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Ich wollte nach Paris

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Als ich meine kaufmännische Lehre als »Internationaler Transportkaufmann« erfolgreich abgeschlossen hatte, sagte ich meinen Eltern, dass ich nun auch in die weite Welt müsste. Ich wollte nach Paris. Das hat meinen Eltern nicht so gut gefallen, aber dass ich dadurch der Bundeswehr entkommen konnte, haben sie durchaus verstanden. Denn während der Dauer eines Auslandsaufenthaltes »ruhte« die Wehrpflicht. Ich habe sie bis heute ruhen lassen und als ich Österreicher wurde, war ich schon zu alt fürs Militär.

Ich bewarb mich um eine Stelle bei Pariser Transportfirmen und hatte gleich mehrere Angebote. 1960 gab es schon ein Abkommen zwischen Frankreich und Deutschland, nach welchem es jungen Leuten ermöglicht wurde, im Nachbarland zu arbeiten und in der »Alliance française« zu studieren. Das war die offizielle, staatliche Sprachuniversität von Paris, auf der Studenten aus der ganzen Welt Französisch lernten und ihr Wissen verbesserten – das hatte ich vor. »Stagiaire-Abkommen« nannte man das.

Meine Eltern begleiteten mich am Abend vor dem 1. Mai 1960 nach Basel zum Bahnhof. Ich stieg in das Zugabteil mit Holzbänken, das leer war, legte mich quer und schlief sofort ein. Ich kann übrigens auch heute noch überall und in jeder Position schlafen …

Aufgewacht bin ich, als mir etwas auf die Stirn tropfte und mich ein atemberaubender Duft umgab, der wie ein Gas in der Luft schwebte – es war wie bei Edgar Allen Poe, fast unheimlich.

Des Rätsels Lösung: Um mich kichernde oder missmutig dreinschauende Bäuerinnen, die darauf warteten, dass ich mich aufsetze und ihnen Platz mache. Sie hatten über mir im Gepäcknetz Holzsteigen gelagert, voll mit Maiglöckchensträußen, die in nasses Zeitungspapier gewickelt waren. Die Frauen waren alle in weite, schwarze Röcke gekleidet und befanden sich auf dem Weg nach Paris, wo sie, zum 1. Mai, ihre Sträuße verkaufen wollten.

Und das taten sie dann auch: Ganz Paris duftete nach Maiglöckchen und an allen Ecken ertönte ein Lied: »Il est arrivé le temps des muguettes, il est arrivé le printemps. / Die Zeit der Maiglöckchen ist gekommen, die Zeit des Frühlings«, auf eine Melodie, die bei uns »Moskauer Nächte« hieß.

Ich fürchtete mich nicht vor Frankreich, immerhin hatte ich zehn Jahre lang Französisch in der Schule, kam also mit guten Kenntnissen nach Paris. Trotzdem habe ich anfangs gar nichts verstanden. Aber es ging ganz schnell, irgendwann plapperte ich drauflos und später hielten mich manche Franzosen für einen Einheimischen – nicht etwa für einen Elsässer, also die Gegend, aus der ich kam, sondern für einen Südfranzosen.

Heute kann ich leider nicht mehr so gut Französisch wie einst, nach 50 Jahren fehlt die Praxis. Schade, ich müsste wieder einmal für einige Zeit dorthin …

Gewohnt habe ich damals zunächst in einem kleinen Zimmer im letzten Stock eines Hotels, das die unteren Zimmer stundenweise vermietete. Das war in Paris ganz normal. Das Hotel lag in der Nähe der Porte de la chapelle und dort befand sich auch die Firma Henri Rüegg, transports internationaux, in der ich in meiner Pariser Zeit tätig sein sollte. Meine Arbeit und die anderer »Stagiaires« mit kaufmännischer Ausbildung bestand in dieser Firma hauptsächlich darin, Lastwagen mit Butterpaketen zu beladen, die für Saarbrücken bestimmt waren. Ich habe mir da einen Leistenbruch zugezogen.

Nach einiger Zeit übersiedelte ich gar nicht viel weiter in ein Maison meublée, also ein Haus mit einer kleinen möblierten Wohnung in der Rue Marcadet, auf der Rückseite des Montmartre.

Nun fühlte ich es erst so richtig: Ich war in Paris und hatte eine eigene Wohnung. Sturmfrei!



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