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e) Geographische Herkunftsangaben
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Wie bereits bei der Abgrenzung des aktuellen und zukünftigen Freihaltungsbedürfnisses ausgeführt, hat die Rspr zunächst das Tatbestandsmerkmal der geographischen Herkunftsangabe restriktiv zugunsten von Anmeldern angewendet. Nur bei einer Existenz einschlägiger Herstellungs-, Vertriebs- oder Leistungsunternehmen bzw ernsthaften Anhaltspunkten für eine derartige Entwicklung war ein Freihaltungsbedürfnis zu bejahen (BGH GRUR 1983, 768 – Capri-Sonne). Dieser Rspr ist durch die „Chiemsee“-Entsch des EuGH (MarkenR 1999, 189) nicht gänzlich die Grundlage entzogen worden. Denn auch hierin wird gefordert, dass die zuständige Behörde prüfen müsse, ob die fragliche Angabe einen Ort bezeichnet, der von den beteiligten Verkehrskreisen gegenwärtig mit der betr Warengruppe in Verbindung gebracht wird oder ob dies vernünftigerweise für die Zukunft zu erwarten ist (BGH GRUR 2003, 882, 883 – Lichtenstein; GRUR 2009, 994 – Vierlinden). Bei „Neuschwanstein“ hat der EuGH ein Freihaltungsbedürfnis verneint, da diese geografische Bezeichnung der Annahme entgegensteht, dass die Waren von diesem Ort stammen (EuGH GRUR 2018, 1146, 1149 – Neuschwanstein mit Anm Ruess GRUR 2018, 1150; vgl auch OLG München GRUR-RR 2018, 381 – NEUSCHWANSTEINER). Der Unterschied zu der bisherigen Rspr beschränkt sich vor allem darauf, dass ein Freihaltungsbedürfnis auch dann gegeben sein kann, wenn die Verbindung zwischen der Warengruppe und dem geographischen Ort nicht auf die dortige Existenz von Unternehmen, sondern auf anderen Anknüpfungspunkten beruht, zB dem Umstand, dass die Ware an dem betreffenden geographischen Ort entworfen worden ist, oder der Ortsname positiv besetzte Vorstellungen vermittelt. Damit hat der EuGH nicht schlechthin ein Freihaltungsbedürfnis an geographischen Herkunftsangaben bejaht, sondern wie bisher von bes Feststellungen abhängig gemacht. Zugleich hat das Gericht auch auf die Bekanntheit des Ortes abgestellt. Dies bedeutet indes nicht, dass wie nach bisheriger Rspr bei kleineren Städten oder Regionen ohne weiteres davon auszugehen sein wird, dass ein Freihaltungsbedürfnis nicht besteht (BPatGE 27, 219, 222 – Augusta). Vielmehr geht die Tendenz dahin, dass das Eintragungsverbot des § 8 Abs 2 Nr 2 nur überwunden werden kann, wenn die Ware oder Dienstleistung mit den Eigenschaften der als solcher erkennbaren Region vernünftigerweise nicht in Verbindung gebracht werden kann (Ullmann GRUR 1999, 666, 672; BPatG GRUR 2006, 509, 510 – PORTLAND). Die bloß theoretische Möglichkeit, dass in dem kleinen schwedischenOrt Lönneberga Unternehmen ansiedeln könnten, begründet kein Freihaltungsbedürfnis (BPatG GRUR 2015, 796 – Lönneberga). Es besteht eine grundsätzliche Vermutung dafür, dass an der geographischen Herkunftsangabe ein Freihaltungsbedürfnis für eine Vielzahl von Waren und Dienstleistungen ernsthaft in Betracht zu ziehen ist, was für Länder, Regionen, Städte oder sonst wirtschaftlich überdeutliche bedeutende Örtlichkeit der Fall ist (BGH GRUR 1994, 905, 907 – Schwarzwald-Sprudel; BPatG GRUR 2000, 149, 150 – WALLIS). Verfügt eine kleinere Stadt wie Lichtenstein in Sachsen mit etwa 15 000 Einwohnern über ein Gewerbegebiet und befinden sich bereits in der Umgebung einschlägige Betriebe, ist vernünftigerweise mit einer Entwicklung zu rechnen, die ein künftiges Interesse von Mitbewerbern an der Freihaltung der geografischen Angabe zu belegen vermag (BPatG GRUR 2001, 741, 743 – Lichtenstein; BGH GRUR 2003, 882, 883 – Lichtenstein, BPatG PAVIS PROMA 26 W (pat) 563/11 – Gagny, wonach ein künftiges Bedürfnis für eine freie Verwendung der geografischen Angabe zumindest unwahrscheinlich sein muss; BPatG PAVIS PROMA 33 W (pat) 62/10 – Kronenburg; vgl auch Hackbarth MarkenR 1999, 329, 330 f; Kurtz MarkenR 2006, 295, 297). Dass es mehrere Orte gleichen Namens gibt, die sich zur Unterscheidung uU eines Zusatzes bedienen müssen, lässt das Freihaltungsbedürfnis nicht entfallen (BPatG GRUR 2001, 741, 743 – Lichtenstein; GRUR 2005, 677, 678 – Newcastle; GRUR 2006, 509, 510 f – PORTLAND). Für „Weine“ hat der EuGH indes entschieden, dass „La Milla de Oro“ nicht schon in Alleinstellung, sondern erst nach Hinzufügung lokalisierender Zusätze auf eine bestimmte geografische Herkunft hinweist, so dass keine freihaltungsbedürftige Angabe gegeben ist. Allerdings kann die Marke aber andere Merkmale der Waren beschreiben, so dass die Waren von guter Qualität oder hohem Wert sind (EuGH GRUR 2017, 912 – Milla de Oro; Thiering GRUR 2018, 31). Die „Speicherstadt“ wird vernünftigerweise mit der Speicherstadt am Rande des Hamburger Hafens in Verbindung gebracht und ist daher schutzunfähig (BPatG MarkenR 2010, 342 – Speicherstadt). „LÜNEGAS“ wird für ua „elektrische Energie“ nur als Hinweis auf fossile Energie aus dem Raum Lüneburg angesehen (BPatG GRUR-RR 2018,349 Ls =BeckRS 2018, 7604 – Lünegas). „Bergfried“ verfügt über eine Universität und eine Textilindustrie und ist darüber hinaus bekannt für die dort hergestellte Speise „Natto“, eine Spezialität aus Sojabohnen, und ist deshalb freizuhalten (Kortge/Mittenberger-Huber GRUR 2017, 455). Ein Freihaltungsbedürfnis an der Bezeichnung „Lichtenauer Wellness“ besteht für „Mineralwässer aus Lichtenau“ demgegenüber nicht, wenn ausweislich der vorgelegten Nachweise nur eine von fünf gleichnamigen Städten eine Mineralwassserquelle hat; die bloß theoretische Möglichkeit, dass an den anderen Orten Mineralwasserquellen entdeckt werden könnten, reicht ebenso wenig zur Versagung der Eintragung wie die vage Möglichkeit, dass sich die Eigentums- und Besitzrechte an der Mineralwasserquelle verändern könnten (PAVIS PROMA – 26 W (pat) 20/04 – Lichtenauer Wellness; vgl Grabrucker/Fink GRUR 2007, 22267, 275). Dementsprechend ist auch der Name eines kleinen portugiesischen Orts zur Eintragung zugelassen worden, weil die Gesamtumstände dafür sprachen, dass ein künftiges Freihaltungsbedürfnis nicht gegeben ist (BPatG PAVIS PROMA 29 W (pat) 68/07 – Carcavelos; vgl auch SchweizBG GRURInt 2003, 1038 f). Ebenso ist St. Lucia zur Eintragung zugelassen worden (BPatG PAVIS PROMA 25 W (pat) 132/09). Bestehen zwischen der den Namen tragenden Gebietskörperschaft und der Anmelderin ausreichende gesellschaftsrechtliche Bindungen, ist ein Freihaltungsbedürfnis nicht gegeben (BPatG Mitt 2012, 563, 564 mit Anm Rapp S 565 – Stadtwerke Augsburg; vgl demgegenüber BPatG Mitt 2008, 476 Stadtwerke Bochum). Die Bezeichnug „Stadtwerke Bremen“ ist nicht freihaltungbedürftig und daher schutzfähig, weil ihr Aussagegehalt sich nicht in der Beschreibung von Grundversorgungsleistungen im Einzugsbereich der Stadt Bremen erschöpft (BGH GRUR 2017, 186 – Stadtwerke Bremen). Auch „Berliner Stadtwerke“ ist nicht freihaltungsbedürftig, weil private Anbieter sich aus Wettbewerbsgründen nicht „Stadtwerke“ nennen dürften (BPatG BeckRS 2018, 17384). Für schutzfähig angesehen wurden auch „Ruhr Universität Bochum“ und „Halle Münsterland“, weil der Verkehr schon daran gewöhnt sei, in dieser Form einen betrieblichen Herkunftshinweis vermittelt zu bekommen (BPatG GRUR-RR 2013, 210,211 – Ruhr Universität Bochum; BlPMZ 2009, 406 – Halle Münsterland). Nicht zur Eintragung zugelassen wurde DüsseldorfCongress (BPatG PAVIS PROMA 27 W (pat) 74/11). Selbstverständlich erstreckt sich das Eintragungsverbot an geographischen Angaben auch auf flächenmäßig und einwohnermäßig große Regionen wie „Sibirien“ (BPatG PAVIS PROMA 26 W (pat) 31/12).
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Auch bestimmte Plätze oder Straßen fallen unter das Eintragungsverbot (BPatG GRUR 2011, 918 – Stubengasse Münster). So ist „Brandenburger Tor“ nicht zur Eintragung zugelassen worden (BPatG PAVIS PROMA 27 W (pat) 248/09). Auch „Speicherstadt“ als Hinweis auf einen Teil von Hamburg ist zurückgewiesen worden (BPatG PAVIS PROMA 24 W (pat) 76/08). Freihaltungsbedürftige Ortsangabe können auch Namen bekannter Komplexe mit umgebendem Areal sein, wenn die Örtlichkeit als Vertriebsort für Waren bzw Erbringungsort für bestimmte Dienstleistungen in Betracht kommt (BPatG GRUR 2012, 838, 840 – Dortmunder U; vgl auch GRUR 2012, 272 – Rheinpark-Center Neuss). Bei „Neuschwanstein“ als Hinweis auf das Schloss ist das BPatG von fehlender Unterscheidungskraft ausgegangen; der BGH hat die Sache zur Prüfung eines Freihaltungsbedürfnisses insbesondere für „Transportdienstleistungen“ zurückgewiesen (BGH GRUR 2012, 1044, 1046 f). Der „Ulmer Münster“ kann nicht Herstellungs- oder Vertriebsort sein und ist daher eintragungsfähig (BPatG PAVIS PROMA 27 W (pat) 514/10; vgl auch 27 W (pat) 539/12 – Abbildung des Kölner Doms).
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Mittelbare Herkunftsangaben sind Bezeichnungen, die dem Verkehr als Hinweis auf bestimmte Regionen dienen können. So ist die Personenbezeichnung „Hans StichdenBuben“ geeignet, eine bestimmte, im Verkehr bekannte Weinlage zu beschreiben. Mit Rücksicht auf das Freihaltungsbedürfnis der übrigen Weinbauunternehmer ist eine Monopolisierung zugunsten eines Unternehmens nicht zulässig (BGH GRUR 2001, 73, 77 – Stich den Buben). Zu fernliegend ist allerdings die Annahme, der Verkehr werde in der allg gehaltenen Bezeichnung „Strong Europe“ eine geografische Angabe sehen (BPatG Mitt 2005, 380, 381 – STRONG EUROPE). Da indes ein rechtserheblicher Teil das ehemalige DDR-Staatswappen kennt, liegt hierin ein Hinweis auf die geographische Herkunft (BPatGE 50, 220 – DDR-Staatswappen).