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I.Geschütztes Rechtsgut und Systematik

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203Die Vorschrift des § 216 stellt einen Privilegierungstatbestand zu § 212 dar und schützt ebenfalls das Rechtsgut Leben. Anders als der Totschlag ist die Tötung auf Verlangen lediglich ein Vergehen (vgl. § 12 Abs. 1 und 2), bei dem jedoch die Versuchsstrafbarkeit in Absatz 2 ausdrücklich angeordnet ist. Die Vorschrift des § 216 macht deutlich, dass grundsätzlich eine rechtfertigende Einwilligung in die Tötung nicht möglich ist und der Rechtsgutsinhaber insoweit in seiner Dispositionsbefugnis eingeschränkt wird568. Besonderheiten sind jedoch im Rahmen der Sterbehilfe zu beachten, bei der nach BGH nunmehr eine (mutmaßliche) Einwilligung möglich sein soll569. Bei einer Tötung auf Verlangen findet lediglich ein milderer Strafrahmen Anwendung. Dieses Privileg lässt sich damit begründen, dass aufgrund des Tötungsverlangens einerseits das Unrecht der Tat, andererseits aufgrund der Mitleidssituation bzw. Konfliktlage beim Täter auch der Schuldgehalt der Tat gemindert ist570.

204Liegt § 216 tatbestandlich vor, tritt eine Sperrwirkung ein, so dass auch bei Verwirklichung eines Mordmerkmals § 211 nicht zur Anwendung gelangt571. Soweit im Rahmen der Tötung auch §§ 224, 226 mit ihren höheren Strafrahmen verwirklicht werden, treten diese ebenfalls zurück, damit die Privilegierung nicht unterlaufen wird. Umstritten ist, ob dies auch für die versuchte Tötung auf Verlangen – ggf. mit strafbefreiendem Rücktritt – gilt.

Bsp.: T kommt dem Tötungsverlangen des O nach und verabreicht ihm Gift. Anschließend bekommt er jedoch Bedenken und alarmiert einen Rettungswagen. O überlebt dadurch. Aufgrund der Wirkung des Giftes kommt es jedoch zu einer Gesundheitsschädigung (§ 224 Abs. 1 Nr. 1) im Zuge derer O das Sehvermögen auf einem Auge verliert (§ 226 Abs. 1 Nr. 1). – Hinsichtlich §§ 216 Abs. 1 u. 2, 22, 23 ist T gemäß § 24 Abs. 1 S. 1 Var. 2 strafbefreiend zurückgetreten. Fraglich ist jedoch, ob T gemäß § 224 Abs. 1 Nr. 1, § 226 Abs. 1 Nr. 1 bestraft werden kann; denn wäre § 216 zur Vollendung gelangt, hätte dieser Sperrwirkung entfaltet.

205Damit der Täter im Falle der nur versuchten Tötung auf Verlangen nicht schlechter gestellt wird als bei Vollendung, wird auch in dieser Konstellation eine Sperrwirkung angenommen572. Soweit – anders als im vorgenannten Beispiel – kein Rücktritt vorliegt, lägen dann §§ 216 Abs. 1 u. 2, 22, 23 vor. Bejaht man eine solche Sperrwirkung, verbleibt allerdings im Falle des Rücktritts nur noch eine Strafbarkeit gemäß § 223. Teilweise wird daher die Sperrwirkung nur hinsichtlich des Verbrechenstatbestandes des § 226 bejaht, während bei § 224 die Annahme eines minder schweren Falles vorgeschlagen wird573, weil dieser einen geringeren Strafrahmen als § 216 aufweise und daher die Privilegierung nicht unterlaufen werde574. Dies überzeugt jedoch aus zwei Gründen nicht575: Zum einen gibt es Fälle bei denen nur § 226, nicht aber § 224 einschlägig ist, so dass man letztlich wiederum nur zu § 223 gelangt. Zum anderen muss man sehen, dass im Falle des Versuchs die Strafe im Rahmen des § 216 gemildert werden kann, so dass der Strafrahmen des minder schweren Falles des § 224 demgegenüber höher wäre. Ein anderer Vorschlag zielt darauf ab, den Täter – auch um das erhöhte Unrecht im Tenor zum Ausdruck zu bringen – gemäß §§ 224, 226 zu verurteilen, dabei aber den (ggf. gemilderten) Strafrahmen des § 216 auf Rechtsfolgenseite zu übertragen576. Rückt man den Schuldspruch allerdings weniger in den Vordergrund, kann man es auch bei der oben genannten Sperrwirkung des § 216 belassen, im Rahmen der Verurteilung nach § 223 jedoch – soweit eine Milderung beim Versuch nicht geboten ist – die Untergrenze des § 216 berücksichtigen (die Strafrahmenobergrenze des § 223 entspricht ohnehin derjenigen des § 216).

Strafrecht - Besonderer Teil I

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