Читать книгу totreich - J.P. Conrad - Страница 25
21.03 Uhr
ОглавлениеEr läutete und kurz darauf öffnete ein Bediensteter mit weißen Handschuhen und einer deutlich arrogant gerümpften Nase die Tür.
»Sie wünschen?«
Jack besann sich seiner Antwort, die er sich zu Recht gelegt hatte und mit der er sich, ohne die Einladung, die bereits auf dem Grund eines großen Müllcontainers liegen musste, hinein komplimentieren wollte.
»Jackson Calhey. Ich bin der Schwiegersohn von Mister Martins«, übertrieb er unauffällig. Soweit waren Grace und er ja eigentlich noch nicht.
»Dürfte ich bitte Ihre Einladung sehen, Sir?« forderte der Eintrittsverweigerer.
»Meine Frau müsste eigentlich schon hier sein, sie hat die Einladung. Mrs Grace M... äh, Calhey-Martins.« Damit würde er nie durchkommen, es war die schlechteste Lüge seines Lebens.
Der Diener jedoch schien es sich mit niemandem aus dem Martins-Clan verscherzen zu wollen und trat, nach einem kurzen Blick auf seine Liste, zu Jacks Verblüffung beiseite. »Ich wünsche Ihnen eine angenehmen Abend, Sir.«
Seines Mantels entledigt und mit kleinen Schweißperlen auf der Stirn betrat Jack den großen Festsaal.
»Ich bin in der Hölle«, war das Erste, was ihm in den Sinn kam, als er sich umblickte. In dem aufgeheizten und von Champagnerduft erfüllten Raum tummelten sich mindesten zweihundert Männer und Frauen, alle vornehm gekleidet und sichtlich in belanglose Konversation vertieft. Ein Quintett spielte irgendwas von Mozart und flinke Diener tänzelten mit Tabletts mit Hors d’œuvres und Champagner durch die Reihen. Wohltätigkeit begann wohl immer erst mal am eigenen Herd.
»Jack?« hörte er die freudig überraschte Stimme von Grace rufen. Er wandte sich um und sie glitt elegant auf ihn zu. Sie sah einfach umwerfend aus in ihrem roten, schulterfreien Kleid. Ihre grünen Augen strahlten wie kostbare Smaragde und ihr bordeauxroter Mund hauchte einen Kuss auf seine Lippen.
»Was machst du denn hier? Ich dachte, du seist tot?«
Ungeachtet dieser grotesken Frage und als hätte er nie etwas anderes getan, schnappte er sich ein Champagnerglas vom Tablett eines gerade vorbeigehenden Kellners und antwortete, sich umschauend, und mit übertriebener Coolness:
»Mich amüsieren. Ist ja ganz nett hier.«
Sie sah ihn skeptisch an. »Du magst doch so was gar nicht. Ich habe dich doch schon so oft gefragt, ob du mitkommen wolltest und du hast immer nein gesagt.«
Sie schien sichtlich überrumpelt. Jack wollte gerade Luft holen, um zu antworten, als sie anerkennend hinzusetzte: »Aber der Smoking steht dir wirklich gut!«
Er bedankte sich für das Kompliment und schob sie dann sanft in einen weniger belebten Nebenraum.
Mit ernster Miene sah er Sie an. »Hör zu«, begann er mit gedämpfter Stimme und trat ganz nah an sie heran. »Ich bin hier, weil Macintosh vermutet, dass dieser Mister Black unter den Gästen sein könnte.«
»Black?«
»Der Typ, der in Byrons Einladungskarte erwähnt wurde.«
Sie nickte verstehend. »Der ›Sagen Sie nur ja oder nein‹ Typ.«
»Ja genau. Ein gewisser Benjamin Walston will sich hier heute mit ihm treffen.«
»Ben Walston?« fragte sie ungläubig. »Das ist ein Bekannter von Dad.«
»Tatsächlich?« Jack war sich nicht sicher, ob er das als glückliche Fügung werten sollte; er wollte nicht noch mehr Personen in die Sache reinziehen.
»Sie hatten mal geschäftlich miteinander zu tun. Dad hat einem seiner Kunden ein Grundstück vermittelt, glaube ich. Sie treffen sich noch ab und zu zum Essen. Das Einzige, weshalb ich mich so gut daran erinnere ist, weil Dad gesagt hat, du würdest dem Mann ein bisschen ähnlich sehen.«
Jack grinste. »Dann hoffe ich, der Kerl sieht blendend aus«, entgegnete er und zwinkerte ihr zweideutig zu. »Ist er hier?« frage er dann und sah über Graces Schulter hinweg in Richtung des großen Saals.
»Nein, ich glaube noch nicht.«
»Hm…«, brummte er nachdenklich und sah ihr dann tief in die Augen. »Würdest du für mich mal unauffällig die Gästeliste checken? Nach Walston und…«
»Black«, fügte sie verstehend hinzu. »Ja, Schatz, mache ich. Geh du doch inzwischen meinem Dad guten Tag sagen!«
»Vielleicht später.«
Grace verzog ihr Gesicht zu einer tadelnden Grimasse. »Einfach keine Manieren, der Mann«, fauchte sie leise und verließ den Raum.
Jack trank noch den letzten Schluck seines Champagners und wie aufs Stichwort war auch schon ein Kellner zur Stelle, um das leere Glas mitzunehmen. Jetzt wollte er sich unter die Leute mischen und beobachten. Etwas unsicher, was er mit seinen Händen anfangen sollte, betrat er wieder den großen Saal, wo gerade die Musik verstummt war. Er sah, dass Graces Vater das Podium auf der anderen Seite des Raumes bestieg und ein Mikrofon an den Mund setzte. Das Gemurmel unter den Gästen ebbte ab und die Blicke richteten sich erwartungsvoll auf Mister Martins.
»Ladies und Gentlemen, liebe Freunde und Gönner unserer Stiftung«, begann er mit seiner tiefen, sonoren Stimme seine Rede. »Wir freuen uns, dass Sie so zahlreich zu unserem diesjährigen Wohltätigkeitsball erschienen sind. Als Erstes möchte ich mich, auch im Namen der Stiftungskollegen Royce Sinclair und Samuel Wilde, herzlich für die großzügigen Spenden bedanken, die wir im Laufe des Jahres durch unsere Events und Hilfsprojekte, erhalten haben.«
Jack kannte die beiden Namen, sie tauchten regelmäßig im Wirtschaftsteil des Loughton Courier auf. Er sah sich nach Grace um, konnte sie aber nirgends entdecken. Langsam tastete er sich weiter nach vorne vor, Richtung Podium. Auf einmal rempelte ihn jemand seitlich an.
Es war ein großer, schlanker Mann mit pechschwarzem Haar und einem kantigen, vernarbten Kinn. Er hielt zwei volle Champagnergläser in den Händen.
»Verzeihung«, sagte er monoton.
Jack lächelte freundlich. »Ist ja nichts passiert.«
Dann schritt der Mann auf eine kleine Gruppe sich unterhaltender Damen zu.
»Ich hätte Grace auch was zu trinken holen sollen. An meinen Manieren muss ich wirklich noch feilen.« Gedankenversunken lauschte er den weiteren Ausführungen Mister Martins über das Elend der Welt und wie die Anwesenden zu dessen Linderung beigetragen hätten.
»Und alles, was ich dieses Jahr gemacht habe, war dem Typ vom Zirkus ein paar Pence zu geben.« Ein Tippen auf seine Schulter riss ihn aus seinen Gedanken. Er drehte sich um und sah in Graces angespanntes Gesicht.
»Und?«
Sie zögerte kurz und flüsterte ihm dann ins Ohr: »Black ist hier!«