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b) Sicherungsübereignung, Sicherungsabtretung, verlängerter Eigentumsvorbehalt
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Im Regelfall versuchen Kreditgeber oder Warenlieferanten sich für ihre Forderungen am beweglichen Vermögen des Schuldners abzusichern. Da (fast) jedes Unternehmen Warenbestände, Lieferautos, Forderungen und Maschinen hat, ist die Absicherung relativ einfach möglich. Im Insolvenzfall sind daher die Absonderungsrechte am beweglichen Vermögen besonders wichtig. Dazu gehören nach § 51 Nr. 1 InsO die Sicherungsübereignung (§§ 929, 930 BGB) und die Sicherungsabtretung von Forderungen (§ 398 BGB). Nicht selten werden Kundenforderungen von Buchstabe A bis K an eine erste Bank und die Kundenforderungen von L bis Z an eine zweite Bank abgetreten. Auch die Globalzession (Abtretung aller gegenwärtigen und künftigen Forderungen des Unternehmens) kommt in der Praxis regelmäßig vor. Zu den Absonderungsrechten gehören auch die Sonderformen des Eigentumsvorbehalts. Dies betrifft zum einen den erweiterten Eigentumsvorbehalt, der die Bezahlung weiterer Forderungen aus der Geschäftsbeziehung einbezieht.[25] Außerdem zählen der verlängerte Eigentumsvorbehalt sowie der verlängerte Eigentumsvorbehalt mit Verarbeitungsklausel zu den Absonderungsrechten.[26] Diese sind in der Unternehmenspraxis (im produzierenden Gewerbe) besonders häufig vorzufinden. Bei der Verarbeitungsklausel behält sich der Verkäufer das Eigentum an der gelieferten Ware vor (§§ 929, 158 BGB), gestattet dem Käufer aber die Verarbeitung auf Grundlage einer Herstellerklausel. Damit erwirbt der Verkäufer originäres Eigentum an der neu hergestellten Sache (§ 950 BGB).[27] Arbeiten mehrere Zulieferer mit der Herstellerklausel, kommt es zu entsprechendem Miteigentum an der neuen Sache.[28] Beim verlängerten Eigentumsvorbehalt (mit Verarbeitungsklausel) gestattet der Verkäufer die Weiterveräußerung (§ 185 BGB) oder die Verarbeitung der Ware. Im Gegenzug lässt er sich die aus der Veräußerung resultierende Forderung abtreten (§ 398 BGB) oder/und vereinbart eine Herstellerklausel.[29] Denn beide Klauseln können kombiniert werden.
Beispiel
Die MyTV GmbH lässt sich für ihre Fernsehgeräteproduktion von Zulieferer Bruno Prozessoren unter verlängertem Eigentumsvorbehalt mit Verarbeitungsklausel liefern. Die MyTV GmbH darf die Prozessoren in ihre Fernsehgeräte einbauen, muss aber im Gegenzug 10 % des Verkaufspreises, den der Fachhandel für die Geräte bezahlt, an Bruno abtreten. Im Insolvenzverfahren der MyTV GmbH steht Bruno ein Recht auf abgesonderte Befriedigung an den Kaufpreisansprüchen (§ 51 Nr. 1 InsO) in Höhe von 10 % zu.
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Besonders gerne lassen sich Banken die oben genannten Sicherheiten einräumen, wie die Übereignung des Warenlagers (Raumsicherungsübereignung) oder die Globalzession (Abtretung aller Forderungen). Damit ein Absonderungsrecht tatsächlich besteht, muss die Sicherheit wirksam (!) bestellt worden sein. Juristisch gebildete Insolvenzverwalter werden daher primär untersuchen, ob der Absonderungsberechtigte die Sicherheit tatsächlich wirksam erlangt hat. Es gibt zahlreiche Gründe, die zur Unwirksamkeit führen. So wird der Verwalter prüfen, ob überhaupt wirksame Stellvertretung (§§ 164 ff. BGB) bei der Bestellung vorlag (z.B. Angestellter unterschreibt anstelle des Geschäftsführers der GmbH). Nichtig ist eine Sicherheit, wenn die Bestimmtheit oder Bestimmbarkeit fehlt, wie das häufig bei der Sicherungsübereignung des Warenlagers der Fall ist (z.B. beim Raumsicherungsvertrag wird der Raum nicht klar genug bezeichnet oder die erfassten Gegenstände können nicht genau individualisiert werden).[30] Ein weiterer Nichtigkeitsgrund ist die Kollision von Sicherungsrechten. Treffen ein verlängerter Eigentumsvorbehalt und eine Globalzession zusammen, weiß die Bank regelmäßig, dass die Lieferung bestimmter Produkte unter Eigentumsvorbehalt erfolgt und der Bankkunde damit einen Vertragsbruch begeht (§ 138 BGB). Die Praxis verwendet daher sog. Verzichtsklauseln, die eine Freigabe zugunsten der Lieferanten beinhaltet.[31] Ein anderer Nichtigkeitsgrund ist die Übersicherung (§ 138 BGB). Dieses Problem stellt sich vor allem bei den Globalsicherheiten (Globalzession, Übereignung des Warenlagers etc.). Eine Freigabe muss nicht extra im Vertrag stehen; eine angemessene Deckungsgrenze ergibt sich laut BGH inzident aus dem Sicherungsvertrag und beträgt 110 % der gesicherten Forderungen im Verhältnis zum realisierbaren Wert der Sicherheiten.[32] Ist die Sicherheit nicht wirksam bestellt, ist das gut für den Verwalter. Er kann das „Sicherungsgut“ behalten und für die Masse verwerten. Notfalls müssen die Absonderungsberechtigten ihre (vermeintlichen) Ansprüche einklagen oder Vergleiche mit dem Verwalter schließen.