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7. Verhältnis § 8 Abs 2 Nr 2/§ 23 Nr 2
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In der Praxis häufig ist das Argument von Anmeldern, die Eintragung der angemeldeten Marke sei nicht zu versagen, da die ungehinderte Verwendung der beschreibenden Angabe durch § 23 Nr 2 gewährleistet sei. Indes haben 8 und 23 unterschiedliche Gesetzeszwecke. Der Schutzzweck der Eintragungsverbote nach § 8 Abs 2 Nr 2 und 3 geht über den der Vorschrift des § 23 Nr 2 MarkenG hinaus, der lediglich im Hinblick auf den Grundsatz des freien Warenverkehrs Beschränkungen in der Ausübung der Rechte aus eingetragenen Marken enthält (BPatG PAVIS PROMA 24 W (pat) 28/06 – Rapido). Indem der Gesetzgeber mit diesen Eintragungsverboten die Entstehung formaler Verbietungsrechte an freihaltungsbedürftigen Angaben ausgeschlossen hat, wollte er jede Behinderung des freien Gebrauchs solcher Angaben schon im Ansatz verhindern (vgl BPatGE 16, 181, 183 – franko; Ströbele NJW-Sonderheft 100 Jahre Markenverband, 78, 80). Deshalb lassen sich aus § 23 keine Anhaltspunkte für eine großzügige Eintragungspraxis herleiten (EuGH GRUR 1999, 723, 725 – Chiemsee; BPatG MarkenR 2005, 677 – Newcastle). Allerdings ist § 23 auch nicht ein Korrektiv gegen unberechtigte Eintragungen. Im Widerspruchs- oder Verletzungsverfahren besteht grds eine Bindung an die Markeneintragung (vgl im Einzelnen § 22 Rn 11 ff). Die Marke kann nur im Wege der Löschung nach § 50 Abs 1 beseitigt werden. Da § 23 im Widerspruchsverfahren keine Anwendung findet (BGH GRUR 1998, 930, 931 – Fläminger) und im Kollisionsverfahren ein Anspruch nach § 14 bei beschreibender Verwendung schon mangels markenmäßiger Benutzung scheitert, kann § 23 MarkenG insb für die Fälle Bedeutung haben, dass eine mit der älteren Marke ähnliche Bezeichnung markenmäßig, aber nicht in sittenwidriger Weise verwendet wird (EuGH GRUR 2004, 234, 235 – Gerolsteiner/Putsch auf Vorlage von BGH GRUR 2002, 613 – GERRI/KERRY Spring). Der Wortlaut des § 23 MarkenG verbietet eine Verwendung der für eine Kollision in Betracht kommenden Bezeichnung nur dann, wenn sie gegen die guten Sitten verstößt, dh wenn der Verletzer den berechtigten Interessen des Markeninhabers zuwiderhandelt (EuGH GRUR 2004, 234, 235 – Gerolsteiner/Putsch). IdR verstößt eine markenmäßige Verwendung allerdings gegen die guten Sitten (vgl BGH GRUR 2004, 600, 602 – d-c-fix/CD-FIX; Starck GRUR 1996, 688, 692). Auch die Verwendung einer an eine beschreibende Angabe angelehnten Bezeichnung, an der kein Freihaltungsbedürfnis besteht, kann gegen die guten Sitten verstoßen, vor allen Dingen dann, wenn sie nach Art einer Marke hervorgehoben ist (BGH GRUR 2004, 600, 602 – d-c-fix/CD-FIX), wenngleich eine Verwendung als Marke nicht zwingend allein deshalb gegeben ist, weil die beschreibende Angabe größenmäßig hervorgehoben ist (BGH GRUR 1999, 992, 994 – BIG PACK). Demgegenüber kann insb in Fällen einer gespaltenen Verkehrsauffassung, in denen ein erheblicher Teil der Verkehrskreise die Bezeichnung als Gattungsbegriff erkennt, ein anderer Teil aber eine Verbindung zu der älteren Marke herstellt, nicht eine Sittenwidrigkeit angenommen werden. Andernfalls liefe die Schutzschranke ins Leere (BGH GRUR 2009, 678, 680 – POST/RegioPost; EuGH GRUR 2007, 971 – Céline). Ein Verstoß gegen die guten Sitten ist insbesondere bei einem früheren Monopol der Markeninhaberin bzw der Rechtsvorgängerin zu verneinen (BGH WRP 2008, 1206 – CITY POST; BGH GRUR 2009, 678, 680 – POST/RegioPost). Letztlich besteht aber –faktisch– ein großer „Beurteilungsspielraum“ der Gerichte und ist das Risiko einer Berufung auf § 23 Nr 2 nicht zu unterschätzen (König Mitt 1998, 145, 147 in Anm zu BGH Mitt 1998, 143 – BONUS; BPatG GRUR 2005, 590, 591 – COLLECTION; vgl auch Ströbele GRUR 2001, 658, 660).