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6. Zuständigkeitsvereinbarungen

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Die Gerichtsstände dienen vor allem dem Schutz des Beklagten. Daher sind abweichende Gerichtsstandsvereinbarungen durch (Prozess-)vertrag (= Prorogation) nur unter strengen Voraussetzungen (§§ 38, 40 ZPO) möglich. Gerichtsstandsvereinbarungen werden häufig „im Kleingedruckten“ (in Allgemeinen Geschäftsbedingungen) platziert und sind stets auf ihre Wirksamkeit in folgender Reihenfolge zu prüfen:

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Lesen Sie die zitierten Vorschriften aufmerksam durch. Sollten Sie den Kaufmannsbegriff nicht mehr parat haben, können Sie Einzelheiten im Skript „Handels- und Gesellschaftsrecht“ nachschlagen.

Gerichtsstandsvereinbarungen nach § 38 Abs. 1 ZPO sind nur unter Kaufleuten zulässig. Kläger und Beklagter müssen also Kaufleute sein. Der Kaufmannsbegriff ist in §§ 1, 2 und 6 HGB näher geregelt. Hier sind also HGB-Kenntnisse gefragt. Kaufmann ist, wer ein Handelsgewerbe nach § 1 Abs. 1 HGB betreibt (nach außen gerichtete Tätigkeit, auf Dauer, selbstständig, mit Gewinnerzielungsabsicht, kein Freiberufler nach § 1 Abs. 2 PartGG). Außerdem muss er sein Gewerbe nach § 1 Abs. 2 HGB „als Profi“ in kaufmännischer Weise (größere Mitarbeiterzahl, höherer Umsatz) ausüben. Dieser Kaufmann wird als sog. Ist-Kaufmann bezeichnet. Kaufmann ist aber auch der „Nicht-Profi“, wenn er im Handelsregister eingetragen ist (§ 2 HGB), der sog. Kann-Kaufmann. Kaufleute sind auch die Handelsgesellschaften nach § 6 HGB (z.B. OHG, KG, GmbH, AG).[60] In jedem Fall sind Gerichtsstandsvereinbarungen mit Verbrauchern (§ 13 BGB) mangels Kaufmannseigenschaft nach § 38 Abs. 1 ZPO nicht erlaubt und missbräuchlich. Dies hat das Gericht von Amts wegen zu prüfen.[61] Die örtliche Zuständigkeit durch rügelose Einlassung (§ 39 ZPO) kommt nur bei einem entsprechenden richterlichen Hinweis in Betracht.

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Unter Nichtkaufleuten sind Gerichtsstandsvereinbarungen nur unter den Voraussetzungen des § 38 Abs. 2, 3 ZPO zulässig.[62] Eine Gerichtsstandsvereinbarung ist nach § 38 Abs. 2 ZPO möglich, wenn mindestens einer der Vertragspartner keinen allgemeinen Gerichtsstand im Inland hat. Weitere Anforderungen ergeben sich aus S. 2 (Schriftform) und S. 3. Eine Gerichtsstandsvereinbarung nach § 38 Abs. 3 ZPO ist zulässig, wenn sie nach Entstehen der Streitigkeit ausdrücklich und schriftlich getroffen wurde, was in der Praxis höchst selten vorkommt. Gerichtsstandsvereinbarungen nach §§ 38 Abs. 2 und 3 ZPO können also auch von Verbrauchern getroffen werden.

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Schließlich muss sich jede nach § 38 ZPO zulässige Prorogation an den Grenzen des § 40 ZPO messen lassen. Eine Gerichtsstandsvereinbarung ist danach nur zulässig, wenn sie sich auf ein bestimmtes Rechtsverhältnis bezieht (§ 40 Abs. 1 ZPO). Sie ist stets unzulässig, wenn für die Klage ein ausschließlicher Gerichtsstand besteht (§ 40 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 ZPO). Ein ausschließlicher Gerichtsstand wäre etwa § 29c (AGV= Außerhalb von Geschäftsräumen geschlossene Verträge).

Beispiel

Linus, der Bruder von Mona, hat in Dresden eine 2-Zimmer-Wohnung von der „Wohnungsbaugesellschaft mbH“ (= W-GmbH) für fünf Jahre gemietet. Im Mietvertrag heißt es, dass für Streitigkeiten das AG Kiel zuständig ist (der Geschäftsführer der GmbH hat dort eine Ferienwohnung). Als Linus seine Miete zwei Monate hintereinander nicht bezahlt, beschließt die W-GmbH, Linus auf Zahlung und Räumung vor dem AG Kiel zu verklagen. Ist das Gericht sachlich und örtlich zuständig? Die sachliche Zuständigkeit richtet sich nach der Sonderzuweisung des § 23 Nr. 2a GVG. Für Streitigkeiten über Ansprüche aus einem Mietverhältnis über Wohnraum (Geschäftsräume fallen nicht darunter) ist das AG unabhängig vom Streitwert ausschließlich sachlich zuständig. Da es sich bei der 2-Zimmer-Wohnung um „Wohnraum“ handelt, ist das AG und nicht das LG erstinstanzlich zuständig. Zu prüfen bleibt, welches Gericht örtlich für den Rechtsstreit zuständig ist. Der allgemeine Gerichtsstand ist der Wohnort des Beklagten (§§ 12, 13 ZPO), so dass danach das AG Dresden örtlich zuständig wäre. Allerdings besteht nach § 29a Abs. 1 ZPO für Streitigkeiten aus Mietverhältnissen eine ausschließliche örtliche Zuständigkeit am Sitz der Mietsache. Das wäre hier ebenfalls Dresden. Nun wurde zwischen Linus und der W-GmbH eine Gerichtsstandsvereinbarung getroffen. Diese ist aber weder nach § 38 Abs. 1 ZPO zulässig (Linus ist kein Kaufmann) noch nach § 38 Abs. 3 ZPO (die Vereinbarung wurde nicht nach Entstehen der Streitigkeit getroffen). Außerdem ist nach § 40 Abs. 2 Nr. 2 ZPO eine Gerichtsstandsvereinbarung unzulässig, wenn ein ausschließlicher Gerichtsstand besteht. Das ist hier wegen § 29a ZPO (Sitz der Mietsache) der Fall. Somit ist das AG Dresden sachlich und örtlich für den Rechtsstreit zuständig. Seit 2013 sind Räumungsprozesse besonders zügig zu erledigen (§ 272 Abs. 4 ZPO) und das AG Dresden kann eine Sicherungsanordnung (§ 283a ZPO) aussprechen.

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