Читать книгу Das Erwachen des Phoenix - Harald März - Страница 9

Die Gefangene

Оглавление

Die Kreatur hatte den jungen Mann erreicht. Plötzlich gab sie ihre Gestalt auf. Flammen hüllten den jungen Mann ein. Er hatte den Kopf in den Nacken geworfen und verzerrte sein Gesicht zu einer Fratze. Es war ein Ausdruck reinen Schmerzes. Dennoch schien er nicht zu verbrennen.

Es folgte ein greller Lichtblitz, danach war das Feuer verschwunden. Der Boden war kreisförmig in einem Radius von mehreren Schritt ausgebrannt. In der Mitte lag der junge Mann ohnmächtig und nackt am Boden. Seine Kleidung war ein Opfer der Flammen geworden. Der von der verbrannten Erde aufsteigende Rauch verhüllte den nackten Körper des Ohnmächtigen.

Aus ihrem Versteck hatte Evol alles genau mitverfolgen können. Ein Schnauben lenkte ihre Aufmerksamkeit ab. Das Pferd, welches Evol neben ihr an einem Baum angebunden hatte, machte sich bemerkbar. Sie konnte Angst aus den Geräuschen des Rappen heraushören. Das war nicht weiter verwunderlich, wenn man bedachte, dass der Wald an vielen Stellen Feuer gefangen hatte. Sanft streichelte sie das Pferd, dabei ließ sie ihren Blick wieder zur Lichtung und dem Bewusstlosen schweifen. Naidraugs Leiche war ebenfalls zu Asche verbrannt. Trauer griff nach ihrem Herzen. Sie hatte den alten Magier lieb gewonnen. Dass die Soldaten ihn töten konnten, war größtenteils ihre Schuld. Wie hatte sie sich nur so dumm anstellen können, dass sie von den Soldaten gefangen genommen werden konnte. Ohne ihren Ring wären sie niemals in der Lage gewesen Naidraugs Aufenthaltsort zu erfahren. Wer ihn trug, wurde von einem Licht am Horizont direkt zu dem Stein Geführt. Der alte Mann selbst hatte ihn ihr anvertraut nachdem er aus seinem Heim hatte fliehen müssen.

Evol stand knapp hinter dem Rand der Lichtung und hielt sich im Dickicht verborgen. Sie streifte die Kapuze des schäbigen braunen Mantels ab, um das Pferd dadurch nicht noch mehr zu beunruhigen. Langsam ging sie auf den Waldrand zu. Ihre magischen Fähigkeiten hatten sich vom Bann der verhexten Ketten noch nicht wieder erholt, also konnte sie die Umgebung nicht mit ihrem Geist sondieren. Sie wiederstand nur mit Mühe dem Impuls sofort zu dem jungen Mann zu laufen.

Behutsam suchte sie mit ihrem Blick den Rand der Lichtung ab. Keine Spur von weiteren Soldaten. Der Feuervogel schien sie alle restlos ausgelöscht zu haben. Wieder richtete sie ihre Augen auf den Bewusstlosen. Dieser lag nach wie vor regungslos am verbrannten Boden, eingehüllt in Rauchschwaden. Hätte er sie nicht zuvor aus dem Käfigwagen befreit, wäre sie vermutlich auch in den Flammen umgekommen. Er hatte ihr das Leben gerettet.

Sie musste unbedingt dafür sorgen, dass der junge Mann in Sicherheit gelangte. Auch wenn er es nicht wusste, nun war er von großer Bedeutung für ihr Volk und den Rest der Menschen. Gerade als Evol ihren Fuß auf die Lichtung setzte, ertönte ein markerschütterndes Krachen. Nicht weit von ihr stürzte ein Baum zu Boden. Der Stamm der mächtigen Eiche hatte den Flammen nicht länger standhalten können.

Das war zu viel für das Pferd, welches Evol aus dem Soldatenlager entwendet hatte. Wiehernd riss es sich mit einem Ruck vom Baumstamm los und stürmte in den Wald.

„Nicht!“

Evol richtete ihren Blick wieder auf den jungen Mann, dann zurück auf die Stelle an der das Pferd im Unterholz verschwunden war. Es half alles nichts. Sie brauchte das Tier. Ohne es wäre es unmöglich den Ohnmächtigen zu transportieren und ihn schnell genug von diesem Ort wegzubringen.

Hastig stürzte sie dem Rappen hinterher. Zu ihrem Glück konnte das Tier nicht ungehindert galoppieren. Die zahlreichen Bäume und die dicken Wurzeln hinderten den Gaul daran, wodurch Evol einigermaßen Schritt halten konnte. Nach einer Weile stellte sich dem Pferd eine Feuerwand entgegen. Sie hatten einen Bereich des Waldes erreicht, der vollkommen vom Feuer eingenommen worden war. Der Rappe scheute. Endlich holte Evol das Tier ein. Sofort griff sie nach den Überbleibseln der zerrissenen Zügel und redete beruhigend auf das Pferd ein. Es dauerte einige Momente bis sie es soweit beruhigt hatte, dass sie es wegführen konnte.

Sie hatten ein kleines Stück des Weges zurückgelegt, da blieb Evol stehen. Aufgrund der Hetzjagd hatte sie komplett die Orientierung verloren. Verzweifelt entschied sie sich für einen Trampelpfad der ihr bekannt vorkam. Mehrmals änderte Evol die Richtung. Es dauerte, aber schließlich fand sie die Lichtung wieder. Unverändert lag, vom Rauch umspielt, in der Mitte der junge Mann.

Sie dankte den Göttern. Nun konnte sie ihn in Sicherheit bringen.

Doch noch bevor sie mit ihrem Pferd die Lichtung betreten konnte, vernahm sie das Getrappel von Hufen. Irgendjemand näherte sich der Lichtung. Am Geräusch konnte Evol erkennen, dass es nur ein Pferd war, dieses aber schnell näher kam.

Da erblickte sie auch schon die Silhouette des Reiters. Ein Mann brach mit seinem dunkelbraunen Pferd aus dem Wald hervor. Als er den Lichtungsrand hinter sich gelassen hatte, ließ er sein Pferd in langsamen Trab verfallen. Sein Blick fiel sofort auf den Bewusstlosen. Fragend musterte er ihn. Der Reiter dirigierte sein Pferd näher zu dem jungen Mann und stieg ab. Nun besah er sich seiner Umgebung, dabei fuhr er sich mit seiner Hand durch das kurzgeschorene blonde Haar. Die Verwirrung stand ihm ins Gesicht geschrieben.

Indes hatte Evol sich wieder tiefer ins Dickicht zurückgezogen. Sie wollte am liebsten fluchen, obwohl es ihrer Natur widersprach. Jetzt konnte sie wieder nichts unternehmen. Sie beobachtete den Mann. Er trug eine Lederrüstung und hatte ein Schwert an seiner Seite hängen. Ob er wohl einer der Soldaten war? Sie hoffte nicht, denn dann wäre das Schicksal des ohnmächtigen Mannes besiegelt. Kurz spielte sie mit dem Gedanken den Neuankömmling einfach mit ihrem Pferd zu überrennen, doch dazu stand der Mann mit seinem Pferd zu nahe an der Stelle, wo der Bewusstlose lag. Das Risiko seines Todes konnte sie nicht eingehen. Außerdem verabscheite sie den Gedanken den Mann zu töten. Es könnte immerhin nur ein unschuldiger Reisender sein.

Der Reiter öffnete seine Satteltasche und holte eine grobe Wolldecke hervor. Er wandte sich dem am Boden Liegenden zu und wickelte ihn sorgfältig in die Decke. Mit einem leichten Ruck hob er diesen dann auf und setzte ihn in den Sattel seines Reittieres.

Offensichtlich schien der Reiter keine Bedrohung für den jungen Mann zu sein. Allerdings gefiel Evol der Gedanke, dass dieser Mann mit dem Ohnmächtigen sogleich verschwinden würde, überhaupt nicht. An eine Verfolgung war nicht zu denken. Rund um den kleinen Wald befand sich eine weite, flache Steppe. Sie würde sofort entdeckt werden. Dass der Reiter ein ausgebildeter Krieger zu sein schien, beruhigte sie keineswegs.

Nachdem sich der immer noch Bewusstlose sicher im Sattel befand, schwang sich der Reiter hinter ihm in den Sattel. Mit den Zügeln lenkte er das Tier Richtung Osten und trabte los. Nach wenigen Augenblicken war der Reiter wieder im dunklen Wald verschwunden.

Fieberhaft überlegte Evol was sie als Nächstes unternehmen sollte. Um nicht von diesem Unbekannten entdeckt zu werden, musste sie den Wald entweder in entgegengesetzter Richtung verlassen, oder eine Weile warten bis, sich der Reiter weit genug vom Wald entfernt hatte. Sie setzte sich auf den Boden und lehnte sich gegen einen Baumstamm. Müde blickte sie in eine kleine Wasserlacke, welche sich neben dem Baum befand. Dank dem hellen Vollmondlicht, das durch die Wipfel des Waldes drang, konnte sie ihr Spiegelbild an der Wasseroberfläche erkennen. Ihr schulterlanges weiß-blondes Haar war durchdrungen von Schmutz. Auch ihr Gesicht mit seinen sanften Zügen war vom Dreck nicht verschont geblieben. Allein ihre hellblauen Augen waren dieselben wie vor der Gefangennahme.

Selbst wenn ihr der Gedanke widerstrebte, genau genommen musste sie den Soldaten dankbar sein. Hätten diese sie nicht gefangengenommen, wäre sie niemals Zeuge dessen geworden, was sie heute Nacht hier erlebt hatte. Dann würde niemand wissen, dass es bereits geschehen war.

Das verpflichtete sie aber auch ihre Erkenntnisse weiterzugeben, denn diese Nachricht war von äußerster Wichtigkeit für mehrere Personen. Boten waren für diese Aufgabe viel zu unsicher. Diese Information musste sie selbst weitergeben. Dazu musste sie aber zurück in den Norden, in das Königreich Tsorf. Diese Reise würde mehrere Tage, wenn nicht Wochen, in Anspruch nehmen, danach würde es schwierig werden den jungen Mann wieder zu finden. Schwierig, aber nicht unmöglich, versuchte sie positiv zu denken.

Evol hob ihren Blick und starrte durch das Blätterdach in den Nachthimmel. Sie rief sich das Gesicht ihres Retters ins Gedächtnis. Ohne Zweifel würde sie ihn wieder finden, das wusste sie. Doch bis sie zurück war, musste er selbst auf sich aufpassen. Dazu würde er nun mit Sicherheit in der Lage sein.

Damit war die Sache entschieden. Ihr nächster Weg führte sie nach Norden.

Unwillig noch mehr Zeit zu vergeuden, stieg sie in den Sattel ihres Rappen. Ein letztes Mal musste Sie den Drang niederkämpfen alle Vorsicht in den Wind zu schießen und mit ihrem Pferd Richtung Osten zu galoppieren, um die Verfolgung der beiden Männer aufzunehmen. Sie schloss ihre Augen und sandte ein kurzes Gebet zum Schutz des Bewusstlosen an die Götter. Mehr konnte sei momentan wirklich nicht tun.

Langsam trabte sie los. Durch die Baumwipfel konnte sie erkennen, dass sich der Himmel allmählich aufhellte.

Ein neuer Tag würde bald anbrechen.

Das Erwachen des Phoenix

Подняться наверх