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2.Objektive Zurechnung

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224Besonders klausurrelevant ist die objektive Zurechnung. Von Bedeutung sind etwa Fragen des Pflichtwidrigkeitszusammenhangs und des Schutzzwecks der Norm. Vor allem aber ist die Selbstgefährdung von der Fremdgefährdung abzugrenzen613. Während beim Vorsatzdelikt die Trennlinie anhand der Grundsätze von Täterschaft und Teilnahme gezogen wird614, ist eine solche Differenzierung beim Fahrlässigkeitsdelikt nicht möglich. Grundsätzlich vermag hier nämlich jede sorgfaltspflichtwidrige Handlung die Täterstellung zu begründen. Freilich sind die entsprechenden Abgrenzungsfragen mit der h. M. im Rahmen der objektiven Zurechnung zu erörtern. Für die Abgrenzung zur Fremdschädigung ist auch hier entscheidend, wer den unmittelbar lebensgefährdenden Akt vornimmt. Dreh- und Angelpunkt ist dann allerdings die Freiverantwortlichkeit. Sobald diese zu verneinen ist, kommt eine Strafbarkeit des Beteiligten in Betracht, weil insoweit bereits jeder Sorgfaltspflichtverstoß Anknüpfungspunkt des Fahrlässigkeitsdelikts sein kann. Daher kann es beim Suizid genügen, dass der Beteiligte sorgfaltspflichtwidrig verkennt, dass das Opfer keine autonome Entscheidung trifft615.

225a) Die Straflosigkeit der fahrlässigen Mitwirkung an einem eigenverantwortlichen Opferverhalten wird meist mit einem Erst-recht-Schluss begründet. Wenn sogar die vorsätzliche Mitwirkung an einem Suizid straflos bleibe, müsse dies erst recht für die fahrlässige Mitwirkung an einer Selbsttötung gelten616. Argumentum a majore ad minus wird auch die Straflosigkeit der Selbstgefährdung begründet: Wer schon nicht wegen der Teilnahme an einer Selbstverletzung strafbar sei, könne dies erst recht nicht wegen der Teilnahme an einer bloßen Selbstgefährdung sein617. Inhaltlich ist jedoch entscheidend, dass der Hintermann lediglich mittelbar über das Medium eines fremden Willens eine Bedingung setzt und so das Opfer eigenverantwortlich zum selbstschädigenden bzw. selbstgefährdenden Handeln veranlasst618. Einer Zurechnung des vom Opfer so selbst herbeigeführten Erfolges steht das Verantwortungsprinzip entgegen. Demnach ist jeder grundsätzlich nur dafür verantwortlich, dass er selbst nicht Rechtsgüter anderer Personen gefährdet.619 Nicht zuständig ist er hingegen für schädigende oder gefährdende Handlungen Dritter, weil dies deren eigenen Verantwortungsbereich trifft. Begründen lässt sich die Straflosigkeit damit, dass die Handlungsfreiheit einer Person nicht beschränkt werden darf, solange eine Person sich im Einklang mit ihrem Willen schädigt oder gefährdet und damit das Risiko der Gefahrrealisierung übernimmt620. Wer daher lediglich eine eigenverantwortliche Selbstgefährdung veranlasst, fördert oder ermöglicht, macht sich grundsätzlich nicht strafbar621. Dogmatisch betrachtet realisiert sich damit im Rahmen der Figur der objektiven Zurechnung keine vom Täter geschaffene rechtlich missbilligte Gefahr im Erfolg, sondern ein vom Opfer freiverantwortlich übernommenes Risiko.

Strafrecht - Besonderer Teil I

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