Читать книгу Jugendgerichtsgesetz - Herbert Diemer - Страница 176
1. Bedeutung des Katalogs
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Die in Abs. 1 Satz 2 Nr. 1–9 normierten einzelnen Weisungen sind eine nicht abschließende gesetzliche Ausgestaltung von Satz 1. Sie bringen einmal das Verständnis des Gesetzgebers von zulässigen Weisungen zum Ausdruck, zum anderen handelt es sich dabei um eine gesetzliche Begrenzung des Ermessens. Der Richter ist zwar, wie das Wort „insbesondere“ zum Ausdruck bringt, auf den Katalog nicht beschränkt, hat ihn aber bei der pflichtgemäßen Ausübung des ihm gewährten Ermessens nicht nur vorrangig zu prüfen sondern auch dessen für Art und Eingriffsgehalt von Weisungen richtungweisenden Gehalt bei der Auswahl der von ihm erwogenen Weisungen zu berücksichtigen. Die unter den Nr. 1–9 näher geregelten Weisungen haben damit nicht nur Beispielsqualität im Sinne eines unverbindlichen Katalogs bisher möglicherweise bewährter Maßnahmen, der dem Richter das Herausfinden angemessener Weisungen erleichtern, ihm aber im Übrigen sein „weites Feld“ für „schöpferische Phantasie und erzieherische Befähigung“ belassen soll. Die Ausgestaltung des § 10 zeigt vielmehr, dass der Gesetzgeber gerade keine sozialtherapeutische Generalklausel schaffen wollte, im Rahmen derer der Zweck die Mittel heilige (so aber Schaffstein/Beulke/Swoboda Rn. 307). Die Gesetzmäßigkeit der Weisung steht vor der Zweckmäßigkeit, ist eine vorrangig zu prüfende Rechtsfrage (Bruns GA 1959, 193 ff., 227; vgl. auch Albrecht Jugendstrafrecht, S. 160). Die gesetzlich normierten Weisungen sind kraft ihrer expliziten Regelung zunächst einmal das, was als Rechtsfolge jugendlicher Straftaten bestimmt und vorhersehbar ist. Der Jugendliche muss sich darauf verlassen können, dass diese gesetzlich normierten Rechtsfolgen zunächst wenigstens geprüft werden, ihr Eintritt nicht dem subjektiven Befinden des jeweils zuständigen Richters überlassen bleibt, und er nicht zum Objekt pädagogischen Zweckmäßigkeitsdenkens wird. Das Gebot der Gesetzmäßigkeit staatlichen Handelns wie auch das rechtsstaatliche Gebot der Rechtssicherheit erfordern es daher, dass zunächst die Weisungen nach den § 10 Abs. 1 S. 3 Nr. 1–9 geprüft und erst dann darüber hinausgehende, nicht ausdrücklich gesetzlich geregelte Maßnahmen in Betracht gezogen werden, wenn es im konkreten Einzelfall geboten ist (a.A. Eisenberg § 10 Rn. 15). Darüber hinaus ist auch der Jugendrichter nicht befugt, Weisungen zu „erfinden“, die dem Charakter der in § 10 Abs. 1 S. 3 Nr. 1–9 geregelten Eingriffe zuwiderlaufen oder ihnen gar widersprechen. So wäre etwa eine Weisung, eine bisher innegehaltene Ausbildungs- oder Arbeitsstelle entgegen Nr. 3 aufzugeben, rechtswidrig (s. unter Rn. 31). Der Täter muss sich insbesondere auch darauf verlassen können, dass die richterlichen Weisungen im Ausmaß ihres Eingriffs nicht über das der Nr. 1–9 hinausgehen. Nur ein solchermaßen rechtlich begrenztes und überprüfbares Ermessen bewahrt den Jugendlichen vor dem Verlust seiner Stellung als Subjekt staatlicher Rechtspflege (so mit zutreffender Begründung schon Blau MDR 1958, 731 ff., 733 f.) und das jugendstrafrechtliche Judizieren vor dem Verlust an juristischer Substanz (Bruns GA 1959, 193 ff., 223).