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Historischer Hintergrund

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Bis zum Ende des Zweiten Weltkriegs 1945 befanden sich in Brandenburg die großen landwirtschaftlichen Güter (mit Acker- und Waldflächen von häufig über 1000 Hektar) im Besitz der jeweiligen Adelsfamilie, oftmals seit Jahrhunderten.[9] Als Folge der Bodenreformverordnung, die auf Initiative der KPD und der sowjetischen Besatzungsmacht in Brandenburg am 6. September 1945 in Kraft getreten war, bildeten sich in den Dörfern Bodenreformkommissionen, die das Land der Gutsbesitzer und Großbauern, die über 100 Hektar besaßen, an landlose und landarme Bauern verteilten.[10] Die Gutsgebäude gingen in die neugeschaffene Rechtsform des Volkseigentums über. In der ersten Zeit nach der Enteignung dienten sie häufig als Unterkünfte für die sogenannten Umsiedler, später dann als Altersheime, Schulen, Kindergärten oder landwirtschaftliche Betriebe. Ungefähr 420 Gutsbetriebe in adligem Besitz waren 1945 in Brandenburg enteignet worden.[11] Nach dem Ende der DDR und der Wiedervereinigung 1990 veränderten sich die Eigentumsverhältnisse in Ostdeutschland erneut. Etwa 30 bis 40 Adelsfamilien kehrten zwischen 1990 und 2010 nach Brandenburg zurück.[12] Die Nachfahren der enteigneten Gutsbesitzer kauften 1990 das Land und die Gebäude des ehemaligen Gutes aus staatlichem Besitz, denn die Enteignungen im Zeitraum zwischen 1945 und 1949 wurden nicht rückgängig gemacht.[13] Die Adelsfamilien sanierten die Gebäude, gründeten Unternehmen, engagierten sich in der Lokalpolitik und verhandelten mit der Dorfbevölkerung über die Verpachtung oder den Verkauf von Ackerflächen.[14] Schlösser, Kirchen, Friedhöfe, Parks, Felder und Wälder im ehemaligen Gutsdorf sind heute nicht nur private, sondern zumindest zum Teil auch öffentliche Räume.[15] Sie sind, wie die ehemalige Patronatskirche in Siebeneichen, immer auch Symbole einer standesspezifischen Familienerinnerung. In der Zeit der deutsch-deutschen Teilung waren sie für die Adelsfamilie mit dem Verlust ihres Gutes verknüpft. Die Gutsgebäude haben im Laufe der Zeit ihr Aussehen verändert. In ihrer Materialität weisen sie aber bis heute Spuren von Macht, Repräsentation und Reichtum auf. Sie zeugen von dem Willen der adligen Oberschicht, das Gutsdorf als Herrschaftsraum zu gestalten. Die Gutsanlagen mit ihrer repräsentativen Architektur befinden sich häufig im Zentrum der ehemaligen Gutsdörfer. Doch nicht nur für die Adelsfamilien, auch für die Dorfbewohner sind die Schlösser, Kirchen und Parks Bezugspunkte für die lokale Geschichte. Für beide Seiten verbinden sich damit Vorstellungen von Heimat und regionaler Zugehörigkeit.[16]

Alter Adel - neues Land?

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