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Forschungsgegenstand und Fragen

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Drei brandenburgische Gutsdörfer, in denen seit 1990 wieder die enteigneten Adelsfamilien von einst leben, sind Gegenstand der Fallstudien, auf denen diese Untersuchung basiert.[17] Hier verlief die Geschichte nach 1945 und 1990 ganz unterschiedlich: In Siebeneichen wurde das Schloss nach Kriegsende zerstört und nicht wieder aufgebaut. In Kuritz ist das ehemalige Schloss heute ein kulturelles Zentrum, das dem Landkreis gehört. In Bandenow lebt die zurückgekehrte Adelsfamilie wieder im Gutsgebäude. Nach dem Ende der DDR trafen die adligen Rückkehrer in den drei Dörfern auf drei unterschiedliche Konstellationen: der Abbruch der Adelsgeschichte nach 1945 in Siebeneichen, die Weiterführung der vom Adel begründeten landwirtschaftlichen Traditionen in Bandenow sowie die Umwidmung der Adelsgeschichte in eine lokale Geschichtserzählung in Kuritz. Diese Unterschiede im Umgang mit der lokalen Adelstradition sind der Grund für die Auswahl dieser spezifischen drei Dörfer. Siebeneichen, Bandenow und Kuritz gibt es jedoch auch zahlreiche Gemeinsamkeiten im Umgang mit der Gutsgeschichte und den Gebäuden des Gutes.

Im Zentrum der Untersuchung stehen die Rückkehr dieser Adelsfamilien nach Brandenburg und die Begegnung mit den Menschen im Dorf seit 1990. Beide Gruppen sind durch eine geteilte Vergangenheit bis zur Enteignung 1945 miteinander verbunden, waren aber die folgenden 40 Jahre lang voneinander getrennt. Im ehemaligen Gutsdorf wurden wie unter einem Brennglas spezifische Probleme und Dynamiken sichtbar, die seit 1990 überall im Osten Deutschlands auftraten. Selten trafen Ostdeutsche und Westdeutsche so direkt aufeinander wie in diesen ehemaligen brandenburgischen Gutsdörfern.

Inwiefern versuchten die Nachfahren der 1945 enteigneten Herrschaftselite nach 1990, also 45 Jahre nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs, an ihre Familiengeschichte anzuknüpfen? Nahmen sie dafür Umbauten an den ehemaligen Gutsanlagen vor? Wie und mit welchen Ergebnissen verhandelten sie mit der Dorfbevölkerung über die Neuordnung des Gutes, das sich nach Enteignung und Bodenreform nun wiederholt veränderte? Welche Konflikte ergaben sich aus dem Problem, unter den neuen Bedingungen einer demokratischen Gesellschaft Gebäude zu rekonstruieren, die in ihrer Materialität auf die traditionelle Gutsherrschaft verwiesen?[18] Wie sprechen beide Seiten rückblickend über diesen Transformationsprozess im ehemaligen Gutsdorf? Wie unterscheiden sich dabei die Erzählungen der im DDR-Sozialismus aufgewachsenen Bewohner der Dörfer von denen der bundesrepublikanisch sozialisierten Adligen, den Nachfahren der »Junker und Ausbeuter«, wie sie im SED-Propagandajargon abschätzig genannt wurden?[19] Welche Narrative über den Raum sind auf beiden Seiten mit dieser Rückkehr des Adels nach Brandenburg verbunden?

Alter Adel - neues Land?

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