Читать книгу Menschlich - Jonah Zorn - Страница 23
Kapitel 19
ОглавлениеIhr Herz pochte wie wild, als Kommissar Jonas Drewes mit festen Schritten direkt auf sie zukam. Gott, was war los mit ihr? Sie konnte perfekt lügen ohne mit der Wimper zu zucken, weswegen pochte ihr Herz so stark, dass es sogar noch auf hundert Metern zu hören war. Nicht du bist weggerannt, sondern Lauren, sagte sie sich selber, doch ihre innere Stimme holte sie sofort auf den Boden der Tatsachen zurück; sie war im Grunde für dieses Kind verantwortlich.
Auf den letzten drei Metern zu ihr legte Jonas ein Lächeln auf, das so makellos war, wie noch kein anderes, das sie je gesehen hatte. Er musste aus einer wohlhabenden Familie stammen, denn seine Zähne waren tadellos gerichtet worden und den Anstand sie zu pflegen besaß er auch. Verdammt er wirkte allein durch dieses raue Grinsen anziehend auf sie.
Deswegen das Herzrasen! Ruby reiß dich bloß zusammen, das ist doch utopisch!
„Frau Cavillo, haben Sie das gerade eben gesehen?“ Fragte er auf der Stelle, wobei er seine großen Hände hinter seinem Rücken verschränkte und so seine Waffe unübersehbar für sie wurde. Eilig versuchte sie ein sicheres Lächeln aufzulegen, es war jedoch eher ein schiefes, unsicheres Grinsen. „Ja leider.“
„Das war Lauren Winkler, Ihr ‚Schützling’, nicht wahr?“
„Das stimmt, ja.“
„Warum war sie so aufgebracht?“
Kurzerhand entschloss sie sich, dass Lügen hier unangebracht war. Es war nicht so dramatisch, als dass weder Lauren noch sie Ärger bekommen würden. Dachte sie zumindest.
„Ein kleiner Streit, nicht mehr.“
„Ein kleiner Streit, ach so. Sie sah nämlich gewaltig aufgelöst auf, hat geweint und ist ganz überstürzt vor mir weggerannt. Worum ging es denn?“
„Sie kennen das doch bestimmt, diese banalen Dinge, die sich dann zu etwas Schlimmeren hochschaukeln. Zum Beispiel wenn Beleidigungen dazu kommen.“
„Hört sich ja nicht nett an. Sie scheinen aber besser mit Beleidigungen umgehen zu können.“
„Was wollen Sie damit sagen?“
„Weder weinen Sie noch rennen Sie vor mir davon. Sagen Sie mir, wieso.“
Ihr schiefes Grinsen war in der Zwischenzeit sowieso bereits ansatzweise verflogen, jetzt verschwanden noch die restlichen Überreste davon.
„Machen Sie mir ruhig so viele Vorwürfe wie Sie wollen. Dieses Mädchen hat es faustdick hinter den Ohren.“
„Ich mache Ihnen doch keine Vorwürfe, niemals würde ich mich in derlei Angelegenheiten einmischen.“ Ruby verzog darauf nur die Lippen und versuchte das Thema zu wechseln. „Was machen Sie hier?“
Verdutzt blickte er sie an. „Bin ich nicht eigentlich der, der die Fragen stellt?“ Dieses Mal zuckte sie nur mit den Schultern. „In Ordnung, Sie haben mich überzeugt.“ Wieder blitzten seine Zähne auf, als ob ihn diese Unterhaltung ziemlich amüsierte. „Obwohl, ich darf Ihnen solch vertrauliche Informationen überhaupt nicht preisgeben.“
„Sind Sie ja witzig. Tut mir leid, dafür habe ich keine Zeit und auch keine Nerven.“ Sie wollte sich gerade umdrehen, um wieder ins Auto zu steigen. Es gab Wichtigeres, was sie nun zu tun hatte; sie hatte das tiefe Bedürfnis sich mit Lauren zu versöhnen – sie wollte es zwar nicht zugeben, dass er sie dazu gebracht hatte, aber es war so.
„Gut, offiziell soll ich noch mal alle Mitglieder befragen. Und da Sie gerade hier sind werde ich mit Ihnen beginnen.“ Sein Stimmenwechseln von freundlich zu dienstlichem Ernst ließ sie in ihrer Bewegung innehalten.
„Sie haben doch bereits mit mir gesprochen.“
Er ging nicht darauf ein, sondern begann augenblicklich. „Was hat es mit dieser Versammlung auf sich?“
„Woher wissen Sie davon?“
„Beantworten Sie bitte einfach die Frage.“
Sie zögerte kurz. „Es ist nur eine Besprechung, wie die Gruppe mit dieser Situation umgehen soll.“
„Logisch. Was glauben Sie, warum die Kinder dabei sein sollen?“
„Da überfragen Sie mich aber wirklich.“
„Was Sie diesbezüglich denken, nicht was Sie nicht zu wissen meinen. Ihre eigene Meinung.“
Wieder verharrte sie einige Sekunden. „Die Geschädigten sind doch die Kinder. Sie haben in ihrem Leben schon genug Leid erfahren müssen, dann muss ihnen irgendwie geholfen werden, besonders wenn aufgrund dieses grausamen Mordes auch noch ihre letzte Zuflucht beginnt zu wackeln. Können Sie das nachvollziehen?“
Wie aus heiterem Himmel verwandelten sich seine Züge in ein warmes Lächeln. „Ja das kann ich und mehr möchte ich von Ihnen auch gar nicht wissen.“
„Wie jetzt?“ Jetzt war Ruby wirklich vollkommen durcheinander; wie schaffte er es bereits ein zweiten Mal sie so aus dem Konzept zu bringen?
„Ihnen ist Ihre Aufgabe sehr wichtig, das lässt sich ganz eindeutig aus Ihren Worten heraus hören.“
„Und das wollten Sie unbedingt herausfinden?“
„Nun ja, ich bin von Geburt an sehr neugierig und was mich interessiert das versuche ich auch auszuhorchen.“
Sie sah ihn mit leicht seitlichem Blick misstrauisch an und meinte schließlich stur gerade heraus. „Flirten Sie etwa gerade mit mir? Beziehungsweise versuchen es?“
Tatsächlich wurde er rot, zwar nur leicht, aber sie hatte wohl ins Schwarze getroffen. Bekanntlich schlug in solchen Lebenslagen immerzu das Schicksal zu und warf alles gänzlich durcheinander, auch hier und jetzt. Das Telefon des Kommissars klingelte, eine Ausweichmöglichkeit, die er nur zu gern nutzte.
„Drewes.“ Meldete er sich und wandte sich etwas von ihr ab. Wohl war es unangebracht zu lauschen, aber es nicht zu machen ging ihr zu sehr gegen die eigene Natur. Außerdem war es beinahe unmöglich, weil er gar nicht versuchte leiser zu sprechen.
„Hey Partner…ja ich bin noch an der Schule.“ Er ging sich durch die Haare. „Nein…“ Fuhr er fort. „…wirklich? Das ist eine gute Nachricht. Ich werde so schnell wie möglich zu dir kommen. Bis dann.“
Dann legte er auf und wandte sich grinsend zu ihr um. „Ruby Cavillo, Sie haben mich voll ertappt. Ich hoffe Sie empfinden es nicht als zu aufdringlich, aber ich wollte Sie fragen ob Sie mit mir vielleicht mal einen Kaffee trinken wollen?“
„Wie, Sie wollen mit mir einen Kaffee trinken gehen?“ Ihre Überraschung war echt und viele Fragen wanderten ihr ruckartig durch den Kopf.
„Ich bedauere es, aber die Arbeit ruft, ich habe keine Zeit mich zu erklären. Ganz schnell, ja oder nein?“
Eine Weile stand sie da, mit offenem Mund und bekam keinen Laut zustande, doch dann nickte sie und erwiderte ganz automatisch. „Ja, gern.“
Sein typisches Grinsen erleuchtete wieder, worauf alle Zweifel wie futsch waren. „Wunderbar, bis dann.“ So schnell wie er gekommen war so schnell war er wieder verschwunden und erst als er schon längst davongefahren war, fiel ihr auf, dass sie gar keinen Termin abgemacht hatten oder gar die Telefonnummern ausgetauscht hatten.
Inständig fragte sie sich im Inneren, ob es nicht an der Zeit war, einfach alles fallen zu lassen und irgendwo anders neu anzufangen. Ihr persönlich war das im Moment alles etwas zu verrückt. Nein utopisch!