Читать книгу Menschlich - Jonah Zorn - Страница 22
Kapitel 18
Оглавление„Denkst du die da oben kommen noch zu einer recht effektiven Lösung?“
„Nein.“ Antwortete Lauren ausdruckslos und bog in diesem Augenblick um die Ecke, bei der sie gerade eben noch fast zusammengestoßen waren. „Ich weiß auch nicht, was diese ganze Aktion sollte.“ Erklärte sie weiter auf dem Weg zu Rubys Wagen. Die Treppen hinunter zum Parkplatz haben sie sich dazu entschlossen, dass Lauren den Schultag sausen lassen durfte und sie sich ausnahmsweise einen netten Tag zusammen machen wollten. Da der Aufruf zu dieser sinnlosen Versammlung Rubys Planung sowieso bereits vollkommen durcheinander gebracht hatte, hatte sie spontan jegliche Arbeiten, die sie heute eigentlich noch erledigen wollte, auf Eis gelegt. Sie war der Meinung Lauren und sie selber hatte diese Auszeit mehr als verdient.
„Ich denke viele von ihnen verstehen selber nicht, was da geschehen ist und versuchen auf diese Weise damit umzugehen.“
„Vielleicht ist es besser den Kindern den Freiraum zu lassen eine eigene Methode zu finden, wie sie damit umgehen wollen. Hat da schon mal jemand drüber nachgedacht?“
„Ist Wegrennen denn eine gute Methode?“ Kurz vor Rubys Auto blieb das Mädchen abrupt stehen und verschränkte die Arme. „Halt die Klappe Ruby. Du hast doch keine Ahnung und dein Sarkasmus hilft dir auch nicht dabei.“
„Es tut mir leid. Möchtest du denn mit mir darüber sprechen?“ Die Fünfzehnjährige schien lange nachzudenken, verdrehte letztendlich jedoch nur die Augen. „Darüber sprechen, immer höre ich nur, dass jemand mit mir darüber sprechen will. Denkt eigentlich jeder, dass darüber sprechen alles aus der Welt schafft?“ Zusätzlich begann sie mit den Zähnen zu knirschen.
Grübelnd begutachtete Ruby Lauren, die mit Sicherheit stark war, aber war sie wirklich so stark, wie sie sich gab? Sollte sie sie ziehen lassen oder doch lieber weiter darauf herumkauen? Um diese Entscheidung zu treffen, überlegte sie sich wie sie selber handeln würde. Vermutlich würde sie zu ihrer Vertrauensperson gehen und das war ganz eindeutig ihre Schwester. Sofort dachte sie an die Nacht bei Lex zurück in der sie das erste Mal von Mia-Sophies Verschwinden erfahren hatte; sie konnte nicht mit Lexie über ihre Gedanken sprechen, weil sie geschlafen hatte, sie hatte gar nicht lange darüber nachgedacht, sondern hatte die erst beste Zuflucht gesucht, indem sie sich an sie geschmiegt hatte und drauf los geflüstert hatte. Morgens war es ihr peinlich gewesen, aber etwas anderes hätte ihr in dieser Nacht nicht geholfen.
Okay, hier und jetzt würde sie nicht nachlassen. Deswegen meinte sie, als sie sich zu Lauren ins Auto setzte. „Es schafft nicht alles aus der Welt, aber es befreit den eigenen Geist. Wenn man mit jemanden, dem man vertrauen kann, über Ängste und Wünsche spricht, dann kann man sich sicher sein, dass es auf offene Ohren trifft.“
„Willst du nicht einfach den Motor starten?“
„Nö, nicht bevor du mir sagst, was in dir vorgeht.“ Machtdemonstrierend steckte Ruby die Autoschlüssel ins Zündschloss, drehte ihn jedoch nicht, sondern ließ sich in den Sitz zurückfallen.
„Verarsch mich nicht Ruby.“ Sie reagierte auf Laurens tief gerunzelte Stirn nur mit einem herausfordernden Augenbrauenheben. „Fahr jetzt.“ Forderte sie danach knurrend, doch Ruby regte sich nicht. „Das ist mir zu blöd, du Dickkopf!“
„Du sagst es, dickköpfig. Ich werde den längeren Atem haben, keine Sorge.“
„Fick dich doch einfach.“ Freilich hatten die beiden einen fast gleich trotzigen Charakter, was die verstreichenden Minuten mehr als deutlich zeigten. Dennoch irgendwann musste eine aufgeben und das war nicht die, die hier und jetzt am längeren Hebel saß.
„Okay, in Ordnung, wie du willst.“ Rubys Zähne blitzen deutlich hervor, als sie breit grinste; dieses Mal hatte sie gewonnen. „Wenn du mir versprichst loszufahren, dann werde ich mit dir über meine tiefsten Gefühle sprechen.“
„Nein.“
„Wie nein? Natürlich!“
„Nein, weil du es nicht ernst meinst.“
„Boah, ich werde noch wahnsinnig.“ Lauren schnaubte verächtlich, worauf ihre ‚Schwester’ nur lauthals begann zu lachen. „Sprich dich aus, Kind.“
„Du weißt doch nichts.“
„Nö, wie auch.“
„Wenn du so weitermachst werde ich nichts mehr sagen.“
„Sollen wir wieder von vorne anfangen?“
„Selber schuld!“
„Um Himmels Willen, so stur kannst nicht einmal du sein. Ich sollte dich zum Teufel schicken.“
„Wenn du das sagst, bedeutet mir das sogar etwas.“
„Gottloses Kind!“
„Oh, habe ich jetzt deinen Glauben beleidigt? Tut mir wirklich leid.“ Ruby stammte aus einer streng katholischen Familie. Jedes der Cavillo Kinder musste früher zu jeglichen Anlässen, Feiertagen und natürlich jeden Sonntag in die Kirche. Tischgebete sowie das abendliche Gebet am Bett waren Pflicht. Keine Frage, dass alle die Kommunion bestanden haben und die darauf folgende Firmung durchlaufen hatten. Niemand durfte fluchen und als die Geschwister noch zuhause gewohnt hatten, hatte ihre Mutter sie gezwungen die Bibel zu lesen. Und heutzutage terrorisierte sie ihre Sprösslinge noch damit immerzu an ihre katholischen Wurzeln zu denken und ja ihren Schöpfer zu huldigen, denn er schützte sie in jeder Situation. Ruby höchst persönlich bekam noch immer den ‚Rat’ – eher das Gebot – endlich einen ebenso katholisch erzogenen Spanier zu finden, mit dem sie dann eine riesengroße, prächtige, kirchliche Hochzeit haben würde.
Sie hatte sich mit Vollendung ihrer Volljährigkeit geschworen ihrer Mutter diesen Wunsch niemals zu erfüllen. Vielmehr würde sie alles daransetzen mit ihrem selbst ausgesuchten Mann durchzubrennen und irgendwo zu wohnen, wo ihre Mutter sie nicht wieder finden würde.
Trotzdem der Glaube an Gott und ihre Religion, auch wenn er ihr manchmal auf eine harte Weise eingebläut wurde, war ihr sehr wichtig und diesen zu schänden war eine Sünde.
Auf der Stelle spürte sie wie der anfängliche Spaß dieser Lage verflog und der Ärger in ihr aufflammte. So schnell konnte sich der Sieg in eine Niederlage verändern. Lauren sollte es besser nicht zu weit treiben und das riet sie ihr auch sogleich.
„Du denkst immer noch ich hätte Angst vor dir und du könntest die Rolle meiner Mutter übernehmen? Nicht nur, dass das völlig lächerlich ist, selbst wenn du meine Mutter wärest würde ich dich nicht ernst nehmen.“
„Ach wirklich?“
„Ja du hast schon richtig gehört.“
„Was machst du dann hier, Lauren? Sag es mir!“ Rubys Stimme war lauter geworden und nachdem sie den Motor wie wild gestartet hatte, umklammerte sie das Lenkrad so stark, dass ihre Fingerknöchel hervortraten. Damit hatte das Mädchen nicht gerechnet und sie verlor ihre Aufmüpfigkeit in kleinen Schritten. „Weil…du weißt doch…“
Ruby ließ sie erst gar nicht aussprechen. „Ich kann dir sagen warum ich bei dieser Scheiße mitmache! Weil meine Mutter mich ohne mich zu fragen hier angemeldet hat. Deswegen bin ich hier und sonst wegen nichts. Und jetzt raus hier.“
Starr blickte Lauren ihre völlig aufgebrachte ‚Schwester’ an und kämpfte bitter einen Kloß in ihrem Hals nieder. „Aber…“
„Nichts aber, Lauren. Ich will dich nicht mehr sehen. Es reicht mir.“ Hart rückte sie den Rückwärtsgang ein, wobei sie mehr als energisch mit dem Finger nach draußen deutete. Dabei bemerkte sie, wie sehr ihr Schützling mit den Tränen kämpfte. Auf Anhieb entspannte sie sich und meinte in einem ruhigeren Tonfall. „Ich kann ja verstehen wenn es im Moment schwer ist und, dass du es überhaupt nicht einfach hast, aber du kannst das alles nicht für selbstverständlich halten. Wenn ich dir helfen soll, dann musst du dir auch helfen lassen.“ Sie wollte versöhnlich Laurens Arm berühren, aber diese hatte den Kampf gegen die Tränen aufgegeben und wehrte sie ab. „Ich sehe auch ein, dass ich das nicht perfekt mache, aber ich gebe mir zumindest Mühe. Und das erwarte ich von dir auch.“ Ob Lauren jene Worte überhaupt mitbekommen hatte war fraglich, denn unverhofft riss sie die Beifahrertür auf, ließ sie sperrangelweit auf und lief davon.
„Verdammter Mist!“ Ruby fühlte sich auf der Stelle verantwortlich und schlecht und vollkommen dämlich, blind, naiv, absolut egoistisch, worauf sie hastig das Fenster herunterkurbelte und Lauren hinterher rief. Doch statt, dass das davon stampfende Mädchen stehen blieb, lief sie beinahe Kommissar Jonas Drewes, der urplötzlich aufgetaucht war, in die Arme. Wunderbar, dachte sich Ruby und machte sich daran auszusteigen, er würde sie schon aufhalten. Allerdings löste der Besuch des Kommissars die genau gegensätzliche Reaktion bei dem Mädchen aus. Bevor Ruby auch gar aus ihrem Wagen gekommen war, rannte Lauren in Windeseile über den Parkplatz, bloß weg von allen. Sowohl Ruby als auch Kommissar Drewes konnten dem Mädchen nur baff hinter her schauen. Und als der Polizist sich dann noch zu ihr umdrehte, auf sie zukam, da schwebte Ruby keine angenehme Kommunikation vor.