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I. Allgemeines

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Fehlt der angemeldeten Marke die nach § 8 Abs 2 Nr 1 erforderliche Unterscheidungskraft oder besteht ein Freihaltungsbedürfnis iSv § 8 Abs 2 Nr 2, 3, ist eine Eintragung gleichwohl zulässig, wenn die Marke sich vor dem Zeitpunkt der Entsch über die Eintragung infolge ihrer Benutzung für die Waren oder Dienstleistungen, für die sie angemeldet worden ist, in mindestens 50 % der beteiligten Verkehrskreisen im Bundesgebiet (vgl zur Problematik von in der DDR angemeldeten, aber zum 3.10.1990 noch nicht eingetragenen Marken BPatG PAVIS PROMA – 29 W (pat) 44/03 – Guter Rat!; Grabrucker/Fink GRUR 2007, 267, 277) durchgesetzt hat. Bei Gemeinschaftsmarken ist eine Durchsetzung im gesamten Hoheitsgebiet der Union erforderlich (EuGH GRUR 2018, 1141 – KitKat 4 Finger). Der Durchsetzungsgrad von 50 % ist zwar die unterste Grenze für eine Verkehrsdurchsetzung (BGH GRUR 1990, 360 f – Apropos Film II), idR geben aber DPMA (RL Markenanmeldungen BlMZ 1995 378, 389) und das BPatG (BPatGE 28, 44, 49 – BUSINESS WEEK; Ströbele GRUR 2008, 569, 573) von diesem Wert aus. Eine Abhängigkeit vom Grad des Freihaltungsbedürfnisses besteht hierbei nicht (EuGH GRUR 1999, 723, 727 – Chiemsee). Allerdings kann ein Wort, eine Form etc so offensichtlich beschreibend oder eine geographische Angabe so bekannt sein, dass der Gedanke an eine Marke sehr fernliegt. In diesen Fällen ist ein höherer Durchsetzungsgrad, eine lange und intensive Benutzung erforderlich (EuGH GRURInt 1999, 727 – Chiemsee; vgl auch Hackbarth MarkenR 1999, 329, 332). Die Durchsetzung setzt voraus, dass der Verkehr mit dem Zeichen einen bestimmten Betrieb verbindet. Hierfür ist nicht erforderlich, dass der Verkehr den Namen des Herstellers oder Anbieters kennt, da es bekannte Markenartikel gibt, bei denen der Hersteller nur Branchenkennern bekannt ist (Eichmann GRUR 1999, 939, 945; vgl aber Ströbele GRUR 2008, 569, 571). Deshalb sind auch die Verkehrskreise zu berücksichtigen, die die Anmeldemarke einem bestimmten Unternehmen zuordnen, den Anmelder aber nicht benennen können. Nicht dem Anmelder zuzurechnen sind indes die befragten Verbraucher, die positiv ein anderes Unternehmen benennen (BPatG GRUR 2007, 324, 327 – Kinder (schwarz-rot); vgl auch BPatG PAVIS PROMA 25 W (pat) 92/04 – Melissengeist). Ein zusätzlicher Bildbestandteil kann dazu führen, dass der Durchsetzungsgrad geringer anzusetzen ist (BGH GRUR 2009, 954, 957 – Kinder III). Probleme ergeben sich, wenn ein Zeichen von mehreren Unternehmen benutzt wird, die nicht zusammengehören oder deren Zusammengehörigkeit der Verkehr nicht kennt. Dann werden die beteiligten Verkehrskreise idR keinen Anlass haben, die Marke lediglich einem einzigen Unternehmen zuzuordnen (BGH GRUR 1961, 347, 352 – Almglocke). Der Durchsetzungsgrad beträgt mindestens 50 % Bekanntheit in den beteiligten Verkehrskreisen (BGH GRUR 1990, 360, 361 – Apropos Film II; GRUR 2006, 760 – LOTTO mit Anm Rohnke GRUR 2006, 831; BPatG GRUR 2007, 324, 329 – Kinder (schwarz-rot); vgl allerdings BPatG GRUR 2007, 593 – Ristorante, wonach unter bestimmten engen Voraussetzungen dieser Mindestdurchsetzungsgrad von 50 % unterschritten werden darf). Bei einem hohen Freihaltungsbedürfnis kann auch ein höherer Durchsetzungsgrad erforderlich sein, um dem Interessen der Mitbewerber an einer ungehinderten Verwendung frei von Monopolrechten Rechnung zu tragen, was insb bei Formmarken – soweit nicht schon der Ausschlussgrund des § 3 Abs 2 eingreift – oder Farbzeichen sowie bekannten geografischen Herkunftsangaben der Fall sein wird (BGH GRUR 2004, 151, 153 – Farbmarkenverletzung I; GRUR 1997, 754, 755 – grau/magenta; Knaak GRUR 1995, 103, 109; BPatG PAVIS PROMA – 32 W (pat) 308/02 – Milchschnitte und 32 W (pat) 384/99 – Milchschnitte, wo ein Durchsetzungsgrad von 80 % erwogen worden war; dagegen BGH 2008, 510, 512, der einen Durchsetzungsgrad von 50 % der Milchschnitte für ausreichend hält; BGH GRUR 2003, 1040, 1044 – Kinder I, wo eine nahezu einhellige Bekanntheit gefordert wird; OLG Hamburg GRUR-RR 2005, 149, 152 – TNT Post Deutschland; Risthaus WRP 2006, 1299, 1306; aA Fezer WRP 2005, 1, 14). Deshalb ist der Auffassung des EuGH zu widersprechen, die Frage der Verkehrsdurchsetzung sei unabhängig vom Freihaltungsbedürfnis zu beurteilen (EuGH GRUR 1999, 723 – Chiemsee; vgl Kur GRURInt 2004, 755, 761 und Rohnke GRUR 2006, 831, 832). Ausnahmsweise kann eine Verkehrsdurchsetzung auch ohne demoskopisches Gutachten angenommen werden, wenn die Feststellung der Verkehrsdurchsetzung auf keine besonderen Schwierigkeiten stößt, nämlich weil die Bekanntheit gerichtsbekannt iSv § 291 ZPO ist (BPatG PAVIS PROMA 29 W (pat) 524/11 – Landlust).

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