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Kapitel 7

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„Unser Freund muss wohl gestern Nachrichten geschaut haben. Er hat uns eine wunderbare Überraschung hinterlassen. Sie ist wirklich, wirklich ansehnlich, keine Frage.“ Kommissarin Brigitte Köhler richtete sich von der Frauenleiche auf, die augenscheinlich schnell unter einen Haufen von Müllbergen geworfen wurde.

„Maaan, du hast mal wieder saumäßig gute Laune, was Gitti?“ Mit einem lähmenden Lächeln stand Kommissar Jonas Drewes hinter der rasch aufbrausenden Brünette, die ihn auch zugleich vernichtend ansah.

Ohne Umschweife meinte sie. „Das ist die Gesuchte. Ganz eindeutig Mia-Sophie Seidel, das Bild passt.“

„Scheint ganz eilig hier abgelegt worden zu sein. Irgendwie unprofessionell.“ Mit dem typischen Geräusch ließ Brigitte die Gummihandschuhe von ihren Händen rutschten. Eine ganz automatische Bewegung, die sie schon so oft gemacht hatte, dass sie instinktiv wurde. Sie war nun seit ganzen zwölf Jahren im Kommissariat, hatte wohl alles gesehen was man sehen konnte und hatte alles mitgemacht, was es mitzumachen gab. Deswegen hat sich ihr Charakter wohl auch zu dem entwickelt, der er nun war. Zu einer zynisch geprägten Realistin mit pessimistischen Zügen, die aber alles mit vollem Ehrgeiz anfasste und Aufgeben für ein absolutes Tabu hielt. Mit ihren vierundfünfzig Jahren war sie vermutlich ein altes Schaf im Geschäft, vor allem seitdem sie diesen Jungspund von Drewes als Partner bekommen hatte. Er war gerade mal fünfundzwanzig, war vor knapp sechs Monaten aus dem Norden Deutschlands hier runter gekommen – den Grund hat er auch nach fünf Monaten Zusammenarbeit noch nicht genannt – und seitdem hatte sie ihn an der Backe. Jedenfalls war es eine für sie neue Situation, denn einen solch jungen Partner hatte sie zuvor noch nie gehabt. Gut, dann hatte sie wohl doch noch nicht alles erlebt in ihrer Laufbahn. Dennoch sie war positiv überrascht von dieser Erfahrung. Auch wenn er noch blauäugig, unerfahren, impulsiv sein mochte, sie hatte es im Gefühl dieser Bursche hatte was auf dem Kasten und würde irgendwann mal ein guter, solider Ermittler werden.

Das wusste sie, weil er souverän mit der alten Schnalle, ihr, zu Recht kam ohne sich bei ihr unbeliebt zu machen oder seinen Witz zu verlieren. Das schätzte sie sehr an ihm.

„Womöglich mag unser Mörder keinen öffentlichen Ruhm und wollte sie ganz hastig loswerden.“ Meinte sie beiläufig und lugte abermals auf die Leiche. Die junge Frau Seidel war unverkennbar an den schwarzen lockigen Haaren, ihren vollen Lippen und den völlig aus dem Konzept fallenden grünen Augen zu erkennen. Genau wie auf dem Bild, dass sie vor zwei Tagen von den besorgten Eltern erhalten hatten. Wären da nicht diese gewissen Veränderungen: Wer auch immer ihr das angetan hat, er hatte Spaß daran gehabt mit einem Messer an ihr herumzuspielen.

Der Leichnam von der jungen Frau war vollkommen nackt und er war übersät von oberflächlichen wie auch tiefen Schnitten in die Haut. Die Todesursache war zwar noch nicht genau bestimmt, allerdings könnten die Würgemale auf Ersticken schließen. Die Abdrücke der Schnur, die zum Erwürgen benutzt worden war, waren sehr unregelmäßig, als ob ihr Folterer beim Verzieren ihres Körpers gestört worden war und er sich mehrmals überlegen musste es wirklich zu tun. Oder er hatte einfach Spaß daran die Todesangst in ihren Augen immer und immer wieder aufflackern zu sehen, wenn er ihr die Luft abschnürte.

„Das ist schon komisch, keinen ganzen Tag nachdem die Geschichte publik gemacht wurde taucht sie auf. Aber vielleicht steht er ja genau auf so etwas und findet es lustig ein Spiel mit uns zu spielen.“

„Sehr weit ausgeholt, aber im derzeitigen Stadium des Falles will ich nichts ausschleißen. Ich würde vorschlagen ihr ganzes Umfeld nun hinter diesem Hintergrund abzusuchen. Und wir sollten unsere Datenbank nach vergleichbaren Fällen befragen; ich kann mir nicht vorstellen, dass das alles so zufällig ist, wie es erscheinen soll.“ Bei Frauen sprach man oftmals von einer Art Intuition, gleichwie Instinkte, auf die sie sich verlassen konnte. Brigitte hatte im Laufe der Jahre gelernt ihrem ersten Gefühl Vertrauen zu schenken, dann würde sie es auch diesmal tun: Gottverdammt diese Leiche gefiel ihr ganz und gar nicht.

„Ich erwarte deinen Bericht so schnell wie möglich auf meinem Schreibtisch, verstanden Aumann?“ Der Gerichtsmediziner William Aumann sah nur ganz kurz von seiner Arbeit auf und brummte nur als Bestätigung. William Aumann war wohl mit der einzige Mann im Kommissariats – ausgeschlossen ihres Schützling natürlich – den sie leiden konnte, angesichts seiner Art nur das Nötigste zu sagen. Die meisten anderen waren aufgeblasene Arschlöcher, die zu jeder Zeit damit prahlten wie toll sie doch waren. Und da sie sich regelmäßig darüber aufregte war nun mal die alte Hexe im Kommissariat. Die gute alte Zeit war dahin, die Schönheit der Jugend verpufft und übrig geblieben war eine Frau, die ihren Alltag damit schmückte sich so etwas ansehen zu müssen.

Die beiden Kommissare hatten sich ein wenig von dem Getümmel entfernt, sodass Brigitte sich entfernt genug fühlte um einer ihrer Routinefragen zu stellen.

„Was hältst du hiervon?“

„Die Wunden scheinen mir unterschiedlich alt zu sein, einige waren schon dabei zu heilen. Ich denke, dass sie die ganze Zeit über, die sie verschwunden war, gefoltert wurde.“

Brigitte überlegte kurz; sie konnte sich selbstverständlich vorstellen, dass es diesem Kerl nur darum ging eine Frau leiden zu sehen, aber normalerweise waren solche Mörder vorsichtiger; sie gingen sorgenvoller mit ihren Objekten um. Das war es ein Objekt!

„Wie ein Experiment.“ Sprach sie stur geradeaus und blinzelte ein paar Mal, als sie bemerkte, dass Jonas sie verdutzt ansah.

„Sieh mich nicht wie eine verschreckte Katze an. Diese Theorie ist zwar auch weit ausgeholt aber mein Gott, was soll’s.“

„Experiment?“ Fragte er nur, diesmal mit seinem typischen Pokerface, was sie gar nicht ausstehen konnte.

„Vergiss es, Kumpel. Machen wir unsere Arbeit und stellen keine irrsinnigen Theorien mehr auf.“

Jonas wartete kurz, dann lief er ihr hinterher und meinte beiläufig zu seiner Partnerin. „Wenn etwas schief geht, dann werden die Versuchsobjekte gerne einfach auf den Müll geworfen.“

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