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Place du Tertre – Als Jack Lemmon meine Karikatur signierte …

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Ich wusste, dass ich ganz gut Menschen karikieren konnte. Das hatte ich schon während meiner Schulzeit bemerkt. Immer wenn mir ein Lehrer oder später ein Kollege im Büro auf die Nerven gegangen ist, habe ich ihn schnell karikiert und die Zeichnung dann meinen Freunden gezeigt. Wenn sie so richtig gelacht haben, dann wusste ich, ich hab’s getroffen.

In Paris gibt es den Place du Tertre, ganz oben am Montmartre, in der Nähe von Sacré Coeur, mit Bäumen, Gartenrestaurants und jeder Menge Maler und Zeichner, die versuchen, ihre Werke an den Mann oder die Frau zu bringen.


Place du Tertre, Paris. Hier habe ich für Touristen Karikaturen gezeichnet und einen »echten französischen Maler« gemimt.


Man muss doch zugeben: sehr französisch.

Ich beschloss, in Paris meine Zeichenkünste zu erproben und begab mich auf den Place du Tertre. Ich sah mit meinem Bart sehr französisch und künstlermäßig aus und gab mich nie als Deutscher zu erkennen.

Als Opfer wählte ich vor allem deutschsprachige Touristen aus, ob Schweizer, Österreicher oder Deutsche. Ich verkaufte meine Zeichnung schon, bevor sie noch existierte: Ich bot eine Karikatur an, verstand natürlich, was meine Kunden untereinander verhandelten, und konnte folglich gut reagieren. Einer aus der Gruppe radebrechte immer etwas Französisch und wenn nicht, verständigte man sich per Pantomime. Für mich war das wirklich ein großer Spaß.

Meist musste der Papi als Opfer herhalten, was mir sehr recht war, denn Männer sind leichter zu karikieren als Frauen oder, besser gesagt, ich wagte nicht, eine Frau so unschmeichelhaft darzustellen, wie es eine Karikatur verlangt, denn man will die Zeichnung ja verkaufen.

Wenn ich fertig war, zeigte ich das Blatt zuerst allen Umstehenden, dann gab es meist ein großes Gelächter, und Papi musste klarerweise kaufen.

Der Place du Tertre ist ein Ort, an den im Prinzip jeder Paris-Tourist einmal hinkommt, also auch die Prominenz. Damals drehte Billy Wilder gerade Irma la Douce, und einmal tauchte auch Hauptdarsteller Jack Lemmon bei uns auf. Ich zeichnete ihn einfach, als er vorüberging. Damals konnte ich ganz schnell, in einem Strich, das Profil eines Menschen festhalten. Und Jack Lemmon war ja sehr markant. Ich zeigte ihm die Zeichnung, er lachte und signierte sie. Ich habe sie an einem ganz sicheren Ort aufgehoben, mit dem Ergebnis, dass ich sie leider nicht mehr finde … Es ist ja auch mehr als ein halbes Jahrhundert her.

Ich habe damals ganz gut verdient und ging nie nach Hause, bevor ich nicht 200 Nouveaux Francs »gemacht« hatte. Meine Freunde am Place du Tertre wussten natürlich, dass ich Deutscher bin, für Touristen aber gab ich mich als Franzose aus.

Aber einmal habe ich mich doch als Deutschsprachiger zu erkennen gegeben, was mit meinem guten Ohr für Dialekte zu tun hat, die ich im Allgemeinen schnell orten kann. Aber diese Gruppe hatte einen wirklich merkwürdigen Dialekt – war das Elsässisch oder Süddeutsch? –, das interessierte mich.

»Verzeihen Sie bitte«, fragte ich eine ältere Dame, »woher kommen Sie genau? Was für einen Dialekt sprechen Sie?«

Sie lächelte mich an und sagte mit traurigen Augen: »Er fragt mich, welchen Dialekt wir sprechen …«

Es war Jiddisch.



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