Читать книгу Das Erwachen des Phoenix - Harald März - Страница 13
Sucht ihn!
ОглавлениеFürst Erised saß allein in seinem Arbeitszimmer und beugte sich über ein dickes Buch mit schwarzem Einband. Das Buch ergab mit mehreren anderen Schriftstücken auf seinem Schreibtisch ein ansehliches Chaos. Der Tisch war, so wie das Bücherregal, der Sessel auf dem er saß und alle anderen Möbelstücke des Raumes aus dunklem Holz gefertigt. Die Wände und der Boden waren mit rotem Samt ausgekleidet.
Ein Klopfen an der Türe ließ den Fürsten knurren, er hasste es gestört zu werden. Mit einer kurzen Handbewegung und einem Hauch von Magie ließ er den Pergamentberg auf seinem Tisch verschwinden. Hastig strich er sich noch eine Strähne seines langen, grauen Haars aus seinem Gesicht, bevor er auf das Klopfen antwortete.
„Herein!“
Die Tür ging auf und herein trat sein Kanzler. Der Kanzler war ein kleiner, dicklicher Mann im weit fortgeschrittenen Alter. Er trug einen aufwendig gestalteten, blauen Brokatumhang.
Mit schnellen Schritten kam der Kanzler auf den Fürsten zu. Seine Körperhaltung zeugte von mehr Hochmut als für einen Diener angemessen war. Die Wurstfinger seiner Hand hielten ein Blatt Pergament fest.
Als er vor Eriseds Tisch trat, verbeugte er sich kurz und richtete danach das Wort an den Landesfürsten.
„Mein Herr, ich nehme nur ungern eure kostbare Zeit in Anspruch, aber hier habe ich den Vertrag der solidarischen Armeebegrenzung der Landesfürstentümer und er bedarf Eurer hoheitlichen Signatur.“
Erised stand auf. Der Landesfürst trug eine dunkelgrüne, mit Goldfäden verzierte Robe aus den feinsten Stoffen. Zufrieden registrierte der Fürst das kurze Aufblitzen von Neid im Gesicht des Kanzlers.
„Bitte, für Euch habe ich doch immer Zeit Kanzler. Ich werde mich sogleich dem Abkommen widmen.“
„Sehr wohl, mein Herr.“
Der Kanzler übergab das Pergament mit gesenktem Haupt.
„Gibt es sonst noch etwas zu erledigen?“
„Nein, mein Herr.“
„Gut, dann könnt Ihr gehen, mein Freund.“
Mit einer kurzen Handbewegung entließ Erised den Kanzler aus seinem Arbeitszimmer. Der Kanzler verneigte sich noch einmal tief und verließ dann endlich den Raum.
Der Fürst wartete ein paar Augenblicke, dann schnippte er mit den Fingern und das Pergamentchaos kehrte aus dem Nichts auf den Schreibtisch zurück. Er setzte sich und legte das Abkommen, welches ihm der Kanzler soeben übergeben hatte auf eine der wenigen freien Stellen am Tisch.
Bei genauerer Betrachtung fiel ihm ein kleiner Fettfleck auf dem Schriftstück auf. Zischend stieß er die Luft zwischen seinen Zähnen hervor. Dieser eingebildete Dummkopf hatte es wieder einmal nicht geschafft das Essen von seinem Arbeitstisch fernzuhalten. Der Fürst konnte den Kanzler nicht leiden. Das war schon von Anfang an so gewesen. Doch leider hatte er keine Wahl gehabt. Es gab nicht viele Gelehrte, welche die erforderliche Ausbildung für diese Position hatten. Die meisten Gelehrten, die nicht vollkommen unfähig waren, wurden für die Hoheitliche Kanzlei des Hochkönigs angeworben. Aber wenn er erst einmal die Macht des Phönix beherrschte, würde ihm das gesamte Reich zu Füßen liegen. Dann konnte er sein Gefolge besser auswählen und müsste sich nicht mit solchen Dilettanten, wie seinem Kanzler, begnügen.
Erised gab ein trockenes Lachen von sich. Und wenn es erst einmal soweit war, dann würde er den Kanzler für seine Unfähigkeit und seinen Hochmut vor seiner gesamten Familie vierteilen lassen.
Der Landesfürst riss sich von seinen finsteren Gedanken los und wandte sich dem Abkommen zu. Er überflog den Text. Der Vertrag verlangte eine verpflichtende Einschränkung der Streitkräfte eines jeden Landesfürsten auf seine Leibgarde, die Palastwache, sowie eine kleine Einheit zum Schutz gegen Räuberbanden, Söldner, Aufstände und ähnliche Vorkommnissen. Insgesamt konnte man also kaum von einem Heer sprechen. Das Abkommen galt, wie auch schon das Vorgängerabkommen für weitere zehn Jahre.
Erised griff nach einem Federkiel und führte die Spitze kurz in ein Tintenfass. Mit schwungvollen Bewegungen unterzeichnete er das Abkommen. Zum Abschluss griff er nach einem Stück rotem Wachs und hielt es über das Pergament. Mithilfe magischer Energie erhitzte er die Spitze bis ein Tropfen heißes Wachs neben seiner Signatur auf das Pergament traf. Sofort drückte er seinen Siegelring auf den roten Klecks. Nach kurzem Warten hob er die Hand wieder und begutachtete das Wachssiegel. Es zeigte ein Schild mit einer einzelnen Feder in seiner Mitte. Zufrieden legte er den Vertrag zur Seite. Erised streckte die Hände aus und vollführt einige, knappe Gesten. Nun kam Bewegung in das Chaos auf seinem Tisch. Die Bücher schlossen sich und flogen zielsicher in die freien Plätze im Regal. Die losen Pergamentblätter ordneten sich zu drei Stößen am Rand der Tischplatte.
Fürst Erised erhob sich und verließ sein Arbeitszimmer. Er betrat einen Korridor, welcher, wie alle im Schloss des Landesfürsten, mit rotem Teppich ausgekleidet war. Bevor er sich auf den Weg machte, verschloss er die Tür. Dazu bedurfte es Magie, denn die Türe hatte kein Schlüsselloch. Der Bolzen konnte nur mit magischer Energie betätigt werden. Nachdem das erledigt war, schritt er zügig durch den Gang.
Erised war frustriert. Er arbeitete nun schon mehrere Tage an einem Zauber um sich den Phönix einverleiben zu können, doch die Fortschritte waren kaum ersichtlich. An der nächsten Kreuzung bog Erised links ab.
Als erstes benötigte er den momentanen Träger des Phönix. Ohne ihn hätte er auch keinen Zugriff auf seine Macht. Dafür musste er ihn aber auch finden. Das war eine Aufgabe für seine Soldaten. Auch wenn er diesen lächerlichen Vertrag unterzeichnet hatte, hieß das nicht, dass er sich auch daran halten würde. Natürlich, offen konnte er sich nicht dagegen auflehnen, aber im Verborgenen war er in der Lage dazu. Während der letzten Jahre hatte Erised eine Armee von beachtlichem Ausmaß aufgestellt und sie mit den besten Waffen und Rüstungen ausgestattet, welche er kannte. Selbst die hochkönigliche Armee, wäre unter Umständen nicht in der Lage sie zu schlagen. Damit seine Armee aber auch geheim blieb, wurde jeder neue Rekrut mit einem Bann belegt. Sollte er auch nur versuchen ein Wort darüber zu verlieren, würde sein Verstand auf der Stelle vernichtet.
Der Fürst hatte das Ende seines Weges erreicht. Er stand vor dem Tor, welches in den Hof des Schlosses führte. Sowie ihn die beiden Wachsoldaten erkannten öffneten sie das Tor.
Er straffte die Schultern und überschritt die Torschwelle. Sofort wurde das Tor wieder geschlossen. Der Hof seines Schlosses war nicht besonders beeindruckend. Tatsächlich konnte er nur wenigen tausenden Menschen Platz bieten. Damit war er einer der kleinsten Höfe im Vergleich mit den Residenzen der anderen Landesfürsten. Dem Erbauer musste wohl das Gold ausgegangen sein als er das Schloss errichtet hatte.
Umschlossen wurde der Hof zu drei Seiten vom Schloss selbst. Die vierte Seite bildete eine dicke Steinmauer mit einem großen Tor und zwei Wachtürmen, welche augenscheinlich nachträglich auf der Mauer errichtet wurden. Ihre Architektur wirkte sogar für einen unkundigen Betrachter improvisiert. Der Hof selbst war mit grauen, quadratischen Steinen gepflastert. An manchen Stellen zerbröckelte das Gestein allerdings bereits und gab dem einen oder anderen Grashalm die Möglichkeit sich aus dem grauen Meer zu erheben. Dieser wertlose Hof war eine Schande für Erised. Ihm stand Größeres zu.
Der Fürst schritt eine kurze steinerne Treppe hinab. Am Absatz der letzten Stufe standen bereits zwei Dutzend Männer nach militärischem Vorbild in Reih und Glied. Jeder von Ihnen hielt den Blick starr geradeaus und hatte seine Beine eng beisammen während die Hände hinter dem Rücken verschränkt waren. Auffällig war, dass keiner der Männer Rüstung oder Uniform angelegt hatte. Stattdessen trugen sie Alltagskleidung.
Erised blieb bewusst mit aufrechter Haltung auf der letzten Stufe stehen um die Soldaten zu überragen und seinen Rang klar zu machen. Zufrieden musterte er die Soldaten. Einer war wie ein Fischer gekleidet, wieder ein anderer trug das Gewand eines Jägers und sein Kamerad neben ihm steckte in den etwas vornehmeren Kleidern eines Händlers. Keiner würde in diesen Leuten die Elitesoldaten erkennen, die sie waren, solange sie sich nicht selbst verraten würden. Dies aber, und das wusste Erised, würde nicht geschehen, da sie alle wussten welche Strafe auf Versagen stand.
Mit ihrer Verkleidung hatten die Soldaten Zugang zu den verschiedenen sozialen Schichten und konnten unerkannt Informationen sammeln und so den Aufenthaltsort des Trägers des Phönix ausfindig machen. Momentan war dieser höchstwahrscheinlich noch geschwächt und somit leichte Beute für seine Jäger. Nebenbei brauchten die Kräfte des Phönix Zeit um sich zu entfalten, was bedeutete, dass Eriseds Chancen besser standen, je früher er zuschlug.
Am linken Ende der Aufstellung trat ein Mann in Bauerngewändern vor. Der Mann hatte etwas längeres hellbraunes Haar und war von massiger Statur. Seine grünen Augen waren nach wie vor starr nach vorne gerichtet als er das Wort erhob.
„Mein Fürst, das Kommando meldet sich wie befohlen zum Dienst angetreten!“
Es war eher ein militärisches Bellen, als eine normale Meldung.
„Danke, Kommandant.“
Der Kommandant nickte kurz mit dem Kopf und trat wieder in die Formation ein.
Erised vergewisserte sich, dass niemand in der Nähe war, wozu er sich nebenbei auch seiner magischen Gaben bediente. Nach wenigen Augenblicken war er fertig und sicher, dass er ohne Vorbehalte sprechen konnte.
„Ihr seid heute hier weil ihr einen besonderen Auftrag ausführen werdet. Einen Auftrag von äußerster Wichtigkeit. Wenn ihr eure Aufgabe zu meiner Zufriedenheit erfüllt, werdet ihr reiche Männer sein. Wenn ihr versagt, wird eure Strafe schrecklich ausfallen.
Euer Auftrag ist es einen Mann für mich zu finden und zu mir zu bringen. Er wird Widerstand leisten, aber ich brauche ihn lebend. Das Ziel verfügt über magische Fähigkeiten und eine gewisse Ausbildung im Kampf. Beides sollte für euch kein Problem darstellen. Während der Ausführung muss unter allen Umständen verhindert werden, dass irgendeine Verbindung zum Hof von Regnad oder meiner Person ersichtlich wird. Alles andere liegt in eurem Ermessen. Tötet, wen ihr töten wollt, raubt, was ihr rauben wollt, aber verliert dabei eure Aufgabe nicht aus den Augen. Diese muss so schnell wie möglich erfüllt werden. Sucht ihn. Habt ihr das verstanden?“
Die Antwort war ein einheitlich gebelltes „Jawohl, Fürst Erised!“
Der Fürst nickte zufrieden. Eine letzte Kleinigkeit blieb nun noch zu erledigen, damit seine Soldaten ausschwärmen konnten.
„Jeder von euch tritt nun vor um das Bild der Zielperson zu empfangen.“
Ohne zu fragen, befolgten sie seinen Befehl. Einer nach dem anderen verließen sie die Formation und traten mit geneigtem Haupt vor Erised. Dieser legte seine Hände an ihre Schläfen, wie er es damals bei dem Soldaten getan hatte, welcher ihm die Nachricht über das Debakel im Wald überbracht hatte. Nur diesmal nahm Erised keine Bilder auf, sondern speiste sie in die Gedanken der Elitesoldaten. Dazu verwendete er die Erinnerungen des damaligen Soldaten. Er gab die Erscheinung des jungen Mannes aus verschiedenen Perspektiven und während verschiedener Bewegungen, sowie sein Kampfverhalten an seine Empfänger weiter. Das Feuerinferno sparte er aus, da er keine Ängste in den Soldaten schüren wollte. Nicht, das er um sie besorgt gewesen wäre, doch ein verängstigter Soldat blieb hinter seiner Bestleistung zurück.
Sowie der letzte Soldat die Gedankenbilder empfangen hatte und wieder Aufstellung bezogen hatte, richtete Erised noch ein paar letzte Worte an die Gruppe.
„In der Schmiede warten Rüstungen auf euch. Ich habe sie anpassen lassen, so dass ihr sie unter eurem Gewand tragen könnt, ohne dass sie auffallen oder euch behindern. Eure Pferde stehen bereits gesattelt im Stall bereit.“
Er drehte ihnen den Rücken zu und begann die Stufen hinaufzusteigen.
„Eines noch.“
Der Fürst hatte die letzte Stufe erklommen und wandte sich noch einmal mit finsterer Miene der Soldatengruppe zu.
„Dieser Auftrag ist strengstens geheim zu halten. Sollte irgendjemand von euch versuchen die Mission zu verraten, wird er an Ort und Stelle sterben. Den nötigen Zauber habe ich euch gerade nebenbei auferlegt. Der Tod wäre kurz aber qualvoll. Kommandant, abtreten lassen.“
Trotz der militärischen Drills ihrer Ausbildung spiegelten die meisten Gesichter entweder Fassungslosigkeit oder Bestürzung wieder. Der Fischer schien gar Erised anschreien zu wollen, konnte sich aber mehr oder minder beherrschen. Alleine der als Bauer getarnte Kommandant verzog keine Miene. Für ihn war es nicht der erste Auftrag dieser Art, deshalb hatte Erised ihn auch als Kommandanten ausgewählt. Der Mann trat vor und brüllte seine Kommandos. Die Truppe setzte sich unverzüglich in Bewegung.
Der Fürst hatte sich indessen bereits wieder abgewandt und trat durch das Tor aus welchem er zuvor gekommen war noch bevor es sich vollständig geöffnet hatte. Mit einem lauter Knall schloss es sich hinter dem Landesfürsten.