Читать книгу ...denn ihrer ist das Himmelreich - Jost Müller-Bohn - Страница 57

21.
Februar

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„Der Herr wird ihn erquicken auf seinem Lager; du hilfst ihm auf von aller seiner Krankheit.“

Psalm 41,4

Vier Mädchen spielten im Schnee, sie bewarfen sich mit Schneebällen und trieben allerlei Unsinn und Schabernack. Dabei kamen sie auf den Gedanken, einmal bei der alten, wunderlichen Nachbarin ins Fenster hineinzuschauen. Für die Kinder hatte es einen besonderen Reiz, diese Frau zu stören, denn dieses uralte Mütterlein konnte seit Jahr und Tag nicht mehr aus dem Haus gehen. Stundenlang lag sie einsam auf ihrem Bett und konnte sich nur mühsam auf Krücken fortbewegen. Im Sommer setzte sie sich ab und zu noch ans Spinnrad. Aber die Kinder des Dorfes ärgerten diese alte Frau immer wieder, deshalb konnte die Kranke die ungezogenen Kinder nicht mehr leiden.

Als die Mädchen nun an das Fenster kamen, sahen sie die alte Frau mit ihrem faltigen Gesicht am Tisch sitzen und in einem Buch lesen. Aus lauter Übermut klopften alle vier Mädchen gleichzeitig mit großer Wucht an die Fensterscheibe, so dass die Alte einen furchtbaren Schreck bekam. Sie stand auf und drohte den Kindern mit der Faust. Die aber rannten wie der Sturmwind davon. Das älteste der Mädchen, das schon zehn Jahre alt war, wurde daheim sehr unruhig. Sie dachte: ob es wohl recht war, dass wir die alte Frau, die schon so einsam und krank darniederlag, so erschreckten? Sie schämte sich, weil ihr Gewissen sie verklagte.

Im Garten blühten im Schnee die ersten Schneeglöckchen. Schnell pflückte das Mädchen einen kleinen Strauß, den wollte sie der Kranken bringen. Aber sie hatte große Angst, denn da die Frau sie gesehen hatte, hätte sie noch sehr böse sein und sie vielleicht sogar mit der Krücke schlagen können. Deshalb nahm sie ihr kleines Brüderlein, das noch nicht laufen konnte, auf den Arm und ging zum Haus der Nachbarin.

Mit klopfendem Herzen läutete das Mädchen an der Tür der alten Frau. Zornig stand die Alte vor den Kindern. „Ich möchte Ihnen gern eine Freude machen und mich entschuldigen. Deshalb bringe ich Ihnen das Sträußchen hier.“ Dabei streckte sie ihr die Schneeglöckchen entgegen, während sie das Brüderchen fest auf dem Arm hielt. „Du willst mir eine Freude machen, Kind? Das hat schon lange niemand mehr getan! - Na, dann kommt ihr beiden mal zu mir ins Zimmer.“ Die alte Frau war durch ihre Krankheit so schwach, dass sie sich gleich wieder aufs Bett legen musste. Auf dem Tisch sah das Mädchen ein Gesangbuch liegen. „Darf ich Ihnen etwas aus dem Gesangbuch vorlesen?“ fragte es.

„Oh, sehr gern, mein Kind, meine Augen werden immer schwächer, darum bitte ich täglich zu Gott, dass er mir noch so viel Augenlicht erhält, um in der Bibel und im Gesangbuch lesen zu können. Aber das geht nur recht mühsam. Nun schickt dich der Herr und ich freue mich, dass du mir etwas vorlesen möchtest.“

Das Mädchen setzte das kleine Kind zu der alten Frau aufs Bett und begann zu lesen:

„Immer muss ich wieder lesen in dem alten, heilgen Buch,

wie mein Herr so sanft gewesen, ohne List und ohne Trug.

Wie er hieß die Kindlein kommen, wie er hold sie angeblickt

und sie auf den Arm genommen und sie an das Herz gedrückt.

Wie er Hilfe und Erbarmen allen Kranken gern erwies

und die Blöden und die Armen seine lieben Brüder hieß.“


Die alte Frau weinte vor großer Freude. Von jetzt an kam das Mädchen täglich und las der Kranken aus der Bibel und aus dem Gesangbuch etwas vor. Danach kniete es nieder und betete, wie wir es jetzt auch tun wollen:

„Kranken Herzen sende Ruh nasse Augen schließe zu.

Hab auf alles gnädig acht; schenk uns eine gute Nacht!“ Amen.

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