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4. Materiell-verfassungsrechtliche Anforderungen an Steuern

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Die Freiheitsrechte halten für Steuergesetze idR kaum Maßstäbe bereit. Für den Vermögensentzug als sog. klassischen Grundrechtseingriff ist zwar – je nach Sichtweise – Art. 14 Abs. 1 GG oder zumindest Art. 2 Abs. 1 GG tatbestandlich einschlägig, allerdings wird die Rechtfertigung des Eingriffs idR gelingen. Die Besteuerung ist idR verhältnismäßig.

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Verfolgen Steuergesetze allein einen Fiskalzweck, so ist – abgesehen vom Sonderfall der sog. Erdrosselungssteuer (Rn 218) – die Steuer stets geeignet und erforderlich, den legitimen Zweck der staatlichen Einnahmeerzielung zu fördern. Auch die Angemessenheit der Belastungshöhe wird kaum justitiablen Grenzen unterliegen. Nachdem das BVerfG ursprünglich den sog. Halbteilungsgrundsatz aus Art. 14 GG hergeleitet hatte und eine Höchstgrenze der steuerlichen Belastung bei der Hälfte des Sollertrags angenommen hatte[47], nimmt es eine unangemessene steuerliche Belastung jetzt erst deutlich später an, aber schon unterhalb der Schwelle der Erdrosselung.[48]

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Überschreiten Steuergesetze hinsichtlich der freiheitsbeschränkenden Verhaltenslenkung die Eingriffsschwelle und beeinflussen sie mittelbar-faktisch das Verhalten des Steuerpflichtigen durch die bloße „Androhung“ der Steuer, indem der potentielle Steuerpflichtige auf das besteuerte Verhalten verzichtet, so wird auch dieser Eingriff idR zu rechtfertigen sein.

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Zentrale Maßstabsnorm für Steuergesetze ist daher idR Art. 3 Abs. 1 GG. Dieser ist bereichsspezifisch anzuwenden: Bei der Findung des Steuergegenstands und der Gestaltung des Steuertarifs verfügt der Gesetzgeber über einen großen Gestaltungsspielraum. Die Bemessungsgrundlage muss er jedoch folgerichtig im Sinne der einmal getroffenen Belastungsentscheidung ausgestalten.[49]

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Im Übrigen dominiert das Leistungsfähigkeitsprinzip[50] die bereichsspezifische Anwendung des Gleichheitssatzes im Steuerrecht: Gleich Leistungsfähige sind bei gleicher Leistungsfähigkeit gleich zu besteuern, sofern nicht ein rechtfertigender Grund (insb Lenkungszwecke) die Ungleichbehandlung rechtfertigt; ungleich Leistungsfähige sind ihrer ungleichen Leistungsfähigkeit entsprechend ungleich zu behandeln.[51]

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Wo keine Leistungsfähigkeit besteht, dürfen jedenfalls direkte Steuern nicht zugreifen.[52] Aus diesem Grund muss das eigene und ggf das familiäre Existenzminimum einkommensteuerlich verschont werden. Es geht bei der materiellen Rechtfertigung der Steuern also nicht um Vorteilsausgleich oder Kostendeckung, sondern um Leistungsfähigkeit, nach der die voraussetzungslos erhobene Steuer zu bemessen ist.

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Lösung Fall 6 (Rn 211):

Die Klage ist gem. § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO begründet, wenn der angefochtene Bescheid rechtswidrig ist und H dadurch in seinen eigenen Rechten verletzt ist. Der Bescheid ist rechtswidrig, wenn die Satzung, auf der er beruht, ihrerseits rechtswidrig ist. Gem. Art. 105 Abs. 2a Satz 1 GG iVm der (verfassungskonformen) Delegation der Regelungskompetenz an die Gemeinden durch Art. 3 Abs. 1 BayKAG müsste es sich ua um eine örtliche Verbrauch- und Aufwandsteuer handeln. Fraglich ist hier, ob die Regelung zur Besteuerung der Kampfhunde überhaupt noch die Begriffsmerkmale der „Steuer“ erfüllt. Zweifelhaft ist hier das Merkmal der Einnahmeerzielungsabsicht seitens der Gemeinde G. Zwar schließt die Verfolgung von Lenkungszwecken die begriffliche Einordnung als Steuer nicht aus (vgl § 3 Abs. 1 AO). Eine erhöhte Steuer auf das Halten von Kampfhunden im Gemeindegebiet mit dem Ziel, deren Anzahl im Gemeindegebiet zu reduzieren, ist daher zulässig.[53] Die Grenze wird jedoch dort erreicht, wo ein Steuersatz dem einer Steuer begriffsnotwendig zukommenden Zweck der Einnahmeerzielung geradezu zuwiderläuft, indem die Norm darauf angelegt ist, das „besteuerte“ Verhalten praktisch unmöglich zu machen („zu erdrosseln“).[54] Es fehlt dann nach der Rspr des BVerwG bereits an der Regelungskompetenz.[55]

Für die Frage, ob eine solche erdrosselnde Wirkung vorliegt, kann nicht auf den individuellen Steuerpflichtigen abgestellt werden. Es kommt also nicht darauf an, ob eine Steuer die Leistungsfähigkeit überschreitet oder im Einzelfall eine außergewöhnlich hohe Steuer noch bezahlt und das besteuerte Verhalten beibehalten wird. Ob eine als Steuernorm bezeichnete Regelung einem faktischen Verbot eines Verhaltens gleichkommt, muss anhand von Indizien bestimmt werden. Das BVerwG nennt als gewichtige Indizien dafür, dass ein durchschnittlicher Steuerpflichtiger das besteuerte Verhalten nicht mehr wählen wird, die 26-fache Höhe des Normalsteuersatzes sowie die Tatsache, dass die Steuer den durchschnittlichen jährlichen Aufwand für das Halten eines Kampfhundes übersteigt. Andere Kriterien hält das BVerwG für die Ermittlung einer Erdrosselungswirkung im Bereich der Kampfhundebesteuerung für nicht aussagekräftig, insb (aufgrund der absolut gesehen geringen Bestandszahlen an Kampfhunden sowie der Unklarheit des Einflusses anderer Faktoren auf die Entscheidungsfindung) die Ermittlung der tatsächlichen Bestandszahlen der Kampfhunde im Gemeindegebiet vor und nach Steuererhöhung. Aufgrund des außergewöhnlichen hohen Steuersatzes, der zu einer den Haltungsaufwand für den Hund erheblich übersteigenden Steuerlast führt, ist die erdrosselnde Wirkung des § 2 der Hundesteuersatzung zu bejahen. Dass H konkret den Hund weiter hält und sein konkretes Verhalten somit nicht verbotsgleich unterbunden wurde, ist ohne Belang. Es fehlte also an der Regelungskompetenz der Gemeinde G. Ein Rückgriff auf Sachregelungskompetenzen für das Verbot kommt wegen des Grundsatzes der Normenwahrheit von vornherein nicht in Betracht.

Erster Teil Staatliche Ebene: Bund und Länder§ 4 Staatliche Einnahmen › IV. Vorzugslasten: Gebühr und Beitrag

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