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3.Fälle der mittelbaren Täterschaft

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181Selbst wenn das Opfer den lebensbeendenden Akt selbst vornimmt, kann aber auch nach Ansicht der Rechtsprechung (ausnahmsweise) eine abweichende Beurteilung geboten sein, wenn die Tatherrschaft nach den Kriterien der mittelbaren Täterschaft beim Beteiligten liegt und das Opfer unfrei handelt. Maßgeblich hierfür ist, ob das Opfer freiverantwortlich handelt oder nicht. Streitig ist allerdings, wann eine eigenverantwortliche Willensentscheidung zur Selbsttötung vorliegt514.

182a) Teilweise wird für die Beurteilung nur auf die für Fremdverletzungen geltenden Regeln zurückgegriffen. Es wird demnach gefragt, ob das handelnde Opfer im Falle einer Fremdschädigung rechtlich verantwortlich gewesen wäre515. Dies ist zu verneinen, wenn zugunsten des Handelnden eine Exkulpationsvorschrift eingreifen würde (§§ 19, 20, 35, § 3 JGG). Liegt etwa die Situation eines Nötigungsnotstands vor, so wäre das Opfer – hätte es einen Dritten geschädigt – aufgrund der Zwangslage gem. § 35 entschuldigt516. Kommt es in einem solchen Fall zur Selbsttötung, fehlt es stets an einer freiverantwortlichen Entscheidung.

Bsp.: T veranlasst den O, der sich in einer tief greifenden Bewusstseinstörung befindet, zur Selbsttötung. – Hat T Kenntnis von dieser Störung, ist er gem. §§ 212, 25 Abs. 1 Var. 2 zu bestrafen. O handelt dann nicht freiverantwortlich, da er im Falle der Tötung eines Dritten gem. § 20 rechtlich nicht verantwortlich gewesen wäre.

183b) Streitig ist, ob über diese Fälle hinaus eine mittelbare Täterschaft in Betracht kommt517. Dies ist grundsätzlich zu bejahen, da auch in anderen Fällen eine Wissens- und Willensherrschaft des Beteiligten vorliegen kann und daher ein eigenverantwortlicher Suizid ausscheidet. Mit Recht wird überwiegend auf diejenigen Regeln abgestellt, die – einmal abgesehen von der fehlenden Dispositionsbefugnis hinsichtlich des Rechtsguts Leben – für die rechtfertigende Einwilligung gelten518. Für eine solche Lösung spricht, dass bei der Disposition über das eigene Leben ähnlich strenge Regeln gelten müssen wie im Rahmen einer Fremdverletzung oder bei der Beurteilung der Ernstlichkeit des Tötungsverlangens i. S. d. § 216 und damit dem Verantwortungsprinzip Rechnung getragen werden kann. Freiverantwortlichkeit ist anzunehmen, wenn das Opfer die natürliche Einsichtsfähigkeit für die Entscheidung besitzt, Mangelfreiheit des Suizidwillens sowie die innere Festigkeit des Entschlusses gegeben sind519. Demnach muss das Opfer vor allem einsichtsfähig sein, d. h. die Tragweite seiner Entscheidung übersehen; daran kann es bei einem alkohol-, alters-, krankheits- oder psychischbedingten Mangel fehlen520. Zudem dürfen keine wesentlichen Willensmängel (Drohung, Täuschung oder Zwang) vorliegen521. Einen rechtsgutsbezogenen Willensmangel veranlasst der Täter beispielsweise, wenn er das Opfer darüber täuscht, dass es durch seine eigenen Handlungen zu Tode kommen wird.

Bsp.:522 O ist dem T hörig, was T ausnutzen möchte, um sich zu bereichern. T spiegelt O vor, er sei ein Gesandter des Sternes Sirius und habe den Auftrag, vor dem Untergang der Erde einige Menschen, wozu auch O gehöre, zu retten. Hierzu sei aber erforderlich, dass sie ihren Körper durch einen neuen Körper ersetze. Nachdem T die O dazu bringt, eine Lebensversicherung zu seinen Gunsten abzuschließen, trägt er ihr auf, sich in die Badewanne zu setzen und einen Fön in das Wasser zu werfen. Sie werde dann in einem roten Raum am Genfer See in einem neuen Körper erwachen. Als O den Fön in das Wasser wirft, spürt sie jedoch nur ein leichtes Kribbeln. – Für die Frage, ob sich T wegen versuchten Mordes (Habgier) strafbar gemacht hat, ist zunächst zu berücksichtigen, dass die Handlung, die unmittelbar zum Tode führen sollte, von O selbst vorgenommen wurde. Eine Selbsttötung würde nur dann ausscheiden, wenn O nicht freiverantwortlich handelte und damit als ein sich selbst schädigendes Werkzeug i. S. d. § 25 Abs. 1 Var. 2 anzusehen wäre. Ob die Verursachung eines Irrtums beim Opfer hierfür ausreichend ist, hängt im Einzelfall von Art und Tragweite des Irrtums ab523. Wird das Opfer bewusst darüber getäuscht, dass es eine Ursache für den eigenen Tod setzt, so ist der Täuschende Täter eines Tötungsdelikts, wenn er kraft überlegenen Wissens den Irrenden lenkt und dadurch zum Werkzeug gegen sich selbst macht (sog. „Irrtumsherrschaft“)524. T ist demnach mittelbarer Täter, da er O vorspiegelte, dass sie ihren alten Körper gegen einen neuen tauschen werde und diese daher nicht glaubte, dass sie sich selbst töten werde.

184c) Umstritten ist in diesem Zusammenhang, ob auch das Hervorrufen eines bloßen Motivirrtums, der einen anderen zur Selbsttötung veranlasst, zur Irrtumsherrschaft und daher zur mittelbaren Täterschaft führt.

Bsp. (1):525 T täuscht seine Ehefrau O darüber, dass sie an einer unheilbaren Krankheit leide, an der sie qualvoll sterben werde. Daraufhin tötet sich O – wie von T beabsichtigt – selbst.

Bsp. (2):526 T spiegelt seiner Ehefrau O vor, dass er bereit sei, mit ihr aus dem Leben zu scheiden; in Wahrheit denkt er jedoch nicht daran. Er möchte das weitere Leben lieber mit der Geliebten G verbringen.

185In solchen Fällen bezieht sich der Irrtum des Opfers nicht auf die Tötung selbst, sondern lediglich auf das maßgebliche Motiv. Zwar verfügt das Opfer hier bewusst über das Leben, gleichwohl steuert der Hintermann die Entscheidung des Opfers aufgrund seiner Wissens- und Willensherrschaft planmäßig, weshalb auch in diesen Fällen mittelbare Täterschaft anzunehmen ist527.

Strafrecht - Besonderer Teil I

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