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Rückblende II: Das ehemalige Gutsdorf in der DDR und seine Bewohner

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Mit der Einführung von Reiseerleichterungen nach dem Grundlagenvertrag ab 1972 konnten sich Adlige und Dorfbevölkerung wieder im Gutsdorf begegnen.[60] Für DDR-Bürger war es hingegen erst in den 1980er Jahren und nach aufwändigen Antragsverfahren möglich, ihre Verwandten in der Bundesrepublik zu treffen. Die Gutsbesitzer und ihre Nachfahren durften schon in den 1970er und 1980er Jahren wieder das Dorf besuchen, aus dem ihre Vorfahren vertrieben worden waren. Alle von mir interviewten Adligen berichteten in den Interviews über diese Besuche in der DDR. Die früheren Gutsdörfer hatten sich allerdings inzwischen grundlegend verändert. Durch die Bodenreform von 1945 waren kleine Parzellen des vormaligen Gutsbesitzes an landlose und landarme Bauern verteilt worden, die durchschnittlich fünf bis acht Hektar groß waren. Aus der Bodenreform war eine spezifische Eigentumsform hervorgegangen: Das zugeteilte Land durfte nicht verkauft, verpachtet oder verpfändet werden.[61] Mit dem Strukturwandel der Landumverteilung wurde das Ziel verfolgt, den Einfluss von KPD/SED im dörflichen Milieu zu erweitern. In den ersten Nachkriegsjahren gelang dies in den Dörfern jedoch nur mit eingeschränktem Erfolg.[62] Die ländliche Gesellschaft in der DDR-Nachkriegszeit war von traditionsbewussten Sozialmilieus geprägt, die sich gegenüber staatlichen Eingriffen tendenziell abschlossen.[63] Erst in den 1950er Jahren, als die kleinbäuerliche, private Landwirtschaft nach und nach von genossenschaftlich organisierten Wirtschaftsformen abgelöst wurde, konnte die SED in den ländlichen Regionen an Einfluss gewinnen. Bis 1960 wurde der Prozess der Kollektivierung auf massiven staatlichen Druck hin abgeschlossen. Diejenigen, die mit dieser neuen, zwangsweise implementierten Wirtschaftsform nicht einverstanden waren, konnten ihr Dorf bis zum Mauerbau im August 1961 über West-Berlin in die Bundesrepublik noch verlassen. Mit der zwangsweisen Kollektivierung waren dann alle zuvor selbständigen Bauern in Genossenschaften organisiert und bewirtschafteten die landwirtschaftlichen Flächen gemeinsam.[64] In dieser neuen Form einer industriellen Landwirtschaft, die sich von der traditionellen Gutsherrschaft und der kleinbäuerlichen Wirtschaftsweise der Nachkriegsjahre unterschied, waren während der DDR-Jahre die meisten Einwohner der Dörfer beschäftigt.

Auf dem Land kam es in den Jahren nach der Gründung der DDR zu einem langsamen Mentalitätenwandel. Mit der voranschreitenden Auflösung der traditionellen bäuerlichen Milieus schwand beispielsweise die Zugehörigkeit zur protestantischen Kirche. Auch der Konflikt zwischen der staatlich organisierten Jugendweihe und der protestantischen Institution der Konfirmation hatte in den 1950er und 1960er Jahren Auswirkungen auf das ländliche Leben: Die Menschen in den Dörfern mussten sich entscheiden, wie sehr sie sich dem staatlichen Druck beugen und die Jugendweihe vorziehen wollten oder ob sie ihren Kindern mit der Teilnahme an der Konfirmation möglicherweise Karriere- und Aufstiegswege im SED-Staat vorenthalten und verbauen würden.[65]

Alter Adel - neues Land?

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