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cc) Grundsatz der wirtschaftlichen Betrachtungsweise gemäß IFRS-Rahmenkonzept
ОглавлениеOrdelheide/Böckem kamen in einer Altauflage des Kommentars „Rechnungslegung nach International Financial Reporting Standards“ für den vorliegenden Sachverhalt gegen den angeführten IFRS-Wortlaut im Ergebnis dennoch zu einer Bejahung der phasengleichen Dividendenvereinnahmung.132 Dem schloss sich damals das IDW in seiner „Stellungnahme zur Rechnungslegung: Einzelfragen der Rechnungslegung nach IFRS“ (IDW RS HFA 2) an.133 Ordelheide/Böckem und ähnlich das IDW begründeten das Ergebnis mit der „die IAS beherrschenden wirtschaftlichen Betrachtungsweise“: Ein „eng ausgelegtes formalrechtliches Objektivierungskriterium vernachlässigt sich ergebene Inkonsistenzen zu anderen, in weitaus geringerem Maße objektivierten IAS-Grundsätzen zur Ertragsrealisierung“.134
Man muss hierbei freilich festhalten, dass es sich im eigentlichen Sinne nicht etwa um eine „Auslegung“ einer regelungsunscharfen Norm handelt, sondern um eine „teleologische Reduktion“135 des regelungsscharfen Wortlauts von IFRS 9 (bzw. des mittlerweile ersetzten IAS 18). Denn es ist unklar, ob man die allgemeinen, breiteren und einer Auslegung zugänglichen Umsatzerfassungskriterien des IFRS 15 tatsächlich über die Einzelregelung für Dividendenerträge stellen kann; in gewisser Weise spricht die innere Logik der IFRS dagegen, auch wenn in der jüngeren Vergangenheit die sog. „Prinzipienorientierung“ der IFRS betont wurde. Letztere entstammt aber weniger den Standards selbst; ihre Reichweite muss folglich sehr umstritten bleiben.136 Die von der Literatur angeführte wirtschaftliche Betrachtungsweise (eigentlich: „substance over form“) ist zwar im Rahmenkonzept verankert (RK.2.12), das Rahmenkonzept selbst stellt aber keinen IFRS dar und ist im Falle von Inkonsistenzen mit Einzelstandards stets nachrangig (RK.SP1.2); es wurde zudem nicht im Rahmen des IFRS-Endorsement in EU-Recht übernommen. Ob die wirtschaftliche Betrachtungsweise tatsächlich die IFRS insgesamt prägt, ist fraglich. Zumindest ist das Kriterium aber auch zu regelungsunscharf, um für den Fall eine klare Lösung, insbesondere eine solche gegen den Wortlaut, favorisieren zu lassen. Insofern ist es auch wenig überraschend, dass beide Literaturmeinungen zwischenzeitlich wieder zurückgenommen wurden, was vom IDW etwa mit der Ablehnung der phasengleichen Dividendenvereinnahmung „in der internationalen Diskussion“ begründet wird.137