno 1366 Albrecht versucht hat, einen Aufstand in Bremen zu seinem Vorteil umzudrehen, indem er die Bürger unterstützte. Da habe aber nicht hingehauen. „Es ist ein Aufstand gegen den Senat der Stadt gewesen“, erläuterte Widzelt. „Die rebellischen Bürger und Handwerker liefen mit dem Bremer Banner durch die Stadt und protestierten vor dem Rathaus gegen Selbstsucht und Eigennutz der Elite der Stadt. Damals wurde der Roland gestürzt und verbrannt. Seither gibt es dort kein Standbild mehr. Es wird sicher noch einige Zeit dauern, bis der Erzbischof es erlauben wird, einen neue Statue anfertigen zu lassen, sieht er in diesem Standbild doch eine Einschränkung seiner Macht.“ Widzelt lachte und freute sich, nun diesen Roland hier zu sehen. Das war etwas, mit dem er zu Hause prahlen konnte.

Dass dieser Ritter einen tiefgründigen Zusammenhang barg, erklärte ihm nun der ’Graumantel’ Heinrich Sasse. Das Standbild versinnbildliche nicht nur Roland, den Neffen Karls des Großen, der einst ein wichtiger Heerführer des Kaisers gewesen war, sondern verkörpere daneben die Macht des Kaisers, sagte er. Die kriechende Figur zu seinen Füßen symbolisiere Eroberung und Unterwerfung der Widerspenstigen unter seine Herrschaft.

„So ist es“, stimmte Widzelt zu und ein Lächeln zuckte um seinen Mund, als er laut die kecke Inschrift las:

„vryheit do ik ju openbar / d’ karl und mēnich vorst vorwar / desser stede ghegheuen hat / des danket god’ is mī radt“

(Freiheit offenbare ich euch, die Karl und mancher Fürst fürwahr dieser Stätte gegeben hat. Dafür dafür danket Gott, das ist mein Rat!)

Man hatte Widzelt gelehrt, dass es bei Kaiser Karl dem Großen durchaus unüblich war, Freiheiten zu verschenken, im Gegenteil. Wer nicht parierte, bekam das bitter zu spüren, wenn er nicht gar sein Leben lassen musste, so wie viele tausend Menschen, die sich nicht taufen lassen wollten. Die Friesen verloren seinerzeit sogar ihr Recht auf Erbschaft, das heißt, beim Tode eines Angehörigen fiel alle Hinterlassenschaft an das fränkische Reich. Und dieser Boden hier, auf dem der Deutsche Orden die Macht besaß, hatte mit Sicherheit ganz und gar nichts mit Karl dem Großen zu tun, weil das Land damals noch nicht einmal zum Reich gehört hatte.

Oh ja, das wusste Widzelts Begleiter zu bestätigen. Er dozierte offenbar gern über die Geschichte des Deutschen Ritterordens. Der Anfang des Staates des Deutschen Ordens im Baltikum datiere aus der Zeit Kaiser Friedrichs, erklärte er mit ernstem Gesicht. Friedrich II. habe dem Hochmeister Hermann von Salza 1226 in der Goldenen Bulle von Rimini die absolute Landeshoheit über das damalig zu erobernde Land der Pruzzen garantiert. Diese Verbriefung bilde die Grundlage des Ordensstaates.

Angesichts dieser Erklärung fand Widzelt es ungeheuerlich, mit der Roland-Inschrift derartige Lügen zu verbreiten, wenngleich die Politik der Hansa der von Karl nicht unähnlich war. Ziel der Hansa waren Aufstieg und Stärkung ihrer wirtschaftlichen Machtposition durch Erzwingung, Beherrschung und möglichst hohe Verwertung ihres Monopols. Genau das verkörperte der Roland und als Sinnbild dieser Macht sollte er daher jede Hansestadt schmücken, zumindest aber die wichtigen Niederlassungen, so war es von der Hanse beabsichtigt. Weil ein Standbild aber erhebliche Kosten verursachte, würde das wohl ein Traum bleiben, urteilte Widzelt angesichts dieser imponierenden steinernen Figur mit dem erhobenen Schwert in der Faust.

Köstlicher Duft von Schmalzgebackenem und brutzelndem Fleisch zog in Widzelts Nase, und er bemerkte, tatsächlich Hunger zu verspüren. Während er noch überlegte, ob er sich nicht etwas von diesen Gaumenfreuden genehmigen solle, zog Heinrich Sasse ihn gnadenlos mit sich fort, vorbei an dem Fett triefenden Ochsen, der mitten auf dem Marktplatz über einem offenen Feuer geröstet wurde.

Zwischen all den vielen Fremden schlüpften neugierige Kinder hindurch, bestaunten die fremden Waffenbrüder. Manchmal bekamen sie auch eine kleine Münze zugeworfen.

Irgendwo erklangen Flöte, Drehleier und Dudelsack. „Für Alt und Jung die schönsten Dinge!“, hörte Widzelt es rufen. Frauen, überaus hübsche Frauen, wie ihm auffiel, boten aus Bauchläden und Kiepen allerhand Spezereien feil. Köstliche kandierte Früchte, süße Marzipantörtchen, Magenbrot, exotische Früchte, Schmalgebäck und andere Köstlichkeiten. Die Augen der Frauen blitzten, sie lachten und spielten anmutig ihren Liebreiz aus, wenn ihnen ein Mann besonders gefiel.

Widzelt fühlte sich bei der Vielfalt des aus fernen Ländern stammenden Warenangebotes nach Italien zurückversetzt. Alle Buden der Stadt waren geöffnet, hielten Wein, Gewürze, Südfrüchte, Mandeln, flämisches Glas, Seiden-, Brokat- und Samtstoffe, ja sogar Lauten feil. Die Bürger freuten sich über die Vielzahl der Gäste und nutzten die Stunde, ihre Waren anzubieten. Das Geschrei der Händler, die bisweilen mit derben Witzen um die Gunst der Käufer buhlten, mischte sich mit dem Rumpeln und Rattern von Karren auf dem Kopfsteinpflaster, dem Lärm der Ochsen, Esel und Pferde, dem Scheppern von Waffen und Musik.

Hier und da gab es frischen Salm oder gebratenen See- und Süßwasserfisch. Kleine Fischlein, eingelegt in salziger Tunke oder auch geräuchert. Sie nannten sie Killos, und Widzelt äußerte seinem Begleiter gegenüber, dass sie ähnlich wie die geräucherten Sprotten zu Hause aussahen, nur etwas kleiner. Fisch in allen Variationen, da blieb kein Wunsch offen - auch wie zu Hause. Sogar Südfrüchte wurden angeboten. Und das köstlich duftende Würzgebäck und vielerlei andere Backwaren ließen Widzelt das Wasser im Munde zusammenlaufen. Offen bewunderte er die angebotene Vielfalt und lechzte danach, etwas davon zu erwerben. Widzelt versuchte es mit einer freundlichen Einladung zum Schmaus, aber Sasse umfasste Widzelt mit einem Blick, der eine Art von Mitleid zeigte, nichtsdestoweniger blieb er unerbittlich. Dann setzte er die Maske des Frohsinns auf und unterwies seinen Begleiter weiter über seine Stadt Königsberg: „Nun, Vielfalt ist bei uns nicht erstaunlich, Junker. Das ist unser Geschäft. Bedeutsamster Teil von Altstadt ist der Handel. Wegen des Handels ist die Stadt mit Hilfe Lübecks und der Hanse angelegt worden. Königsberg ist - wie unser Orden - Mitglied der Hanse.“

Angesichts von Sasses Starrsinn kapitulierte Widzelt. Sie waren an einem merkwürdigen Brunnen angelangt, der seine Aufmerksamkeit erregte. „Es sprudelt ständig Wasser aus dem Brunnen? Wie kommt das? Ist dort eine Quelle?“, fragte Widzelt den Begleitbruder.

„Das ist unser ‘Pfeiffenbrunnen’, eine geschickte Konstruktion aus Röhren. Das ist unser einziger Brunnen, aus dem nicht geschöpft oder gepumpt werden muss“, erklärte Heinrich Sasse stolz. „Es handelt sich um einen Laufbrunnen, der ständig Wasser speit. Der Stadtgründer, das heißt unser Orden, besitzt eine phänomenale Wasserbaukunst.“

„Ein Laufbrunnen, der ständig Wasser speit“, staunte Widzelt, „Trinkwasser ist kostbar wie Gold, nein, kostbarer noch.“

„Wenn wir morgen zum Katzbach gehen, könnt Ihr's sehen, Junker.“

„Den Katzbach?“

„Ja, der Katzbach fließt zum Pregel hinunter. Wir haben ihn durch mehrere Stufen gestaut. Der aufgestaute Katzbach schützt nicht nur unsere Burg nach Norden hin, sondern ermöglicht durch seine Staustufen auch das Betreiben einer Vielzahl von Mühlen.“

„Mühlen? Bei uns haben wir Mühlen, die vom Wind angetrieben werden.“

Der Ordensbruder lächelte mokant: „Bei uns sind es Wassermühlen: Korn- und Holzschneidemühlen, Walkmühlen der Weißgerber, die Poliermühle zur Aufarbeitung der Rüstungen, Hammerwerke und andere mehr. Alle mit Wasser betrieben.“

„Und all die vielen Mühlen? Sie gehören den Bürgern?“

„Wo denkt Ihr hin, Junker? Natürlich dem Orden. Der Betrieb der Mühlen unterliegt dem Ordensregal. Sie dürfen nur von uns betrieben werden.“

Das klang, als wollte er hinzufügen: Bist du dumm, dass du das nicht weißt! Das weiß doch jeder. Selbstverständlich werden die Mühlen von den Herrschern betrieben.

„Ach so, natürlich“, stammelte Widzelt, verwirrt von den vielen neuen Eindrücken, die auf ihn einstürzten.

Volltönender Glockenklang schwang von Ferne über die Stadt. Widzelt lauschte.

„Das ist der Dom vom Kneiphof. Die sind immer etwas zu früh dran.“

Bald darauf setzten die Glocken von Königsberg ein.

„Ah, es ist neun Uhr, das letzte Glockenläuten.“

Erschrocken bemerkte Widzelt mit Armbrust und Langbogen bewaffnete Männer, die ihnen entgegen aus den Nebenstraßen und Gassen strömten. „Ein Einfall der Heiden?“

Heinrich Sasse legte die Hand auf seinen Arm: „Keine Angst, das ist kein Überfall, Junker. Sie versammeln sich jetzt hier und werden eingeteilt zur Nachtwache, zum Hüten der Tore und Mauern und zum Streifendienst in den Straßen. Jeder Bürger muss Harnisch und Waffen vorhalten. Vorhandensein und Zustand der Waffen wird von unseren Ratsherren sporadisch überprüft. Bei Nichterfüllung der Anforderungen werden hohe Bußgelder verhängt. Manchmal wird die Bürgerwehr auf dem Marktplatz auch vom Hauskomtur und von anderen Ordensbeamten abgenommen. Die Bürger benötigen ihre Waffen auch in Friedenszeiten für die Nachtwache.“

Ein Punkt, der Widzelt wieder sehr interessierte. „Sind bei euch alle Männer zum Waffendienst verpflichtet?“, erkundigte er sich neugierig.

„Das ist bei uns genauso wie in allen deutschen Städten. Alle zum Waffendienst tauglichen Männer müssen an den Waffenübungen teilnehmen und im Ernstfall zur Stelle sein. Sie gliedern sich auch bei uns im Ordensland nach Zünften und Gewerken. Die Waffenübungen für Bogen und Armbrust finden für die Bürgerwehr pflichtgemäß auf den Schießbahnen in den Gemeingärten statt. - Da fällt mir ein, wir haben bald Pfingsten und an Pfingsten ist alljährlich das ’Vogelschießen'. Das ist herrliches Volksfest. Auch wir sollten uns dabei vergnügen. Beliebt es, Junker?“

Begeistert stimmte Widzelt zu.

„Genug davon. Lasst uns sputen. Es ist schon spät. Zum Ordenshaus ist es nicht mehr weit.“

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