Читать книгу Das Erwachen des Phoenix - Harald März - Страница 15

Der König von Tsorf

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Der Nachmittag war bereits angebrochen als sich die Türen des kleinen Versammlungsraumes öffneten. König Rehtaf trat in den Schlossgang. Sein kurz geschnittenes Haar war schneeweiß, wie auch der ebenmäßig gestutzte Bart, der um sein Kinn und den Mund wuchs. Die Falten seines Gesichts zeugten von schweren Zeiten, die Lachfalten um seine blauen Augen sprachen aber auch von vielen heiteren Tagen. Das Oberhaupt von Tsorf trug einen goldenen, mit kleinen Saphiren bestückten Reif als Krone. An der Stirnseite prangte in hochwertigem Silber eine Schneeflocke auf achteckigem, hellblauem Hintergrund, das Wappen Tsorfs und seiner Dynastie. Sein schlanker Körper war er in hellblaue, mit Silber bestickte Gewänder gekleidet. Ein weißer Umhang und mehrere Ringe, welche er an beiden Händen trug, rundeten die Erscheinung des Königs ab.

Mit aufrechtem Gang begab er sich zu einer nahen Fensteröffnung, welche den Blick auf die Ebene und die dahinter liegenden Hügel freigab. In der Ferne konnte er einen einzelnen Reiter ausmachen welcher in rasantem Tempo auf die ersten Hügel zusteuerte. Wer das wohl sein mochte? Aus dieser Entfernung konnte er weder Wappen noch andere Dinge erkennen, welche ihm die Zugehörigkeit des Reiters bekannt gegeben hätten. Er konnte nicht einmal sagen ob es ein Mann oder eine Frau war.

Die ersten Versammlungsmitglieder hatten derweil den Raum verlassen. Der König wandte sich von der Fensteröffnung ab und betrachtete die wenigen Personen, welche nun den Schlossgang füllten.

Einige von Ihnen trugen amtliche Gewänder und schritten zielstrebig den Gang hinab, andere waren wie Händler gekleidet und unterhielten sich mit gedämpfter Stimme. Wieder andere trugen dunkle Mäntel oder Umhänge mit Kapuzen, welche sie sich tief ins Gesicht gezogen hatten, während sie darauf achteten sich lautlos und unbemerkt zu bewegen. Wachen waren bei der Versammlung nicht anwesend gewesen.

Unter diesen Gestalten waren Männer, sowie auch Frauen verschiedenen Alters gleichermaßen vertreten. Alle hatten sie jedoch gemeinsam, dass sie Spione oder Informanten waren.

Der König hatte früh damit begonnen sich ein Netz aus Spionen aufzubauen. Vorsicht war dabei entscheidend gewesen, weswegen er darauf bedacht war sein Vorhaben langsam anzugehen. Die erlangten Informationen sollten jedoch nicht zu Kriegszwecken missbraucht werden, obwohl sie sich dazu durchaus eignen würden, sondern diplomatische Verhandlungen und Kontakte erleichtern.

König Rethaf zog schon seit Beginn seiner nun schon lange andauernden Regentschaft die Diplomatie dem Kriegswesen von. Warum Menschen sich zum Teil lieber töteten anstatt zu reden hatte er bis heute noch nicht verstanden.

Um aber reibungslose diplomatische Kontakte zu den Nachbarfürstentümern und dem Hochkönig pflegen zu können, baute er auf die Unterstützung seiner Informanten. Die Zusammenhänge, die das Verhalten seiner Gesprächspartner beeinflussten zu kennen war für ihn sehr wichtig. Oft wurden die Fürsten von verschiedenen Gruppen oder auch einzelnen Personen unter Druck gesetzt, eine bestimmte Entscheidung zu treffen. Nun konnte ein Herrscher so etwas aber nicht offen vor ihm zugeben, da dies als ein Zeichen von Schwäche angesehen wurde. Manche versuchten wenigstens Rethaf mit Andeutungen auf solche Umstände hinzuweisen, aber einige vermieden sogar das. Um diese Hintergründe zu verstehen und die für beide Seiten beste Lösung zu finden, bediente er sich der Berichte seiner Spione. Auch heute hatte er wieder Informationen eingeholt. Die erneute Unterzeichnung des Vertrages der solidarischen Armeebegrenzung wurde momentan im Hochkönigreich vollzogen. König Rehtaf wollte wissen wie die Fürsten zu dem Vertrag standen und ob wieder ein Aufstand einiger Fürsten zu befürchten war. Seine Spione konnten jedoch keine Anzeichen für eine entsprechende Gefahr erkennen, was ihn beruhigte. Krieg war etwas Abscheuliches.

Trotz der Wichtigkeit dieser Treffen, versuchte der König sie nur abzuhalten wenn es notwendig war. Schließlich mussten seine Informanten aus allen Teilen des Landes nach Tsorf reisen. Diese Reise war nicht nur beschwerlich. Die Gefahr, dass sie als Spione entlarvt wurden, stieg dadurch natürlich ebenso. Eine Übertragung mittels Magie war ihm zu unsicher, für Briefe galt dasselbe.

Spione im eigenen Königreich hatte Rehtaf nicht. Sein Vater hatte ihm einst gesagt, dass nur Despoten und Taugenichtse es nötig hatten das eigene Volk auszuspionieren, denn nur sie mussten Aufstände und Widerstand fürchten. Rethaf hielt sich nicht für einen Taugenichts und zu einem Despoten wollte er bei den Göttern nicht werden. Solange er weiter dafür sorgte, dass es seinen Untertanen an nichts mangelte, solange brauchte er ihre Unzufriedenheit nicht zu fürchten. Dies war seine Aufgabe als König.

Plötzlich machte der König eine Bewegung am Ende des Ganges aus. Zwei Personen bewegten sich durch die spärliche Ansammlung an Spionen und kamen im Laufschritt auf ihn zu. Es waren zwei Männer, einer trug eine schlichte, hellblaue Robe, während der andere in braunen Arbeitsgewändern steckte, wie sie für die Stallarbeit benutzt wurden. König Rethaf ging dem Kanzler und dem Stallmeister entgegen.

Die beiden Männer kamen kurz vor dem König zum Stehen, wobei der Kanzler auf seine Robe trat und beinahe der Länge nach auf den grauen Steinboden geflogen wäre. Ungeachtet dessen erhob der Kanzler sogleich das Wort.

„König, mein König, wir haben eine wichtige Nachricht für Euch.“

Der Umstand, dass der Kanzler dabei vergaß, gemäß der Etikette kurz das Haupt zu senken bevor er mit ihm sprach, hieß, dass es wirklich etwas sehr Wichtiges sein musste. Diese kleine Verletzung der Etikette nahm der König dabei hin. Rethaf war kein großer Verfechter der Hofetikette, auch wenn er einsah, dass sie durchaus einen Sinn hatte.

„Beruhigt euch Kanzler. Also, worum handelt es sich und woher habt ihr diese Nachricht.“

Der Stallmeister wollte etwas sagen, doch der Kanzler war schneller.

„Die Nachricht ist magisch übertragen worden, mein König. Stallmeister Esroh und ich sind Träger der Nachricht“

„Und wer war der Überträger?“

Diesmal war der Stallmeister schneller.

„Es war Evol, mein König“

Rehtaf starrte den Stallmeister gebannt an.

„Evol?“

Kurz schweifte sein Blick wieder durch die Fensteröffnung zu den Hügeln am Horizont. Der Reiter, oder besser die Reiterin, war bereits verschwunden. König Rethaf widmete seine Aufmerksamkeit wieder dem Stallmeister, diesmal mit leichter Unruhe.

„Aber…Warum ist sie nicht persönlich gekommen um mir die Nachricht zu überbringen?“

„Eine der Wachen meinte ihr gegenüber, Eure Majestät wollen nicht gestört werden. Sie war sehr in Eile, deswegen wollte sie nicht warten und hat uns die Nachricht für euch übertragen. Sie ist bereits wieder abgereist.“

Rehtaf senkte den Kopf. Das sah ihr ähnlich.

„Hat sie eine Eskorte mitgenommen?“

Der Stallmeister senkte den Blick.

„Nein, sie war zu schnell wieder weg. Verzeiht uns wir hätten ihr eine Eskorte zur Verfügung stellen müssen.“

Offensichtlich wurde sich der Stallmeister erst jetzt bewusst, dass er Evol ohne Eskorte hatte ziehen lassen. Auch das sah ihr ähnlich. Kurzerhand brachte sich der Kanzler wieder in das Gespräch ein.

„Mein König, die Nachricht, es ist äußerst wichtig.“

Der König richtete seinen Blick wieder auf den Kanzler. Was immer Evol zu solch einer hastigen Abreise getrieben hatte, musste in der Tat wichtig sein. Rehtaf streifte die Ringe seiner linken Hand ab und streckte sie dem Kanzler entgegen. Für diesen sollte die magische Übertragung einfacher sein als für den Stallmeister. Behutsam legte der Kanzler seine beiden Hände um die Linke des Königs und senkte den Kopf. Rehtaf schloss seine Augen als die Erinnerungen Evols auf sein Bewusstsein einprasselten. Er sah schwarze Soldaten, einen Wald mit einer Lichtung. Der König sah seinen Freund Naidraug und einen jungen, mitgenommen aussehenden Mann. Plötzlich bemerkte er auch, dass Evol gefangen gewesen war. Ein Kampf brach aus, bei welchem Naidraug den Tod fand. Wenig später sah er ihn. Den feurigen Vogel, den Phönix. Er konnte die Magie des Wesens sogar durch die Erinnerung spüren. Der Phönix beendete den Kampf und flog dann auf den jungen Mann nieder. Dieser überlebte. Da sah Rehtaf auch einen seltsamen Reiter, welcher den Bewusstlosen mitnahm und verschwand im Dickicht. Schließlich endete die Erinnerung.

König Rethaf öffnete seine Augen. Die Erinnerung hatte gemischte Gefühle in ihm geweckt. Als Erstes wurde er sich seiner Sorge bewusst. Evol war in Gefangenschaft gewesen. Dies war auch der Grund weswegen sie einige Zeit wie von Erdboden verschwunden war. Er und der Hofstaat hatten sich zu Recht Sorgen gemacht.

Das Abenteuer in das sie sich nun aber stürzte, könnte weitaus gefährlicher sein. Nachdem König Rehtaf wusste, was Evol erlebt hatte, konnte er sich ausmalen weswegen sie so bald wieder aufgebrochen war. Ohne Zweifel wollte sie den einzigen Überlebenden des Gemetzels, den jungen Mann, so schnell wie möglich finden. Allerdings würden diese schwarzen Soldaten sicherlich auch auf der Suche sein. Ein Überlebender würde ausreichen um deren Oberbefehlshaber über die Ereignisse in Kenntnis zu setzen. Und Feiglinge mit schnellen Beinen gab es in jeder Armee.

Der König richtete das Wort an die beiden Männer. Der Kanzler hatte inzwischen die Hand des Königs losgelassen.

„Kanzler, organisiert so schnell wie möglich eine Eskorte, leicht gerüstet. Es müssen mindestens ein halbes Dutzend Leute sein, höchstens zehn. Sucht nur die Männer mit der meisten Kampferfahrung aus. Die sollen dann so schnell wie möglich zum Stall kommen. Gebt ihnen auch Gold mit, denn den Proviant müsse sie später kaufen. Stallmeister Esroh, macht die schnellsten Pferde sofort reitfertig. Es müssen keine ausdauernden Tiere sein. Nur schnell genug um Evol noch einholen zu können. Verliert keine Zeit, los!“

Mit einer Verbeugung, wie sie knapper nicht mehr sein hätte können, machten der Stallmeister und der Kanzler auf dem Absatz kehrt und liefen den Gang hinab, welchen sie zuvor gekommen waren.

Rehtaf ging zurück zu der steinernen Fensteröffnung und rief sich die Erinnerung wieder ins Gedächtnis. Vieles ließ ihm noch keine Ruhe und bedurfte seiner Aufmerksamkeit.

Die schwarzen Soldaten. Das war ein solches Ereignis, welches ihm keine Ruhe ließ. Wie war es möglich, dass keiner seiner Spione ihn über die Existenz dieses Heeres informiert hatte. Wem dienten diese Truppen. Irgendetwas, und dafür hatte Rehtaf beinahe einen sechsten Sinn, stimmte hier nicht. Eine derartige Armee sollte mit dem Vertrag der solidarischen Armeebegrenzung gar nicht möglich sein. Nur der Hochkönig könnte offiziell eine Heerschar mit diesem Ausmaß aufstellen.

Der König fuhr sich mit seinen Fingern über den Kinnbart. Offiziell.

Langsam steckte er sich die Ringe wieder an die Finger. Draußen auf dem Hof brach ein Gewitter aus donnernden Hufen los. Aus den Ställen links von ihm galoppierten acht leicht gerüstete Männer mit halsbrecherischem Tempo auf die Hügel am Horizont zu. Die Sonne hing bereits tief am Himmel. Bald würde der Abend anbrechen. Er hoffte inständig, dass die Soldaten Evols Vorsprung bald aufholten. Es würde ihr nicht gefallen, doch allein war sie so verletzlich.

König Rehtaf löste sich von dem Fenster und ging den Steingang hinab. Das Ausbrechen des Phönix war ein gutes Zeichen. Keinen Augenblick zu früh, denn die finsteren Mächte in den Bergen wurden immer stärker. Der junge Mann war von essentieller Bedeutung für das Königreich Tsorf, das benachbarte Hochkönigreich mit all seinen Fürstentümern und dei Menschen welche diese bewohnten.

Trotz der Wichtigkeit dieses Ereignisses und der damit verbundenen Hoffnung beschäftigte etwas anderes den König. In Evols Erinnerungen hatte er den Tod Naidraugs gesehen, ein Freund, wie es ihn kein zweites Mal auf dieser Welt gab. Naidraug war einer der einzigen Menschen, welchen er sich hatte voll anvertrauen können, die ihm mit Rat und Tat zur Seite standen und auch nicht davor zurückschreckten einem König ihre ehrliche Meinung zu sagen. Rethaf bemerkte wie seine Augen feucht wurden.

Das Erwachen des Phoenix

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