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Kapitel 2 Die Zumutungen des Älterwerdens
ОглавлениеJung bleiben wir leider nicht auf Dauer und nicht von selbst. Wir sind, wie jedes Lebewesen, von der Evolution auf Verfall programmiert und unterliegen den Nachteilen des biologischen Alterns. Richtig alt werden bekanntlich nur die andern, aber spätestens nach der Midlifecrisis treten auch bei uns Haarausfall, Zahnverluste, Sehverschlechterung und Schwerhörigkeit auf, die jedoch durch Brille, Zahnersatz und Hörgeräte gut ausgleichbar sind. Noch können wir uns darüber lustig machen.
Bis es ernst wird und man das Altern richtig merkt, ist man heutzutage 75 oder 80. Früher waren es zehn bis 20 Jahre früher. Im Dritten Alter zwischen 60 und 80 lassen die körperlichen und geistigen Leistungen oft unbemerkt jedoch stetig oder in Schüben nach. Der Bewegungsapparat von Muskeln, Bändern und Gelenken verliert seine Elastizität und trocknet aus. Der Körper schrumpft, wir werden um Zentimeter kleiner. Die Muskeln werden schlaffer. Die Muskelmasse lässt schon ab 50 um ein bis zwei Prozent pro Jahr nach, ab 60 um drei Prozent. Kraft und Ausdauer nehmen dementsprechend ab. Ermüdung tritt früher ein und wird schnell zur Erschöpfung, die Erholung dauert länger. Die Herzleistung wird schwächer, der Körper bekommt weniger Sauerstoff. Man wird kurzatmig, die Gehstrecke wird kürzer, man muss stehenbleiben oder sich setzen. Die inneren Organe werden schlechter durchblutet und arbeiten langsamer, Blutzucker und Blutfette steigen an. Der Stoffwechsel wird träge, die Entgiftung verzögert sich. Arteriosklerose und Hochdruck machen sich bemerkbar.
Die Gehirnfunktionen lassen ebenfalls nach, die Leitgeschwindigkeit der Nerven verlangsamt sich. Das Uhrwerk des Körpers läuft nicht mehr reibungslos, es knirscht und stockt. Die Präzision geht verloren. Der Tastsinn und der Gleichgewichtssinn werden unsicher, die zentrale Steuerung und Koordination von Bewegungen gelingt nicht mehr recht, der Gang wird unbeholfen und schleppend, man verliert leicht die Balance und neigt zu Stürzen. Alles wird umständlich und langsam. Man kann nicht mehr zwei Dinge gleichzeitig tun, z. B. beim Gehen konzentriert nachdenken sondern bleibt stehen, wenn man nach etwas gefragt wird. Schuhe, Strümpfe, Mantel kann man schließlich nicht mehr ohne Hilfe anziehen, Kopf und Rumpf kann man nur noch gemeinsam drehen, man hat Mühe im Auto in den Rückspiegel zu schauen. Wir haben »lange Leitung« und werden vergesslich. Manche verändern sich auch als Person, werden schwierig oder depressiv.
Das alles führt zu Behinderungen, die früher oder später erst lästig und dann zur Zumutung werden. Im Vierten Alter, das bei den meisten über 75 oder 80 beginnt, tritt im Umgang mit dem Körper ein Machtwechsel ein, der Körper wird vom willigen Diener zum absoluten Herrn, der unsere Lebensführung bestimmt. Wir können nicht mehr einfach tun, was wir möchten, sondern nur noch das, was der Körper erlaubt. Die Witze vergehen einem, eher angebracht sind elegische Seufzer wie ›Ach wie bald, ach wie bald, schwinden Schönheit und Gestalt‹. Wir leiden unter all den Zumutungen des Alterns und reagieren darauf, und zwar oft falsch. Eine der folgenschwersten Fehlentscheidungen ist, Golf vorzeitig aufzugeben.
Genau besehen wird das Älterwerden bewirkt durch ein Stirb und Werde der Körperzellen, das schon mit der Geburt beginnt. Wir stellen uns den Körper zwar gern als etwas Festes vor, wie aus Stein oder Marmor, aber in Wirklichkeit gilt »Alles fließt« (Heraklit) auch für den Menschen. Wir sind zu 60–80 Prozent Wasser, ein unaufhörlich fließender Organismus. In jeder Sekunde haben unvorstellbar viele Körperzellen aller Organe ihre Aufgabe erfüllt, sterben ab, werden entsorgt und durch neue ersetzt. Das ist unsere Natur, aber es wird erst beim Älterwerden bemerkbar. In der Jugend überwiegt das Wachstum, aber schon ab dem dritten Jahrzehnt überwiegt bei bestimmten Organen der Untergang und immer mehr Funktionen gehen langsam aber sicher verloren. So liegt z. B. der Höhepunkt der Hormonproduktion bei Mitte zwanzig. Das menschliche Leben ist wie ein Tag, bei dem sich schon mittags mit der Midlifecrisis die Wende zum Alter ankündigt.