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Genesung

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Kraftlos kniete Erif auf verbrannter Erde. Die feurige Kreatur kam immer näher. Im Sturzflug jagte sie über das hinweg, was einmal Wald gewesen war. Vereinzelt brannten Feuer, welche der Nacht einen unheimlichen Schein schenkte. Das Wesen fixierte Erif mit seinen glutroten Augen. In wenigen Herzschlägen würde er, wie auch die schwarzen Soldaten, zu Asche zerfallen. Er wäre gerne anders gestorben.

Mit der Gewissheit zu sterben schloss er die Augen und wartete auf den sengenden Tod. Er wartete…und wartete…und wartete immer noch. Eigentlich hätte er schon tot sein müssen. Vielleicht war er bereits tot und befand sich nun im Jenseits. Es gab nur eine Möglichkeit das herauszufinden. Langsam öffnete Erif die Augen…und blickte direkt in die Augen des Feuervogels. Das feurige Wesen hatte angehalten. Die Hitze des Feuers brannte auf seiner Haut und das Tosen der Flammen war zu einem ohrenbetäubenden Lärm angewachsen. Wie gelähmt befand er sich Auge in Auge mit der Bestie. Erst nach einigen Augenblicken bemerkte Erif, dass er nicht mehr kniete. Mit Entsetzen sah er die Wipfel der Bäume und ein großes Aschefeld unter seinen Füßen. Das Ungetüm hatte ihn in die Luft gehoben, sodass er sich nun frei schwebend am Nachthimmel befand.

Panisch schlug Erif mit seinen Händen und Füßen in alle Richtungen, doch es war sinnlos. Schließlich nahm er all seinen Mut zusammen und warf seine Stimme gegen den Feuervogel.

„Was willst du von mir? Was habe ich getan? Antworte!“

Seine Stimme überschlug sich beinahe. Im Innersten hatte Erif mit dem Leben abgeschlossen. Er wollte nur noch wissen warum er sterben musste. Ob er diese Kreatur nun beleidigte oder nicht, war ihm gleich.

Das Wesen kam noch ein Stück näher. Die Hitze wurde unerträglich und trieb ihm den Schweiß in Sturzbächen über die Stirn. Bin ich nichteinmal eine Antwort wert, bevor ich sterbe? Plötzlich vernahm er eine Stimme. Er konnte nicht sagen ob es die Stimme eines Mannes oder einer Frau, eines Greises oder eines Kindes war, doch jedes Wort war so klar, dass er es mühelos verstehen konnte.

Du hast nichts Unrechtes getan und auch sterben sollst du nicht. Was von dir verlangt wird, musst du jedoch selbst herausfinden. Die wichtigste Frage hast du aber noch nicht gestellt.“

Nach wie vor starrte Erif gebannt in die glutroten Augen des Wesens. Dann brach die Frage einfach aus ihm heraus.

„Was bist du?“

Der Feuervogel breitete seine majestätischen Schwingen aus und richtete sich zu seiner vollen Größe auf. Seine Stimme donnerte durch die Luft und über die Erde.

Ich bin der Phönix.“

Mit einer blitzartigen Bewegung überwand der Phönix den Abstand und hüllte Erif in blutrote Flammen. Gleichzeitig begann er zu fallen. Brennend und mit einem Schrei auf den Lippen stürzte Erif Richtung Erde.

Sofort sprang Erif auf und wurde von der Sonne geblendet. Es dauerte einige Momente bis er sich seiner Umgebung wieder gewahr wurde. Er stand auf seinem Lager aus Stroh und einer Decke. Strahlendes Sonnenlicht fiel durch die Fensteröffnung der Scheune. Das Tor der Scheune war offen. Im Tor stand Dneirf, sein Pferd an den Zügeln und reitfertig. Er starrte Erif an, wie einen Toten, der gerade wieder zum Leben erwacht war. Normalerweise hätte Erif über den Gesichtsausdruck seines Freundes gelacht, aber etwas anderes zog seine Aufmerksamkeit auf sich. Sein Körper, er hatte keine Schmerzen mehr. Ganz im Gegenteil, er fühlte sich besser als jemals zuvor.

Plötzlich fiel ihm auf, dass er außer einem luftigen Tuch an den Lenden nichts anhatte. Hastig warf er sich die Decke über.

„Die Schmerzen sind weg. Vollkommen weg. Du hast nicht zufällig etwas zum anziehen dabei?“, rief er begeistert aus.

Dneirf starrte ihn immer noch an, schüttelte kurz den Kopf und langte dann in seine Satteltasche. Er förderte ein einfaches Hemd aus grobem brauen Stoff und eine dazugehörige Hose zu Tage und warf sie Erif zu. Er fing sie geschickt auf und begann sofort damit sich anzukleiden. Schließlich kramte sein Freund noch ein paar Lederstiefel und einen leichten, dunkelbraunen Reiseumhang hervor und kam damit zu Erif der sich währenddessen fertig angezogen hatte. Mit einem weiteren Kopfschütteln stellte er ihm die Stiefel hin und legte den Umhang daneben auf den Boden.

„Du bist genau im richtigen Augenblick aufgewacht. Ich war drauf und dran ins nächste Dorf zu reiten, mir dort den nächstbesten Heiler zu schnappen und ihn hierher zu schleifen.“

Am Tonfall seines Freundes erkannte er, dass Dneirf es ernst meinte.

„Und jetzt kannst du auf einmal ohne Beschwerden wieder stehen du Schlafmütze.“

Erif wurde stutzig. Es war doch erst Morgen.

„Schlafmütze? Wie lange habe ich denn diesmal geschlafen?“

Sein Freund lehnte sich gegen eine Wand und begann in Gedanken nachzuzählen. Das war kein gutes Zeichen.

„Wenn ich mich jetzt nicht verzählt habe, dann waren es in etwa zehn Tage.“

„Was? Das war ja noch länger als beim ersten Mal.“

Dneirf setzte ein hämisches Grinsen auf.

„Rechnen funktioniert also auch schon wieder, was?“

Erif erwiderte das Grinsen bevor er zu einer Erwiderung ansetzte.

„Besser als es jemals bei dir funktioniert hat.“

„Willst du etwa sagen ich könnte nicht rechnen?“

„Ich erinnere mich nur an einen Mann der seinen Schießübungen seine fünf Pfeile verschossen hatte und dann einen Freund beschuldigte, er habe ihm einen gestohlen.“

„Wirklich? Wer war der Trottel?“

„Dneirf, weißt du was ein Spiegel ist?“

Beide brachen in schallendem Gelächter aus. Früher, im Söldnerlager hatten sie beinahe täglich mehrere solcher Wortgefechte ausgetragen. Es tat gut wieder einmal zu lachen, ohne dass dabei etwas wehtat. Seinen Schock über die Dauer seines Schlafes hatte er bereits überwunden.

Erif hielt inne. Mit seinen Fingern fuhr er unter sein Hemd und tastete seinen Brustkorb ab. Dneirf, der seine Bewegung bemerkte, hörte nun ebenfalls zu lachen auf und blickte ihn fragend an.

„Was ist? Hast du doch noch Schmerzen?“

„Nein, das nicht, aber hast du nicht gesagt ich hätte mir mehrere Knochen gebrochen?“

Sein Freund nickte.

„Ja, du hast dir fast alle Rippen gebrochen. Eine war sogar drei Mal gebrochen. Ein wahres Kunststück. Der Kopf war auch angeschlagen und im rechten Unterarm dürfte auch etwas zu Bruch gegangen sein. Nachdem ich dich gefunden hatte, habe ich versucht all deine Brüche zu schienen und zu verbinden. Das war jede Menge Arbeit, das kannst du mir glauben. Die Tücher habe ich mehrmals gewechselt und von Blut und Eiter reingewaschen, aber die sind eigentlich nicht für mehrmaligen Gebrauch gemacht worden. Ich hätte mit dem Heiler neue Tücher geholt. Es wird wohl noch eine Weile dauern bis alles wieder vollständig verheilt ist.“

Das sah Erif etwas anders. Mit einer für Dneirf deutlich sichtbaren Bewegung klopfte er sich mehrmals kräftig mit beiden Armen gegen die Rippen. Sein Freund sog scharf die Luft ein.

„Da ist nichts gebrochen, bist du dir sicher, dass es so schlimm war?“

Dneirfs Augen weiteten sich. Er trat an Erifs Seite und legte die Hand auf seine Rippen.

„Darf ich?“

„Tu was du nicht lassen kannst.“

Mit konstant stärker werdendem Druck presste Dneirf seine Hand gegen Erifs Rippen, wobei er das Gesicht seines Freundes nicht aus den Augen verlor auf der Suche nach Anzeichen von Schmerzen. Erif verzog keine Miene. Außer dem Druck spürte er nichts.

Schließlich hörte Dneirf auf und schüttelte wieder den Kopf.

„Das ist seltsam, ich bin mir sicher, dass genau dort die dreifach gebrochene Rippe gelegen hat. Das hast du doch sich mit deiner Magie geheilt.“

„Du meinst während ich geschlafen habe? Nein, ich habe gar nichts gemacht.“

Grübelnd ging Dneirf zum Scheunentor und holte sein Pferd herein. Er brachte es zurück in die Box und schloss danach das Tor. In der Zwischenzeit hatte sich Erif die Stiefel angezogen und hingesetzt. Nur der Umhang lag noch neben ihm am Boden.

Dneirf setzte sich zu ihm und blickte ihn neugierig an.

„Also, bevor du mir wieder in Ohnmacht fällst, kannst du mir sagen was da genau passiert ist in der Nacht, als ich dich in dem Wald aufgelesen habe?“

Erif erwiderte den Blick mit ernster Miene. Er nickte. Es war nur gerecht seinem Freund und Retter die ganze Geschichte zu erzählen. Vielleicht wusste er sogar was mit dem Feuervogel, dem Phönix, geschehen war. Erif war sich sicher, dass der lebhafte Traum von der Kreatur selbst gesandt worden war.

„Ja, ich denke du hast ein Recht darauf zu erfahren, was geschehen ist, nachdem ich dir solche Umstände gemacht habe.“

Sein Freund hob abwehrend die Hände.

„Keine Ursache, ich habs gern gemacht. Aber erzähl weiter.“

Also erzählte Erif Dneirf was an dem Abend passiert war. Angefangen von Naidraug, dem alten Erdmagier, bis zum Angriff durch den Phönix, was zugleich das Letzte war woran er sich noch erinnern konnte. Auch den letzten Traum sparte er nicht aus. Dneirfs Miene wechselte während der Erzählung mehrmals zwischen Ungläubigkeit, Überraschung und Bestürzung. Als Erif am Ende der Geschichte angelangt war, verfielen beide in Schweigen. Jeder machte sich seine Gedanken über das gerade Erzählte. Der Tag neigte sich indes seinem Ende zu. Durch die Fensteröffnung konnte Erif den Abendhimmel sehen, welcher in rötliche Farben getaucht war.

Dneirf brach zuerst das Schweigen.

„Hätte mir das irgendjemand anderes erzählt, so hätte ich ihn auf der Stelle für verrückt erklärt.“

Er sah Erif tief in die Augen.

„Dir aber glaube ich. Du neigst normalerweise nicht zu Übertreibungen. Nachdem ich auch nicht weiß wer diese schwarzen Soldaten sind, werde ich deine Geschichte für mich behalten.“

„Danke.“

Erneut breitete sich Stille aus. Nur draußen war das Gezwitscher der Vögel zu hören. Wieder war es Dneirf der die Stille beendete.

„Weißt du schon was du jetzt machen wirst?“

Insgeheim hofft Dneirf sicher, dass er mit ihm zurück ins Söldnerlager zurückkehrte, aber das war keine wählbare Möglichkeit für Erif und das wusste sein Freund auch. Der Phönix hatte gesagt, was von ihm verlangt wurde, müsse er selbst herausfinden. Dadurch, dass er nun wusste, dass es sich bei dem Geschöpf um den Phönix handelte, konnte er auch nach Informationen suchen. Dies erschien ihm momentan am wichtigsten. Er musste so viel wie möglich über den Phönix herausfinden. Spontan fiel ihm die hochkönigliche Bibliothek in Latípac ein. Diese war, bis auf einige wenige Bereiche, für Jedermann frei zugänglich. Eine größere Bibliothek kannte er nicht. Dort sollte er mit seiner Suche beginnen. Er wollte unbedingt mehr über dieses Wesen erfahren. Eine innere Stimme sagte ihm, dass es für sein weiteres Leben von Bedeutung sein würde.

„Ich werde nach Latípac gehen. In der Bibliothek dort sollte es ein paar Bücher über den Phönix geben. Dummerweise wusste ich bis vor dieser Nacht nicht einmal von seiner Existenz. Das muss ich ändern. Wenn sie dort keine Schriften über den Phönix haben, dann haben sie nirgends welche.“

Dneirf nickte kaum merklich.

„Wenn du mehr erfahren hast, gibst du mir dann Bescheid?“

Aufmerksam betrachtete Erif sein Gegenüber. Dneirf schien etwas einsam zu sein. Das wunderte ihn nicht wirklich. Mit den anderen Söldnern hatte er nur eine oberflächliche Beziehung geführt. Einen echten Freund, dem er blind vertrauen konnte, hatte er wahrscheinlich nicht. Er tat ihm leid.

„Natürlich, ich weiß zwar noch nicht wie, aber das wird sich schon machen lassen. Vielleich schicke ich dir eine Brieftaube oder etwas Ähnliches. Wo wird dich dein Weg hinführen?“

„Zurück ins Söldnerlager. Leurc hat es momentan in Evif, etwas nördlich von Ytic, aufgeschlagen. Ich habe also nicht lange zu reiten.“

Erif nahm sich den Reiseumhang und stand auf.

„Nun gut. Dann werde ich mich mal auf den Weg machen.“

Dneirf starrte ihn irritiert an.

„Wo willst du hin?“

„Nach Latípac. Das habe ich doch vorher gesagt oder?“

„Aber noch nicht jetzt.“

Nun war er verwirrt.

„Warum nicht jetzt? Bis zum Einbruch der Nacht lässt sich noch eine kleine Wegstrecke gutmachen.“

Sein Freund seufzte hörbar.

„Morgen meinetwegen, aber nicht mehr heute. Ich möchte erst sichergehen, dass du nächste Nacht nicht wieder einen halben Winterschlaf hälst. Dann wärst du leichte Beute für wilde Tiere, Räuber oder diese schwarzen Soldaten.“

Die Argumente klangen einleuchtend, außerdem war er selbst noch etwas misstrauisch ob seiner plötzlichen Genesung. Nebenbei konnte er sich kaum etwas Angenehmeres vorstellen, als gemeinsam mit seinem alten Freund die Nacht zu verbringen.

Erif setzte sich wieder zu Boden und legte den Umhang zur Seite. Es sah ihm nicht ähnlich, Hals über Kopf aufzubrechen, doch sein körperliches Hochgefühl hätte ihn beinahe dazu verleitet.

„Ich denke du hast Recht. Außerdem käme ich sowieso nicht mehr weit zu dieser Zeit. Wann musst du dich eigentlich im Lager zurückmelden?“

„Ich habe noch eine Woche Zeit.“

Sein Freund schien froh darüber zu sein, dass sie noch einen gemeinsamen Abend verbrachten. Erif ging es genauso. Auch er hatte, außer mit Naidraug, lange nicht mehr mit einer freundlichen Seele geredet. Sein Magen meldete sich mit einem lautstarken Knurren.

„Dneirf, du hast nicht zufällig noch irgendwo etwas zu essen?“

Dneirf stand auf und setzte sein unverkennbares Grinsen auf.

„Das war ja so klar.“

Das Erwachen des Phoenix

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