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2.Ausdrückliches und ernstliches Verlangen

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209Erforderlich ist stets, dass objektiv ein ausdrückliches und ernstliches Verlangen des Getöteten vorliegt.

210a) Ein Verlangen ist nur gegeben, wenn das Opfer auf den Willen des Täters einwirkt. Dieses kann sich auch an einen größeren, bestimmbaren Adressatenkreis (alle Ärzte einer Krankenstation, Pfleger eines Heimes usw.), dem der Täter angehört, richten585. Die bloße Einwilligung des Opfers in ein Tötungsbegehren des Täters genügt jedoch nicht586. Und erst Recht reichen bloße Vermutungen („mutmaßliches Verlangen“) nicht aus.

Bsp.587: T hatte seit langem die Phantasie, Männer zu schlachten. Er suchte über das Internet männliche Personen, die sich ihm hierfür zur Verfügung stellten. Nach mehreren Kontakten fand er das spätere Opfer, das mit der Verwirklichung dieser Phantasien einverstanden war. Das ganze Geschehen nahm T auf Video auf, welches er hinterher betrachten und in Ausschnitten im Internet verbreiten wollte; Teile der Leiche verspeiste er. – Läge hier ein Fall des § 216 vor, so würde diese Vorschrift den Tatbestand des § 211 „sperren“. Da der Wunsch, getötet zu werden, nicht von O ausging, sondern T aus eigenem Antrieb im Internet ein Opfer suchte, fehlt es an einem für den Täter handlungsleitenden Verlangen i. S. d. § 216588. Als Mordmerkmale i. S. d. § 211 kommt ein Handeln zur Befriedigung des Geschlechtstriebs und um eine andere Straftat zu ermöglichen (Störung der Totenruhe nach § 168 StGB) in Betracht589.

211b) Das Verlangen muss ausdrücklich, d. h. eindeutig und unmissverständlich, erfolgen. Dabei kann das Verlangen als Aufforderung formuliert werden, aber auch in eine Frage gekleidet sein oder gar durch eine Geste deutlich gemacht werden590.

Bsp.:591 O möchte aus dem Leben scheiden und stellt die Frage, ob ihm T helfen würde, „die Spritze zu geben“. Die Frage kann – unter Einbeziehung des Gesamtzusammenhangs – als ausdrückliches und ernstliches Verlangen i. S. d. § 216 verstanden werden.

212Auch eine Bedingung – etwa das Verlangen einer Fremdtötung für den Fall, dass eine Selbsttötung fehlschlägt – steht der Anwendung des § 216 nicht entgegen.

213c) Ferner muss das Verlangen ernstlich sein, d. h. auf einer freiverantwortlichen Willensentscheidung des Opfers beruhen. Hierfür können die für die Einwilligung entwickelten Grundsätze herangezogen werden. Das Opfer muss mithin die notwendige Einsichts- und Urteilsfähigkeit besitzen592. Diese kann im Einzelfall bei einer Berauschung durch Alkohol oder andere Drogen, Krankheit oder aufgrund jugendlichen Alters zu verneinen sein593. Ferner dürfen weder Zwang noch sonstige wesentliche Willensmängel, wie Irrtümer (sei es auf einer Täuschung beruhend oder nicht) oder eine nur augenblickliche depressive Stimmung gegeben sein594.

Bsp.: T täuscht den O darüber, dass dieser unheilbar krank ist. O bittet daraufhin den T, ihn zu töten, um ihm weitere Leiden zu ersparen. – Da die Entscheidung des O irrtumsbehaftet ist, liegt kein ernstliches Tötungsverlangen vor, so dass § 212 zur Anwendung gelangt. Würde O selbst die lebensbeendende Handlung vornehmen, wären §§ 212, 25 Abs. 1 Var. 2 (und keine straflose Beteiligung an einer Selbsttötung) gegeben, weil T aufgrund seiner Täuschungshandlung die Tatherrschaft besaß und der nicht freiverantwortlich handelnde O damit ein sich selbst schädigendes Werkzeug wäre595.

214d) Erforderlich, aber auch ausreichend ist, dass das ausdrückliche und ernstliche Verlangen im Tatzeitpunkt noch fortbesteht596. Daraus folgt zugleich, dass das Tötungsverlangen jederzeit widerrufbar ist597. Ferner sind Bedingungen und Beschränkungen im Hinblick auf die Tötungsart zu beachten. Dem Verlangen wird jedenfalls dann nicht mehr Rechnung getragen, wenn eine wesentliche Abweichung hinsichtlich der verlangten Tötungsart vorliegt598.

Bsp.: Der schwerkranke O bittet den T, ihn mit einer Spritze von seinen Schmerzen zu erlösen. T löst hingegen eine tödlich wirkende Tablette in Flüssigkeit auf und verabreicht das Getränk dem O. – Hier liegt – je nach weiterer Ausgestaltung des Falles – lediglich eine unwesentliche Abweichung hinsichtlich der Tötungshandlung vor, so dass § 216 zur Anwendung gelangt. Anders (mit der Folge, dass § 212 vorliegt) wäre etwa zu entscheiden, wenn T den O erwürgen oder erschießen würde.

Strafrecht - Besonderer Teil I

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