Читать книгу totreich - J.P. Conrad - Страница 26
22.16 Uhr
ОглавлениеHubert Macintosh und Steve Highsmith saßen an der Bar des Lions Pub in Harlow und warteten. Sie diskutierten über den Fall Moore, die laufende, eigentlich illegale Operation und die Konsequenzen, die auf sie zukommen würden, wenn Superintendent Crowe davon erführe, was sie hier trieben. Noch dazu unter Mitwirkung eines Zivilisten.
Die Kneipe war bis auf sie und einen einzelnen Mann, der bereits das fünfte Bier trank, seit sie dort waren, leer. Der Barkeeper stand die meiste Zeit mit verschränkten Armen an den Tresen gelehnt und verfolgte die Sportsendung auf dem Fernseher, der in einer Ecke des Raumes unter der Decke hing. Hubert unterbrach ihn in seinem Tun und orderte noch ein Ginger Ale.
»Ist das Ihr einziges Laster, Mister?«, fragte der dickbäuchige Mann mit den buschigen Koteletten mit rauchiger Stimme und nahm das leere Glas. Es war Huberts viertes.
»Für heute ja«, antwortete er lächelnd und schielte zu Highsmith, der sich gerade eine Hand voll Erdnüsse in den Mund stopfte. Im Gegensatz zu ihm hatte sein Assistent das Privileg seines offiziellen Feierabends genutzt und Bier bestellt. Hubert würde ihn wohl nach Hause fahren müssen.
»Ich danke Ihnen, dass Sie mir so unter die Arme greifen, Steve. Opfern sogar ihre Freizeit«, sagte er und legte Highsmith freundschaftlich die Hand auf die Schulter.
Dieser winkte ab und entgegnete kauend: »Sir, das ist für mich selbstverständlich. Jetzt kann ich mich endlich mal dafür erkenntlich zeigen, dass Sie mich damals für ihre Abteilung haben wollten. Ich hoffe nur, dass Mister Calhey etwas erreicht.«
Hubert blickte bedrückt ins Leere. »Das hoffe ich auch. Bisher konnte ich mich eigentlich immer auf meinen Instinkt verlassen. Ich gebe zu, bevor Calhey mit dieser seltsamen Einladung aufgekreuzt ist, war ich bereit, die Geschichte zu vergessen und mich mit meiner Frau auf dieser verdammten Insel in die Sonne zu legen. Dabei bekomme ich doch sowieso immer nur einen Sonnenbrand und nicht eine Spur von Bräune.«
Highsmith schmunzelte.
»Aber es steckt ja offenbar doch mehr dahinter. Das Attentat auf Calhey zeigt doch, dass wir irgendwo Staub aufgewirbelt haben.«
»Thomas Patterson hat im Übrigen eine absolut reine Weste. Keine Vorstrafen oder ähnliches«, erklärte Highsmith, als wäre es ihm gerade eingefallen. »Die Suche nach dem dunklen Geländewagen läuft noch. Zeugen für den Unfall haben sich bisher keine gemeldet.«
»Steve, Sie haben wirklich sehr gute Arbeit geleistet. Ich danke Ihnen für ihre Loyalität.« Hubert schlug ihm anerkennend auf die Schulter. »Sehen Sie, auch bei Ihnen lag ich mit meinem Instinkt richtig. Ihr Ex-Chef Brown hat dagegen behauptet, Sie wären zu weich für den Job.«
Steve lachte. »So, hat er das gesagt? Aber für blöde Späße als Stimmenimitator auf seinen privaten Partys war ich immer gut genug.« Eigentlich war ihm gar nicht zum Lachen; er ärgerte sich eher darüber, dass Brown ihm offenbar seinen lang ersehnten Wechsel zur Mordkommission hatte sabotieren wollen.
Macintoshs Handy klingelte. Es war Jack Calhey. »Wie läuft es?« frage Hubert direkt und glaubte, im Hintergrund klassische Musik zu hören.
»Dieser Black ist hier. Er wurde zumindest auf der Gästeliste abgehakt«, kam die Antwort.
»Aber gefunden haben Sie ihn noch nicht?« Hubert sah Steve Highsmith scharf an, dieser wusste sofort, worum es bei dem Gespräch ging.
»Nein«, antwortete Jack. »Aber ich bleibe dran.«
»Klemmen Sie sich an Walston. Früher oder später wird er bei ihm auftauchen.«
»Das ist ja das Problem, der feine Herr lässt hier auf sich warten und kommt vielleicht gar nicht.«
Macintoshs Stirn legte sich in Falten. Er sah zur Guinness-Uhr an der Wand. »In Ordnung«, sagte er dann. »Machen Sie weiter, aber unauffällig. Wenn Sie Black gefunden haben, verwickeln Sie ihn in ein belangloses Gespräch. Fragen Sie ihn, in welcher Branche er tätig ist und so weiter. Prägen Sie sich vor allem sein Gesicht gut ein. Und wenn irgend möglich machen Sie unauffällig ein Foto von ihm.«
»Ich werde mich bemühen. Dann bis später.«
Hubert legte das Handy auf den Tresen und brummte nachdenklich. Dann klärte er seinen Assistenten über den aktuellen Stand auf, der nicht gerade zufriedenstellend war.
Eine weitere halbe und zumindest für Nicht-Soccer-Fans ereignislose Stunde verging und Hubert bestellte sich noch ein Ginger Ale.
»Dass Sie mir mal nicht abhängig werden von dem Zeug«, witzelte der Barkeeper und schenkte nach. Dann nahm er die Fernbedienung des Fernsehers und zielte auf das Gerät.
»Noch lauter?« fragte Hubert verärgert. Er hasste diese Fernsehatmosphäre in Pubs. Musik war ihm viel lieber.
»Jetzt kommen die Nachrichten«, brummte der Mann ohne ihn anzusehen. »Ich hab heute noch nichts von der Welt mitbekommen.«
Hubert verkniff sich den Kommentar, dass nichts Weltbewegendes passiert sei und sah erneut zur Uhr an der Wand.
»Ob es wirklich klug war, Calhey auf diesen Mister Black anzusetzen? Er ist doch in so was vollkommen unerfahren«, fragte Highsmith, dem die Warterei auch aufs Gemüt schlug.
Hubert gab sich gelassen. »Ich denke, der Junge ist nicht auf den Kopf gefallen. Abgesehen davon, dass er Moores bester Freund war, wie er immer betont, ist er Journalist. Und wenn er gut in seinem Job ist, kommt er auch irgendwie an die Informationen, die wir brauchen.« Er hätte viel darum gegeben, wenn er selbst hätte auf den Ball gehen und sich Mister Black vorknöpfen können.
Im Hintergrund wurden die Nachrichten verlesen und die beiden Männer lauschten zunächst mehr oder weniger interessiert den neuesten Meldungen über Unruhen im Nahen Osten und die britische Wirtschaft. Doch dann kam eine Nachricht, bei der beide plötzlich aufhorchten:
»Wie die Financial Times in ihrer morgigen Ausgabe berichtet, plant die amerikanische Vanderbilt Holding die Übernahme des Halbleiterherstellers Moore Enterprises. Der nach dem tragischen Tod des Firmengründers Byron Moore neu ernannte Konzernchef Thomas Patterson bestätigte dies heute in einem Interview. Bereits im vergangenen Jahr hatte die Moore Enterprises eine Übernahme oder Fusion strikt abgelehnt. Die revidierte Haltung des Unternehmens wird von vielen Seiten heftig kritisiert, nicht zuletzt, da durch die Übernahme viele Arbeitsplätze bedroht werden. Die Vanderbilt Holding hat hierzu bisher noch keine Stellungnahme abgegeben.«
Macintosh und Highsmith wechselten einen erstaunten Blick. Plötzlich und unerwartet hatten sich ein neuer Anhaltspunkt und ein mögliches Motiv für Moores Tod ergeben: War er vielleicht einer Übernahme seiner Firma durch Vanderbilt, einen Milliardenkonzern aus den USA, im Weg gewesen?
Gerade, als sie über das soeben gehörte ihre Vermutungen austauschen wollten, bemerkten sie, wie jemand stolpernd das Lokal betrat. Sie fuhren herum und sahen einen zerzausten Jack Calhey, der sich ein Taschentuch vor die blutende Nase hielt.