Читать книгу Das Erwachen des Phoenix - Harald März - Страница 12

Unter Freunden

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Die Strahlen der Abendsonne weckten Erif. Unmittelbar begrüßte ihn auch der Schmerz. Stöhnend öffnete er die Augen. Dneirf stand bei seinem Pferd und strich ihm mit der Hand durch die Mähne. Das Tier blähte entspannt seine Nüstern.

Erif drehte leicht seinen Kopf um ihn besser sehen zu können. Sein Freund bemerkte die Bewegung im Augenwinkel und wandte sich Erif zu. Er konnte ein erleichtertes Ausatmen hören.

„Du bist wach. Ein Glück, ich hatte schon Angst du würdest gar nicht mehr zu dir kommen. Wie geht es dir?“

Erif freute sich über die Anteilnahme seines Freundes, gleichzeitig tat es ihm aber leid ihm so zur Last zu fallen.

„Der Schmerz scheint mich nicht loszulassen, aber es geht mir bereits besser.“

Das war natürlich eine Lüge. Ihm ging es noch genauso schlecht wie vorher, aber er wollte Dneirf nicht beunruhigen. Ein komischer Geschmack machte sich auf seiner Zunge bemerkbar. Er erinnerte ihn an Kräuter und Medizin.

„Was ist das für ein seltsamer Geschmack in meinem Mund?“

Dneirf kam auf den Bettlägerigen zu und setzte sich neben ihm auf den Lehmboden.

„Ich habe dir alles an Kräutern und Medizin eingeflößt, was ich bei mir hatte, in der Hoffnung du würdest endlich wieder aufwachen. Weißt du eigentlich wieviele Knochen du dir gebrochen hast?“

Fragend blickte Erif ihn an.

„Wie lange habe ich denn geschlafen?“

Nach kurzem Überlegen antwortete Dneirf.

„Etwas mehr als sechs Tage.“

„Sechs Tage?!“

Erif war erschüttert. Sechs Tage hatte er geruht und er fühlte sich nicht ein Bisschen besser. Nach wie vor brannten seine Eingeweide und auch seine Knochen schmerzten immer noch.

„Hast du Hunger? Du musst doch Hunger haben.“

Dneirfs Frage riss Erif aus seinen Gedanken. Noch bevor er irgendetwas sagen konnte, meldete sich sein Magen mit einem lauten Knurren zu Wort. Dneirf konnte sich ein Grinsen nicht verhalten. Er ging in eine Ecke der Scheune und griff nach ein paar länglichen Gegenständen. Als er zurück kam, konnte Erif erkennen, was sein Freund geholt hatte.

Aufgespießt auf dünnen Holzstangen reichte er ihm drei gebratene Kaninchen.

„Sie sind zwar nicht mehr warm, aber das Fleisch ist gut. Die letzten musste ich ja nach deinem kleinen Ohnmachtsanfall alleine essen.“

Gierig langte Erif nach den Kaninchen und machte sich über diese her. Nun spürte er den Hunger so deutlich wie die Schmerzen. Das Fleisch war wunderbar zart. Es dauerte nicht lange und zwei der Kaninchen waren verspeist. Dneirf hatte in der Zwischenzeit seinen Wasserbeutel geholt und ihn neben Erifs Lager gelegt.

„Zum Runterspülen.“

Jetzt machte sich auch der Durst bemerkbar. Hastig griff Erif nach dem Wasserbeutel. Bevor er jedoch zu trinken begann blickte er fragend zu Dneirf.

„Isst du Nichts?“

„Nein, ich habe bereits gegessen bevor du aufgewacht bist. Den Wasserbeutel kannst du übrigens austrinken, das Wasser ist sowieso schon zwei Wochen alt.“

Erif betrachtete zögerlich den Wasserbeutel. Da brach Dneirf in schallendem Gelächter aus.

„Du kannst es ruhig trinken, das Wasser ist keine zwei Wochen alt, ich habe den Beutel erst heute gefüllt.“

Nun musste auch Erif lächeln. Zügig leerte er den Wasserbeutel und machte sich danach über das letzte Kaninchen her. Als er fertig war, fühlte er sich zum ersten Mal seit Monaten wieder richtig satt. Dneirf war währenddessen die ganze Zeit ruhig sitzen geblieben und hatte ihn beobachtet.

„Ich hoffe doch es war genug?“

„Ja, das war es. Danke mein Freund.“

„Gut, denn mehr hätte es nicht gegeben.“

Beide grinsten.

„Du scheinst eine Weile nichts mehr gegessen zu haben. Was hast du gemacht nachdem du uns verlassen hast?“

Schlagartig verflüchtigte sich Erifs Grinsen. Mit „uns“ meinte Dneirf das Söldnerlager, in welchem er etwas länger als ein Jahr gedient hatte. Dort hatten sich die beiden kennengelernt. Sie hatten sich von Anfang an gut verstanden.

Als Erif den Söldnern beigetreten war, hatte Dneirf schon drei Jahre bei ihnen gedient. Dneirf hatte mit ihm sein Zelt geteilt und ihn über die verschiedenen Einzelheiten des Lagers und den Tagesablauf aufgeklärt. Es hatte nicht lange gedauert und sie waren zu echten Freunden geworden. Dneirf hatte etwas, was er bei all den anderen Söldnern nicht hatte finden können. Ein Herz. Von allen Männern im Lager hätte er nur Dneirf zugetraut zu wissen was Rechtschaffenheit und Anstand bedeuten.

Ein Jahr lang war Erif im Kriegshandwerk ausgebildet worden. Danach hatte er seinen ersten Auftrag erhalten. Er hatte ihn nicht ausgeführt.

Erif bemerkte, dass Dneirf ihn immer noch mit interessierter Miene anstarrte. Beinahe hätte er vergessen zu antworten.

„Tut mir leid ich war in Gedanken.“

„Hab ich gemerkt.“

„Nachdem ich mein Dasein als Söldner aufgegeben habe, bin ich als Tagelöhner durch das Land gezogen und habe versucht mich einigermaßen über Wasser zu halten. Zuletzt lief es allerdings nicht so gut.“

Nach wie vor blickte Dneirf ihm in die Augen.

„Du bist also desertiert um Tagelöhner zu werden? Ich verstehe es nicht. Was hast du dir dabei gedacht?“

Erif wollte wütend etwas erwidern, doch er wusste, dass Dneirf es nicht so meinte. Ab und zu mangelte es ihm einfach nur an Einfühlungsvermögen. Außerdem konnte er nicht wissen, warum er den Söldnern den Rücken gekehrt hatte. Erif hatte Dneirf seitdessen nicht mehr gesehen.

„Ich habe dabei nicht gedacht, ich habe dabei gefühlt. Ich fühlte, dass es nicht richtig war.“

Dneirf blickte ihn verwirrt an.

„Ich versteh es nicht, wie meinst du das?“

„Es geht dabei um meinen Auftrag.“

Erif senkte seinen Blick zu Boden.

„Ich hätte eine Frau und ihr Kind töten sollen.“

Stille. Dneirf schwieg. Doch seinen Blick konnte Erif immer noch spüren. Er fühlte sich Elend bei dem Gedanken an seinen Auftrag. Die Schmerzen taten ihr Übriges dazu. Er suchte Dneirfs Blick und versuchte seine Mine zu deuten.

Das Gesicht seines Freundes schien wie zu Wachs erstarrt.

„Das…Das wusste ich nicht.“

„Natürlich nicht. Leurc hat sicher nur erzählt, was für ein mieser Hund ich bin und wie schwach ich nicht bin, weil ich meinen Auftrag nicht erledigt habe.“

Dneirf schwieg. Das deutete Erif als Zeichen, dass er richtig lag.

„Vielleicht war ich wirklich schwach, aber wenn das Schwäche ist, dann möchte ich nicht stark sein.“

Diesmal war es Dneirf, der den Blick senkte.

„Aber was ist… was ist wenn sie eine Mörderin war oder eine hinterlistige Ehebrecherin oder eine Hexe?“

Sein Freund suchte verzweifelt einen Grund um die grausame Willkür hinter diesem Auftrag zu entkräften. Er tat Erif leid.

„Glaub mir Dneirf, ich weiß es besser. Diese Frau hatte genauso wenig magische Begabung wie ihr Kind. Ich habe ihre Auren geprüft. Sie hatten auch nicht den geringsten Makel, welcher auf ein Verbrechen hinweisen könnte. Beide waren unschuldig.“

„Warum dann? Warum hat dir dann Leurc…“

„…diesen Auftrag erteilt? Ich kann dir den Grund nennen.“

Allein der Gedanke an den Hauptmann der Söldner ließ in Erif reinste Abscheu aufsteigen. Dieses Gefühl sowie der Zorn übertrafen sogar kurzzeitig seine Schmerzen. Dennoch bemühte Erif sich um eine ruhige Stimme.

„Wenn du ehrlich bist, kennst du den Grund auch selbst. Schon nach den ersten Wochen habe ich Leurc verabscheut. Für sein Verhalten gegenüber allen die sich nicht wehren konnten, für seinen verdorbenen Charakter und seinen Frauenhass, aber vor allem für seine Taten. Und er hat auch mich verachtet. Für meine Weichheit und Schwäche wie er es immer so schön nannte. Bei jeder Gelegenheit hat er mich schikaniert und gedemütigt. Den Höhepunkt hat er sich aber bis zum Schluss aufgehoben.“

Dneirf blickte immer noch zu Boden. Ein Schatten hatte sich nun wieder über sein Gesicht gelegt.

„Und der Höhepunkt, das war mein Auftrag. Leurc schickte mich nach Nevah, wo mir ein Kontaktmann meinen Auftrag erklärte. Als ich dann erfuhr, was ich tun sollte, war ich wie gelähmt. Anfangs habe ich genau wie du eben nach Gründen gesucht, schließlich wollte ich nicht als Versager zurückkehren, doch mit der Zeit wurde es mir immer klarer. Leurc wollte mich brechen. Er selbst war der Auftraggeber und das eigentliche Ziel war ich!“

Die letzten Worte hatte Erif beinahe geschrien. Er hasste dieses Monster. Ein Stich fuhr durch seinen Körper und dämpfte seine Gefühle wieder. Zorn passte nicht zu ihm.

Noch immer saß Dneirf regungslos vor ihm am Boden und hielt seinen Kopf gesenkt. Nur ein leises Flüstern verriet, dass er nicht zu Stein erstarrt war.

„Was hast du dann gemacht?“

Erif antwortete mit heiserer Stimme.

„Ich habe den Auftrag nicht ausgeführt. Eines Nachts habe ich die junge Frau mit ihrem Kind aufgesucht und sie über die Söldner und meinen Auftrag aufgeklärt. Ich habe ihnen nahegelegt die Stadt zu verlassen. Sie waren sehr arm, deshalb habe ich ihnen fast mein gesamtes Geld überlassen, damit sie zumindest eine Chance hatten. Am nächsten Tag habe ich den Kontaktmann aufgesucht und ihn mit einem Vergessenszauber belegt. Der dürfte in etwa einen Monat gehalten haben. Sofort danach bin ich aus der Stadt geflohen. Den Rest kennst du ja bereits.“

Die Stille war erdrückend. Mittlerweile war die Sonne untergegangen und die Nacht begann hereinzubrechen. Auch in der Scheune hatte die Dunkelheit Einzug gehalten. Als Dneirf nach einiger Zeit immer noch keine Antwort gegeben hatte, erhob Erif wider das Wort.

„Dneirf, du musst weg von dieser Bande mordlüsterner Tiere. Du weißt genauso gut wie ich, dass du dort nicht hingehörst. Wenn du zulange dort bleibst, wer weiß, was Leurc dann aus dir macht? Willst du etwa so werden wie er?“

Endlich erhob Dneirf seinen Kopf und blickte ihn wieder an. Er suchte offenbar nach den richtigen Worten.

„Erif, ich…“

Seine Stimme wurde immer leiser bis Erif sie nicht mehr hören konnte und sich nur noch Dneirfs Mund bewegte. Eine heiße Welle von Schmerzen brach über ihn herein. Feuer schien sich über seine Haut auszubreiten. Nach wenigen Momenten hatte die feurige Hitze seinen gesamten Körper erfasst. Selbst in seinen Knochen konnte er den sengenden Schmerz fühlen.

Er schrie vor Schmerzen, doch er konnte seinen eigenen Schrei nicht hören. Es war wieder so, wie damals, als ihn der Vogel aus Feuer in Flammen gesteckt hatte. Schließlich umfing ihn Dunkelheit und er verlor sein Bewusstsein.

Das Erwachen des Phoenix

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