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Mein Vater

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Ich glaube, die glücklichste Zeit für meinen Vater war die, als er vor Kriegsende, vom Militär in Frankreich befreit, bei der Flugzeugfabrik Dornier in Friedrichshafen seinen Berufen als Werkzeugmacher und Feinmechaniker nachgehen konnte und interessante Aufgaben zu erfüllen hatte. Die Fotos zeigen einen sehr entspannten Vater, der auch Bergtouren mit österreichischen Freunden machte. Ich besitze noch ein Bild von der Scesaplana, gemalt von seinem Arbeitskollegen und Freund, dem Huber Hans aus Bludenz, von dem er immer wieder erzählte. Auch meine Mutter hat mich offenbar einmal bei der Oma gelassen und ist nach Friedrichshafen, Bregenz oder ins Montafon gefahren, um mit meinem Vater auf die Berge zu gehen. Sie erzählte sehr gerne von einer unheimlichen Begegnung mit plötzlich aus dem Nebel auftauchenden Kühen, die sie furchtbar erschreckt haben. Mir schien als Kind immer, dass es ein freudiger Nervenkitzel war.


Selbst gebasteltes Spielzeug von meinem Vater. Eine Bodenseemöwe und ein Hampelmann mit einem Hanswurst auf der einen und einem Arlecchino auf der anderen Seite. Ein Vorzeichen?



Hanswurst in »Faust« von Marlowe auf dem Platz vor der Stiftskirche Melk. – Wie oft hieß meine Rolle »Arlecchino«, »Brighella« oder »Pulcinella« …

Diese glückliche Zeit kann nur eine kurze Phase vor unserer, Mutters und meiner, Flucht vor den Alliierten ins gleiche Gebiet gewesen sein.

Ich habe aus dieser Zeit einige Andenken an meinen Vater: Spielzeug, das er mit eigenen Händen hergestellt hat, lustigerweise einen hölzernen Hampelmann, der auf beiden Seiten mit verschiedenen Motiven bemalt ist: Auf der einen Seite sieht man einen Harlekin der Commedia dell’arte und auf der anderen einen deutschen Hanswurst. Kurz gesagt: zwei Clowns.

Ein Vorzeichen, eine Bestimmung?

Ich meine damit nicht nur den Clown, sondern auch die vielen Rollen, die ich gespielt habe, die Arlecchino, Pulcinella oder sogar Hanswurst hießen und die ich in dem im Buch angefügten Rollenverzeichnis finde. Ich bin darüber selbst überrascht.

Eine Möwe aus Holz, die, wenn man sie auf Rollen bewegt, die Flügel flattern lässt, erinnert mich an den Bodensee und ich halte sie in Ehren, genauso wie sein Gesellenstück: einen wunderbaren Messing-Schraubenzieher, der aus fünf Teilen besteht und wie eine Puppe in der Puppe funktioniert. In jedem Schraubenzieher steckt noch einer, bis zum Kleinsten, der so zierlich ist, dass man sogar Uhren damit reparieren kann.

Eine erste Erinnerung an meinen Vater habe ich, als er in deutscher Uniform aus Frankreich kam. Er trank gerne Wermuttee oder er tat das für seine Gesundheit, ich weiß es nicht. Er benützte dazu ein braunes, glasiertes Tongut-Krügelchen mit einem blauen Blumenmuster. Er trank den Tee in kleinen Schlucken, und ich wollte als Knirps unbedingt davon kosten. Er gab mir einen Teelöffel voll und fragte mich: »Wie schmeckt’s?«

Es war entsetzlich bitter, aber ich antworte absolut überzeugend, laut, deutlich und strahlend: »Gut!«

Ich glaube, das war meine erste Schauspielszene.

Das braune Häfelchen mit den blauen Blumen habe ich immer noch in der Küche stehen.

Mein Vater starb leider schon mit 68 Jahren. Ich hätte gerne mehr von ihm gewusst.

In der Pubertät war ich selbst wohl sehr verschlossen, und es gab keinen großen Kontakt zwischen uns beiden, und mit etwas mehr als 18 Jahren bin ich von zu Hause weggegangen und nie wieder zurückgekommen. Natürlich haben wir uns immer wieder getroffen, das waren zwar freundschaftliche, aber doch immer sehr kurze Begegnungen.

Zwei Jahre vor seinem Tod hat er mich zum Zug nach Wien begleitet, mir von seiner Erkrankung erzählt und mich darauf eingeschworen, meiner Mutter nichts davon zu sagen. Das war eigentlich der intimste gemeinsame Moment in unserem Leben.

Er machte sich große Sorgen wegen meines erwählten Berufs, aber hat mich doch noch zweimal auf der Bühne in schönen Rollen sehen können: in Frühjahrsparade, immerhin unter Robert Stolz in der Volksoper, und in Hello, Dolly! mit Marika Rökk im Theater an der Wien, außerdem lief meine Sendung Das kleine Haus im ZDF. Das hat ihn sehr beruhigt.

Der Bub wird seinen Lebensunterhalt verdienen können – das war das Einzige, was für ihn wichtig war, mit der Erfahrung der schweren Zeit nach dem Ersten Weltkrieg, in dem er erwachsen geworden ist.

Meine Mutter, die gleichaltrig war wie mein Vater, hat viel von meinem Berufsleben mitbekommen, hat Kritiken und Presseausschnitte gesammelt, die ich jetzt in der Hand habe. Sie starb mit 93 Jahren in einem Spital in Süddeutschland, und ich konnte bei ihr sein.



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