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1. Zentrales Merkmal: Gegenleistungsbezug

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Von der Steuer unterscheiden sich Gebühren und Beiträge dadurch, dass letztere einen Gegenleistungsbezug aufweisen müssen. Steuern sind, wie das BVerfG in stRspr formuliert, öffentliche Abgaben, die als Gemeinlast ohne individuelle Gegenleistung (‚voraussetzungslos‘) zur Deckung des allgemeinen Finanzbedarfs eines öffentlichen Gemeinwesens erhoben werden.[56]

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Otto Mayer definierte als Zweck der Steuer noch die „Vermehrung der Staatseinkünfte“. Dies diente dem „Ausschluß von Geldstrafe und Kostenersatz und überhaupt von allen besonderen Zweckzusammenhängen.“[57] Otto Mayer sprach noch von Einkünften, also dem Überschuss der (staatlichen) Einnahmen über die (staatlichen) Ausgaben (vgl auch heute die steuerrechtliche Definition von Einkünften in § 2 Abs. 2 EStG). Handelt es sich um bloßen Kostenersatz, erzielt der Staat keinen Überschuss. Definiert § 3 Abs. 1 AO heute als Zweck der Steuer bloß die Erzielung von Einnahmen (nicht: Einkünften), bedarf es eines weiteren Merkmals, um die Vorzugslasten aus dem Steuerbegriff auszugrenzen.

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Das BVerfG geht zwar davon aus, dass es keinen eigenständigen vollständigen verfassungsrechtlichen Beitrags- oder Gebührenbegriff gebe.[58] „Voraussetzung“ der Erhebung von Vorzugslasten ist aber (in Abgrenzung zur Steuer), dass der Abgabenpflichtige eine individuell zurechenbare öffentliche Leistung erhalten hat bzw ihm die Möglichkeit der Inanspruchnahme einer öffentlichen Leistung oder Einrichtung eingeräumt wurde. Die Gebühr knüpft an die tatsächliche Inanspruchnahme einer öffentlichen Leistung oder Einrichtung, der Beitrag an deren potentielle Inanspruchnahme an.[59]

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Dementsprechend definiert das BVerfG Gebühren als öffentlich-rechtliche Geldleistungen, die aus Anlass individuell zurechenbarer Leistungen dem Gebührenschuldner durch eine öffentlich-rechtliche Norm oder sonstige hoheitliche Maßnahme auferlegt werden und dazu bestimmt sind, in Anknüpfung an diese Leistung deren Kosten ganz oder teilweise zu decken.[60]

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Beiträge werden hingegen schon für die potentielle Inanspruchnahme einer öffentlichen Einrichtung oder Leistung und deren potentiellen Nutzen[61] erhoben.[62] Soweit auch solche Abgabepflichtigen mit einem Beitrag belegt werden, die den angebotenen Vorteil nicht in Anspruch nehmen wollen, denen der Vorteil also „aufgedrängt“ wird, kommt es darauf an, ob deren zwangsweise Einbeziehung in den Kreis der potentiellen Nutzer gerechtfertigt werden kann.

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Dies ist etwa zu bejahen beim sog Semesterticket für die Befugnis aller Studierenden zur Benutzung der öffentlichen Verkehrsbetriebe[63] sowie beim öffentlich-rechtlichen Rundfunk. Der öffentlich-rechtliche Rundfunk darf aus Gründen der Rundfunkfreiheit (Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG) nicht unter Quotendruck und Druck wirtschaftlichen Erfolgs am Markt gesetzt werden, weshalb sein Bedarf unabhängig von der Zahl seiner Nutzer zu bestimmen und finanzieren ist.[64]

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Gebühren und Beiträge sind dem Grunde und der Höhe nach begrenzt durch den öffentlichen Aufwand.[65] Sie statten den Staat finanziell aus und setzen dabei im Abgabentatbestand bereits eine Ausgabeentscheidung voraus.[66] Das ist bei sog. Verwendungszwecksteuern gerade nicht der Fall: Als Steuern werden sie gegenleistungsunabhängig erhoben. Bei Steuern zieht der Verwendungszweck der Einnahmen der Höhe der Belastung keine Grenzen.[67]

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In diesem Sinne ist auch der neue Rundfunkbeitrag als Beitrag im finanzverfassungsrechtlichen Sinne zu qualifizieren: Seine Höhe wird bestimmt durch den Bedarf der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten. Dass eine unbestimmte Vielzahl von Bürgern (ggf sogar jeder Einwohner) zu dieser Abgabe herangezogen wird, führt nicht zur Einordnung als Gemeinlast, also Steuer.[68] Wenn und soweit jeweils dem Abgabepflichtigen ein Sondervorteil individuell-konkret zugerechnet werden kann, ist die Abgabe als Beitrag zu qualifizieren. Dies ist beim Rundfunkbeitrag der Fall, denn jeder, der objektiv öffentlich-rechtlichen Rundfunk empfangen kann, wird zu der Abgabe herangezogen. Dass der Abgabepflichtige die Möglichkeit der Nutzung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks nicht wahrnehmen will, spielt keine Rolle. Der Rundfunkbeitrag erfasst ausschließlich Personen, denen die Möglichkeit des Empfangs öffentlich-rechtlichen Rundfunks eingeräumt wird, und damit (potentiell) „Begünstigte“.

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Während es nach zutreffender Auffassung kein Steuererfindungsrecht des Gesetzgebers gibt, der Kanon der vom Grundgesetz in Art. 105 Abs. 1, 2 GG geregelten Steuern also abschließend ist (Rn 251 ff), ist für die nicht-steuerlichen Abgaben geklärt, dass es keinen Numerus clausus zulässiger Abgabetypen gibt.[69] Die Gesetzgebungskompetenz für nicht-steuerliche Abgaben und damit auch für Gebühren und Beiträge richtet sich nach den Sachgesetzgebungskompetenzen (Art. 70 ff GG).[70]

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Allein die Bezeichnung einer Abgabe durch den Gesetzgeber ist jedenfalls für deren Qualifikation nicht entscheidend; maßgeblich ist allein der jeweilige materielle Gehalt.[71] Konkretisierende Definitionen und Maßstäbe für die Bemessung von Gebühren und Beiträgen im Zuständigkeitsbereich der Länder finden sich häufig in den Kommunalabgabengesetzen der Länder (zB Art. 5–8 BayKAG, §§ 7–13 KAG RP).

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