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c) Spezialzuweisungen

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Darüber hinaus gibt es Sonderzuweisungen in §§ 23 Nr. 2, 23a, 71 Abs. 2 GVG, die vorrangig gelten. Die Amtsgerichte sind beispielsweise in Familiensachen sachlich ausschließlich zuständig (§ 23a GVG) oder für Miet- und Wohnungseigentumsstreitigkeiten (§ 23 Nr. 2 GVG). Für die Landgerichte finden sich die Spezialzuweisungen in § 71 Abs. 2 GVG. So ist das LG beispielweise für Klagen aus Amtshaftung (Nr. 2), aus fehlerhaften Kapitalmarktinformationen (Nr. 3) und ab 1.1.2018 für Änderungsanordnungen des Bestellers beim Bauvertrag (Nr. 3 i.V.m. §§ 650b, 650c BGB) ausschließlich zuständig. Um eine höhere Spezialisierung bei den Landgerichten zu erreichen, werden ab 1.1.2018 Zivilkammern für bestimmte Sachgebiete (Bankrecht, Baurecht, Arztrecht, Versicherungsrecht) gebildet (§ 72a GVG).[37] Daneben existieren bei den Landgerichten Kammern für Handelssachen (§§ 93, 105 GVG), die mit einem Berufsrichter und zwei ehrenamtlichen Richtern besetzt sind, deren Bedeutung aber drastisch sinkt (50% weniger Eingangszahlen). Ganz ausnahmsweise ist das OLG (bzw. der BGH) das erstinstanzlich ausschließlich zuständige Gericht, soweit es um Entschädigungsansprüche wegen überlanger Verfahrensdauer oder Musterprozesse geht (§§ 118, 201 Abs. 1 GVG). Auch bei den Oberlandesgerichten wird auf Spezialisierung gesetzt. So gibt es die Kartellsenate (§ 91 GWB). Ab 1.1.2018 sind Zivilsenate für bestimmte Sachgebiete (Bankrecht, Baurecht, Arztrecht, Versicherungsrecht) einzurichten (§ 119a GVG).


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Ausgangsfall

Mona klagt auf Übereignung (Ersatzlieferung) 30 neuer Fliesen im Wert von 600 €. Zusätzlich verlangt sie Erstattung der Austauschkosten in Höhe von 2400 €. Die sachliche Zuständigkeit richtet sich hier nach dem Wert des Streitgegenstands (§§ 23 Nr. 1, 71 GVG). Für die Streitwertberechnung gelten die §§ 2 ff. ZPO. Danach ist der Wert der Hauptforderung entscheidend. Zinsen bleiben unberücksichtigt (§ 4 ZPO).[38] Mehrere Ansprüche (= objektive Klagehäufung § 260 ZPO) werden zusammen gerechnet (§ 5 ZPO). Dies gilt aber nicht für Klage und Widerklage. Im Fall von Mona ergibt die Addition einen Betrag von 3000 € (also unter 5000 €), so dass das AG für die Klage von Mona sachlich zuständig ist.

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Besondere Vorschriften befassen sich mit der Frage, welche Folgen eine Erhöhung oder eine Absenkung des Streitwerts während des Prozesses hat. Hat ein Kläger vor dem LG beispielsweise eine Klage über 10 000 € eingereicht und ermäßigt er die Klage im Laufe des Prozesses auf 4000 €, bleibt das LG nach § 261 Abs. 3 Nr. 2 ZPO zuständig (sog. perpetuatio fori). Im umgekehrten Fall (Klage auf 4000 € beim AG, dann Erhöhung auf 10 000 €) gilt die Spezialvorschrift des § 506 Abs. 1 ZPO. Hier sind drei verschiedene Varianten denkbar. Zum einen muss das AG an das LG verweisen, wenn eine Partei die Verweisung beantragt (§ 506 ZPO). Das LG als höheres Gericht wird sozusagen immer als „Top-Adresse“ angesehen. Wird ein Verweisungsantrag nicht gestellt und schweigt der Beklagte zur Unzuständigkeit, bleibt die Zuständigkeit des AG durch rügelose Einlassung bestehen (§ 39 ZPO). Beantragt der Beklagte wegen Unzuständigkeit des AG Klageabweisung und stellt der Kläger keinen Verweisungsantrag, muss das AG die Klage als unzulässig abweisen.

JURIQ-Klausurtipp

Die sachliche Zuständigkeit ist besonders examensrelevant. Die Abgrenzung zwischen der Zuständigkeit des Amts- und des Landgerichts muss beherrscht werden. Die Frage, ob bei einem Streitwert von exakt 5000 € noch das Amtsgericht zuständig ist, sollte man ebenfalls kennen. Gleiches gilt für die Zuständigkeitsvorschriften (§§ 261, 506 ZPO) bei Erhöhung oder Ermäßigung des Streitwerts während eines Prozesses (perpetuatio fori).

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