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1. Einzelne Aussonderungsrechte
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Musterfall des Aussonderungsrechts ist das Eigentum an einer beweglichen Sache oder an einem Grundstück (§ 985 BGB). Auch Miteigentum berechtigt zur Aussonderung (an alle), z.B. wenn es durch Verbindung oder Vermischung (§§ 947, 948 BGB) entsteht.[13] Auch der (einfache) Eigentumsvorbehalt (§ 449 Abs. 1 BGB) gibt ein Aussonderungsrecht, wenn der Verkäufer aufgrund Zahlungsverzug vor Insolvenzeröffnung wirksam zurückgetreten ist (§ 323 BGB).
Beispiel
Die Müll-AG hat der MyTV GmbH im August 2014 eine Müllsortieranlage unter Eigentumsvorbehalt (§ 449 BGB) geliefert (zahlbar in 24 Monatsraten). Die MyTV GmbH hat die dritte und vierte Rate (Oktober, November 2014) nicht mehr bezahlt. Die Müll-AG setzt deshalb eine dreiwöchige Frist zur Zahlung der offenen Raten (§ 323 Abs. 1 BGB) und erklärt nach Verstreichen der Frist den Rücktritt vom Vertrag (§ 349 BGB). Damit ist das Besitzrecht der MyTV GmbH entfallen. Wird am 2.1.2015 das Insolvenzverfahren eröffnet, kann die Müll-AG die Herausgabe der Anlage vom Insolvenzverwalter verlangen (§ 985 BGB). Ihr steht ein Aussonderungsrecht nach § 47 InsO zu. Anders wäre der Fall zu beurteilen, wenn die MyTV GmbH die bisherigen vier Raten brav bezahlt hat und dann das Insolvenzverfahren eröffnet wird. Hier hat der Verwalter die Wahl (§ 103 InsO), ob er die weiteren 20 Raten zahlen und damit das Eigentum an der Müllsortieranlage erlangen möchte oder nicht. Er kann sich bis zum Berichtstermin (in der Regel drei Monate nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens) mit seiner Entscheidung Zeit lassen (§ 107 Abs. 2 S. 1 InsO). Lehnt er ab, kann die Müll-AG erst jetzt Aussonderung (§ 47 InsO) verlangen (Rn. 294).
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Weitere Aussonderungsrechte sind beschränkt dingliche Rechte (Nießbrauch, Erbbaurecht, Grunddienstbarkeit etc.) und dingliche Vorkaufsrechte.[14] Auch schuldrechtliche Herausgabeansprüche können Aussonderungsrechte begründen. Bloße Verschaffungsansprüche (z.B. Anspruch des Käufers auf Übereignung der Kaufsache § 433 Abs. 1 S. 1 BGB) reichen nicht. Dagegen kann der Verleiher die entliehene Sache aussondern (§ 604 BGB) oder der Besteller das dem Werkunternehmer überlassene Werk (§ 631 BGB). Auch bei Kommissionsgeschäften ist eine Aussonderung möglich (§ 392 Abs. 2 HGB). Ein Vermieter kann aussondern (§ 546 Abs. 1 BGB), aber erst wenn das Mietverhältnis beendet ist. Sogar die betriebliche Altersversorgung berechtigt in manchen Fällen zur Aussonderung. Räumt der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer ein unwiderrufliches Bezugsrecht aus dem Versicherungsvertrag (für die betriebliche Altersversorgung) ein, kann der Arbeitnehmer die Rechte aussondern.[15] Beim echten Factoring liegt ein normaler Forderungskauf vor, so dass der Factor zur Aussonderung seiner Forderungen berechtigt ist.[16] Treuhänderisch übertragene Rechte (z.B. Forderungseinzug an ein Inkassounternehmen) können im Insolvenzverfahren des Treuhänders vom Treugeber ausgesondert werden (egal ob eigennützige oder uneigennützige Treuhand).[17] Eine Mietkaution, die der Vermieter nach § 551 Abs. 3 BGB getrennt von seinem Vermögen anlegt, berechtigt den Mieter zur Aussonderung.[18] Vermischt der Vermieter die Gelder, ist der Mieter allerdings nur einfacher Insolvenzgläubiger (§ 38 InsO). Aussonderungsberechtigt sind die Inhaber eines geschützten Designs (§ 38 DesignG) sowie eines Markenrechts (§ 14 MarkenG). Wertguthaben der Arbeitnehmer aus Arbeitszeitflexibilisierungsmodellen sind ebenfalls geschützt (§ 7e Abs. 2 SGB IV).[19]